Wolfgang Huste Polit- Blog

Sage Nein!

Dienstag, 22. März 2011 von Huste

Wenn sie jetzt ganz unverhohlen
Mit bewährten Atomparolen
Scheinheilig zum Höchsten beten
Und das Recht mit Füssen treten
Wenn sie dann in lauten Tönen
Einzig ihrer Machtgier frönen
Denn am atomaren Wesen
Muss nun mal die Welt genesen
Dann steh auf und misch dich ein
Sage nein

Meistens rückt dann ein Herr Wichtig
Die Geschichte wieder richtig
Und behauptet nur mit Atomen
Ließe sich die Welt bestromen
Diese fleischgewordne Lüge –
Ach man kennt es zur Genüge
Mach dich stark und misch dich ein
Zeig es diesem dummen Schwein
Sage Nein

Ob als Penner oder Sänger
Bänker oder Müßiggänger
Ob als Priester oder Lehrer
Hausfrau oder Straßenkehrer
Ob du sechs bist oder hundert
Sei nicht nur erschreckt, verwundert
Tobe zürne, misch dich ein:
Sage Nein

Niemand soll mehr denen dienen
Die die Welt so schlecht verwalten
Nie mehr solln uns jene lenken
Die nicht mit dem Herzen denken
Lass dich nie mehr auf sie ein
Sage Nein

Doch es tut sich was, ihr Lieben
Auf den Straßen, auf den Plätzen
Finden sich die Freunde ein
Sich dem Wahn zu widersetzen
Jetzt muss Schluss sein mit dem Schweigen
Dem Gehorsam, dem Verstecken
Wenn für unser Wohlbefinden
Hunderttausende verrecken
Dann ist´s Zeit zu widerstehen
Wenn, dann aufrecht untergehn
Sage Nein

von konstantin wecker
angepasst von gerd

Auf der Website von Konstantin Wecker – www.hinter-den-schlagzeilen.de- könnt Ihr die Rede von Gregor Gysi in voller Länge sehen, die er anlässlich der Bundestagsdebatte über das 3monatige Atommoratorium gehalten hat. Er ist der Einzige, der Nein gesagt hat und deshalb wurde der Inhalt seiner Rede in unseren gleichgeschalteten Medien nicht erwähnt, geschweige denn kommentiert. Hörens- und sehenswert!

Grüne Kreuzritter. Westen lehnt Waffenstillstand ab. Von Werner Pirker

Dienstag, 22. März 2011 von Huste

The war must go on. Angebote der libyschen Seite für einen Waffenstillstand stören da nur. Zur Hölle mit dem Despoten. Wer Libyen künftig regiert, bestimmt die Wertegemeinschaft. Es werden Kräfte sein, die hinsichtlich einer Neuverteilung der Ölförderlizenzen mit sich reden lassen. Doch es geht nicht nur um Öl. Vor allem gilt es, die Botschaft zu vermitteln, daß arabische Aufstände westlicher Führung bedürfen. So soll der arabische Revolutionsprozeß in sein Gegenteil verkehrt werden.

Doch sind sich die Kriegsherren ihrer Sache nicht sonderlich sicher. Der Krieg gegen ein Land, dessen Führung der Idee der nationalen Unabhängigkeit und dem Panarabismus verpflichtet war, dürfte auf den arabischen Straßen, von Bengasi einmal abgesehen, keine Jubelstürme auslösen. Das könnte den Volksbewegungen, die sich hinsichtlich Antiimperialismus bisher noch eine gewisse Zurückhaltung auferlegt hatten, eine neue, gegen die imperialistische Vorherrschaft gerichtete Stoßrichtung geben. Auch die Erfahrung, daß auf Re­gimewechsel zielende Kriege leicht zu beginnen und schwer zu beenden sind, haben den westlichen Feldherren zu denken gegeben, bevor sie sich dann doch wieder zum »gerechten Krieg« entschlossen haben oder entschließen mußten. Die Westmächte fürchten, daß der arabische Aufruhr die auf ihrer Hegemonie beruhende Nahost-Architektur zum Einsturz bringen könnte. Deshalb gilt es Präsenz zu zeigen. Deshalb haben sie sich in voller Kenntnis der Risiken Hals über Kopf in diesen Krieg gestürzt.

Die Berliner Republik hat die propagandistische Kriegsvorbereitung voll mitgemacht, und dann doch nicht für die Kriegsermächtigungsresolution Nr. 1973 gestimmt. Folgerichtig findet die Aggression gegen Libyen ohne direkte deutsche Beteiligung statt – am Hindukusch will man sich dafür umso mehr ins Zeug legen. Den Kriegstreibern in Paris und London erscheint das als die reine Drückebergerei.

Auch SPD und Grüne sehen in der deutschen Nichtbeteiligung am Kreuzzug gegen ein arabisches Land unterlassene Hilfeleistung und eine grobe Verletzung der Bündnispflicht. Daß die Regierung in ihrer Entscheidung von der Antikriegsstimmung im Volk beeinflußt gewesen sein dürfte, wird ihr als Wahlkampf-Opportunismus vorgeworfen. Angesichts der Tatsache, daß es unter Grün-Wählern die meisten Kriegsbefürworter gibt, braucht sich die Partei des gehobenen Mittelstandes um die Befindlichkeiten der subalternen Masse weiter nicht zu kümmern. Die Rhetorik ist fast noch die gleiche wie zu den Zeiten, als man den Verdammten dieser Erde solidarische Kampfesgrüße aus der Höhle der imperialistischen Bestie zukommen ließ. Grüne Bewunderung ob seiner basisdemokratischen Experimente und ökologischen sowie feministischen Ansichten genoß auch ein Revolutionsführer namens Muammar Al-Ghaddafi. Heute meint man die Verdammten zu befreien, indem man die imperialistische Bestie auf sie losläßt.

Quelle: www.jungewelt.de vom 22.03.11

Bombenhagel auf Libyen. Von Arnold Schölzel

Montag, 21. März 2011 von Huste

Fast auf den Tag acht Jahre nach dem Beginn des mit massiven Propagandalügen und monatelanger Medienhetze im Westen vorbereiteten Irak-Krieges starteten die USA sowie Frankreich und Großbritannien erneut einen Akt imperialistischer Aggression. Streitkräfte der drei Staaten bombardierten am Sonnabend und Sonntag Dutzende Ziele in Libyen. Unter Berufung auf die am Donnerstag angenommene Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates begann der Kriegseinsatz am Samstag­ nachmittag mit Angriffen französischer Kampfjets auf Einheiten vor der Rebellenhochburg Bengasi im Osten des Landes. Am Abend feuerten dann US-Kampfschiffe und ein britisches U-Boot 124 Tomahawk-Marschflugkörper auf Luftabwehrstellungen entlang der libyschen Küste.

US-Oberbefehlshaber Mike Mullen sprach anschließend von einem »Erfolg« der ersten Phase der Opera­tion »Odyssey Dawn« (etwa: »Odyssee Morgendämmerung«). Er erklärte, die Offensive der Truppen Ghaddafis sei vor Bengasi gestoppt worden. Der Militäreinsatz diene nicht dem Sturz Ghaddafis, sondern allein dem Schutz der libyschen Zivilbevölkerung. Am Sonntagmorgen setzten französische und US-Streitkräfte die Luftangriffe fort. Insgesamt 19 US-Kampfflugzeuge, darunter drei Tarnkappenbomber, nahmen an dem Einsatz teil, wie das US-Afrika-Kommando (AFRICOM) in Stuttgart, das den Einsatz koordiniert, mitteilte. Der US-Fernsehsender CBS berichtete, drei US-Tarnkappenbomber hätten einen wichtigen Militärflugplatz bombardiert, um einen Großteil der libyschen Luftwaffe zu zerstören.

Nach Angaben aus libyschen Regierungskreisen starben bei den Angriffen mindestens 48 Menschen, 150 weitere wurden verletzt. Parlamentspräsident Mohammed Swei verurteilte die Angriffe als »barbarische Aggression«. Sie seien erfolgt, obwohl die libysche Regierung einen Waffenstillstand angekündigt habe. Laut Staatsfernsehen wurden in Tripolis sowie in den Städten Misrata, Suara, Sirte und Bengasi zivile Ziele bombardiert.

Ghaddafi drohte mit Vergeltungs­angriffen und einem »Schlachtfeld im Mittelmeer«. In einer Audiobotschaft sprach er von einem »langen, ausgedehnten Krieg ohne Grenzen«. Er erklärte, »das gesamte Volk steht unter Waffen« und warnte, die Libyer würden nicht nachgeben. Das libysche Außenministerium forderte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Nach den westlichen Angriffen sei die UN-Resolution 1973 nicht länger gültig, hieß es in einer Erklärung.

Das sehen offenbar andere Staaten ähnlich. Die Außenministerien Chinas, Indiens und Rußlands sowie der Generalsekretär der Arabischen Liga Amr Mussa kritisierten am Sonntag das Vorgehen der westlichen Koalitionäre, insbesondere die Berufung auf die UN-Resolution. Die Angriffe dienten nicht dem Ziel, eine Flugverbotszone einzurichten. Die Vertreter der drei Länder sowie die Deutschlands und Brasiliens hatten sich bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat enthalten.

Zu einem ersten Protest gegen die Intervention rief die Linkspartei am Sonntag zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin.

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.03.11

DIE LINKE. zur Libyen – Resolution

Samstag, 19. März 2011 von Huste

Zur Libyen-Resolution des UN-Sicherheitsrates erklären die Vorsitzenden von Partei und Fraktion Die Linke, Gesine Lötzsch, Klaus Ernst und Gregor Gysi:

Mit der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen droht aus dem Bürgerkrieg in Libyen ein international geführter Krieg zu werden. So richtig es ist, Ghaddafis mörderischem Treiben Einhalt zu gebieten, so falsch ist es, dies mit Krieg erreichen zu wollen. Auch Frankreich, Großbritannien und die USA wissen, welch hohes Risiko mit der Einrichtung einer Flugverbotszone und der faktischen Freigabe von militärischen Interventionen durch den Sicherheitsrat verbunden ist. Die Charta der Vereinten Nationen wird verletzt.

Deutschland hat im Weltsicherheitsrat die militärischen Entscheidungen nicht vorangetrieben. Diese Haltung wird nun aus den Reihen von SPD und Grünen kritisiert. Die Kritik ist falsch. SPD und Grüne machen sich wieder zum Vorreiter eines kriegerischen Abenteuers. Sie nutzen dafür das längst widerlegte Argument von Schröder und Fischer, Krieg wäre auch in diesem Falle die »Ultima ratio«. Für Die Linke gilt: Krieg ist die Ultima irratio. Wir werden einem Krieg für Öl und einer deutschen Beteiligung daran auf keinen Fall zustimmen.

Die Bundesregierung von Union und SPD hat den libyschen Diktator mit den von ihr 2006–2009 genehmigten Rüstungsexporten von über 83 Millionen Euro aufgerüstet und den Krieg gegen die eigene Bevölkerung für Ghaddafi führbar gemacht. Sie hat zu wenig getan, um den wirtschaftlichen Druck auf die Machthaber in Libyen zu erhöhen. Öl- und Geldströme wurden nicht konsequent unterbrochen, ein weltweiter Stopp für Rüstungs- und Munitionslieferungen nicht durchgesetzt. Eine Hilfe in der Flüchtlingsfrage wurde nur nebenbei betrieben.

Die Linke fordert, eine Kriegsbeteiligung der NATO auszuschließen. Die Bundesregierung muß ihre Enthaltung im Sicherheitsrat nun in politisches Handeln umsetzen und auf Großbritannien, Frankreich und die USA mäßigend einwirken. Deutschland darf sich weder unmittelbar noch mittelbar an einem militärischen Eingreifen beteiligen. Deutschland muß sich dafür einsetzen, daß unter dem Dach der Vereinten Nationen ernsthaft über einen Waffenstillstand aller Konfliktparteien verhandelt wird. Eine militärische Eskalation muß verhindert werden.

Renate Künast und Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzende, sowie Dr. Frithjof Schmidt, stellvertretender Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, begrüßen die Kriegsermächtigung:

Wir begrüßen die Forderungen des UN-Sicherheitsrates nach einem sofortigen Waffenstillstand und einem Ende der Gewalt. Der Diktator Ghaddafi muß der Aufforderung des Sicherheitsrates umgehend folgen, seine Truppen müssen den Waffenstillstand strikt einhalten.

Die Maßnahmen der Vereinten Nationen halten wir insgesamt politisch für notwendig, um die Bevölkerung vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen. In dem Beschluß ist vorgesehen, Schutzzonen für die Zivilbevölkerung einzurichten, und es wird angekündigt, jeden drohenden Angriff notfalls mit Gewalt zu unterbinden. Diese Maßnahme sowie eine Flugverbotszone verschaffen Zeit, damit die ebenfalls verschärften Sanktionen an Wirkung gewinnen können. Eine Flugverbotszone birgt jedoch auch Risiken. Deshalb muß der militärische Einsatz strikt an das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte gebunden und verhältnismäßig im Einsatz der Mittel sein. (…)

Quelle: www.jungeelt.de vom 19./20.03.11

NATO eröffnet neue Front. Von Rüdiger Göbel

Samstag, 19. März 2011 von Huste

Zum Jahrestag der US-Invasion im Irak hat sich der Westen zu einem weiteren Krieg gegen ein ölreiches arabisches Land ermächtigt. Acht Jahre nach der Bombardierung von Bagdad wird Libyen ins Visier genommen. In der Nacht zum Freitag hat der UN-Sicherheitsrat in New York unter der Führung der USA, Großbritanniens und Frankreichs mehrheitlich eine namentlich nicht genannte Koalition der Willigen dazu ermächtigt, den dortigen Bürgerkrieg zu internationalisieren. Resolution 1973 autorisiert »alle notwendigen Maßnahmen«, um die libysche Zivilbevölkerung vor Angriffen Muammar Al-Ghaddafis zu schützen. Ausgeschlossen wird zunächst nur die Präsenz von »Besatzungstruppen«.

Frankreich bekräftigte, umgehend zuschlagen zu können. Großbritannien und Belgien stellten Kampfflugzeuge bereit. Spanien und Italien stellten Militärstützpunkte für die Angriffe zur Verfügung. Auch NATO-Partner Griechenland wurde als Basis genannt. Schon jetzt ist die westliche Kriegsarmada vor ­Libyen größer als in den 90er Jahren vor der Küste Jugoslawiens, das fast auf den Tag genau vor zwölf Jahren Ziel einer NATO-Aggression war.

Die in den vergangenen Tagen in die Defensive gezwungenen Aufständischen jubelten in der von ihnen gehaltenen Stadt Bengasi über die in Aussicht stehende militärische Großunterstützung wie 1999 die kosovo-albanische Untergrundarmee UCK. Neben Luftangriffen auf Stellungen der libyschen Regierungstruppen stehen Ghaddafi-Gegnern laut Spiegel online auch Waffenlieferungen via Ägypten in Aussicht – was, nur nebenbei bemerkt – gegen UN-Resolution 1973 verstößt. In der libyschen Hauptstadt Tripolis reagierten die Menschen auf die UN-Resolution mit einer »Mischung aus Fanatismus und Angst«, wie Korrespondenten des lateinamerikanischen TV-Sendeverbund Telesur berichteten. Die libysche Regierung bekräftigte am Freitag ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit den Aufständischen und verkündete eine sofortige einseitige Waffenruhe.

Wenige Stunden nach der UN-Entschließung hatten sich die 28 Mitglieder der NATO in Brüssel zu ersten Gesprächen über die Durchsetzung einer Flugverbotszone in Libyen getroffen. Die großen westlichen Nachrichtenagenturen verbreiteten erste Übersichten zu möglichen Angriffszielen in dem nordafrikanischen Land. Am Wochenende soll das genaue Kriegsprozedere abgestimmt werden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt am Samstag auf Einladung des französischen Staatspräsdenten Nikolas Sarkozy an einem Libyen-Gipfel in Paris teil. Deutschland habe sich bei der Abstimmung im Sicherheitsrat zwar enthalten und werde sich »nicht an militärischen Maßnahmen beteiligen«, so Merkel. Tatsächlich will die schwarz-gelbe Regierung das deutsche Kriegskontingent in Afghanistan aufstocken – konkret sollen Soldaten der Bundeswehr die Luftüberwachung mit AWACS-Flugzeugen übernehmen– um NATO-Kräfte am Hindukusch für den Krieg in Libyen abkommandieren zu können.

SPD und Bündnis 90/Die Grünen begrüßten die Kriegsresolution des UN-Sicherheitsrats. Die Sozialdemokraten kritisierten die »Zurückhaltung« und »Mutlosigkeit« der Bundesregierung, weil sie sich bei der Abstimmung in dem UN-Gremium enthalten hatte.

Unter dem Motto »Bomben schaffen keinen Frieden. Kein Krieg in Libyen!« ruft Die Linke am Sonntag, 20. März, um 11 Uhr zu einer Mahnwache am Brandenburger Tor in Berlin auf.

Quelle: www.jungewelt.de vom 19./20.03.11

GAU mit Ansage. Von André Scheer

Donnerstag, 17. März 2011 von Huste

Die Atomkatastrophe in Japan war offenbar vorhersehbar. Das japanische Außenministerium veröffentlichte bereits Mitte 2008 einen Bericht der »Gruppe für Nukleare Sicherheit und Sicherung« (NSSG), einer Einrichtung der G8. Das asiatische Land hatte zu diesem Zeitpunkt den Vorsitz der Gruppe der acht führenden Wirtschaftsmächte inne und richtete deren Gipfeltreffen im Juli 2008 in Tyako aus. In dem Papier der NSSG wird darauf hingewiesen, daß ein Erdbeben der Stärke 6,6 im Juli 2007 das Atomkraftwerk Kashiwazaki Kariwa stark beschädigte und dieses abgeschaltet werden mußte. Dieses Ereignis unterstreiche »die Bedeutung einer internationalen Antwort auf Risiken, die Erdbeben für Kernkraftwerke weltweit bedeuten«, heißt es in dem Dokument.

Bei den Diskussionen, die der Veröffentlichung dieses Berichts vorausgingen, wurden die Experten offenbar noch deutlicher. Das geht aus einer Depesche hervor, die dem Daily Telegraph vom Internetdienst Wiki­leaks zugespielt wurde. In dem Papier vom Dezember 2008, das die britische Zeitung am Mittwoch veröffentlichte, zitieren Diplomaten der US-Botschaft in Tokio Vertreter der Internationalen Atom­energiebehörde (IAEA). Diese hätten bei einer Besprechung mit G8 und NSSG darauf hingewiesen, daß die japanischen Richtlinien für Erdbebensicherheit in den vergangenen 35 Jahren nur dreimal überprüft worden seien. Die Bebenstärke, für die Japans Reaktoren ausgelegt wurden, sei bereits in der Vergangenheit mehrfach übertroffen worden. »Das ist ein ernstes Problem«, so die Experten damals.

Die japanische Regierung versucht jetzt, die Menschen im In- und Ausland zu beruhigen. Kabinettssprecher Yukio Edano sagte am Mittwoch in Tokio, der innere Reaktormantel von Block 3 im Atomkraftwerk Fukushima eins sei »wahrscheinlich nicht ernsthaft beschädigt« und widersprach damit seinen eigenen Äußerungen, die er wenige Stunden zuvor gemacht hatte. Die 20 Kilometer vom Reaktor gemessene Radioaktivität bedeute »keine unmittelbare Gefahr«. Das Außenministerium rief das Ausland außerdem zur Ruhe auf, nachdem mehrere Regierungen Reisewarnungen ausgesprochen oder die Schließung ihrer diplomatischen Vertretungen in Tokio angekündigt hatten.

Nach der Atomkatastrophe stellen weltweit immer mehr Regierungen ihre jeweiligen Atomprogramme auf den Prüfstand. China kündigte am Mittwoch an, bis auf weiteres keine neuen Baugenehmigungen für Reaktoren zu erteilen und die Vorbereitungen für die Errichtung bereits genehmigter Kraftwerke auf Eis zu legen. Ob auch der bereits begonnene Bau von 26 Reaktoren gestoppt wird, blieb zunächst offen. Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und der russische Ministerpräsident Wladimir Putin bekräftigten hingegen, an der Atomkraft festhalten zu wollen. Putin sagte bei einem Besuch in Minsk, Kernenergie sei die »einzig starke Alternative« zu Öl und Gas, alles andere seien »Spielereien«. In Schweden beantragte der Atomkonzern SKB am Mittwoch die Genehmigung für den Bau eines Endlagers für Atommüll in der Nähe des AKW Forsmark. Der in Kupferkapseln eingeschlossene hochradioaktive Abfall soll für 100000 Jahre in einem Berg gelagert werden. Die schwedische Regierung hatte den nach einer Volksabstimmung 1980 erfolgten Atomausstieg des skandinavischen Landes Anfang 2009 wieder aufgehoben und den Neubau von zehn Reaktoren genehmigt.

Quelle: www.jungewelt.de vom 17.03.11

Wettlauf gegen die Zeit. Von Rüdiger Göbel

Mittwoch, 16. März 2011 von Huste

Nach der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima sind Millionen Menschen einer gesundheitsgefährdenden radioaktiven Belastung ausgesetzt. Seit dem Erdbeben und dem Tsunami am vergangenen Freitag hat es in vier der sechs Blöcke Explosionen gegeben. Am Dienstag wurde erstmals der innere Schutzmantel eines Reaktors in der Anlage beschädigt. Die Strahlenmeßwerte in der Umgebung schossen in die Höhe. Die AKW-Betreiberfirma Tepco sprach erstmals von einer »sehr schlimmen« Lage. Ministerpräsident Naoto Kan erklärte im Fernsehen, aus vier Reaktoren des Kraftwerks seien radioaktive Partikel ausgetreten, und er warnte vor weiteren Lecks. Mittlerweile sei in drei der vier betroffenen Reaktorblöcke eine Kernschmelze möglich. Selbst in der 240 Kilometer südlich gelegenen Hauptstadt Tokio mit 35 Millionen Einwohnern wurden erhöhte Strahlenwerte gemessen. Japanische Medien schrieben von einem »Wettlauf gegen die Zeit« und verbreiteten Verhaltensregeln für den Fall einer radioaktiven Verstrahlung.

Mit der Beschädigung des Schutzmantels in Block 2 des AKW Fuku­shima I hat die Atomkatastrophe eine neue Dimension erreicht. Vor Ort soll nur noch eine kleine Notmannschaft arbeiten. 50 Mann in Strahlenschutzanzügen versuchten laut Behördenangaben, Wasser in die Reaktoren zu pumpen, um sie zu kühlen. Gleichzeitig wurde gemeldet, der Kontrollraum habe geräumt werden müssen. Auf geradezu abenteuerliche Weise soll versucht werden, den benachbarten außer Kontrolle geratenen Reaktorblock4 zu kühlen – aus der Luft. Laut dpa ist geplant, mit Hilfe von Hubschraubern Wasser durch Löcher im teilweise zerstörten Dach zu schütten. Als würde das alles noch nicht reichen, gab es am Dienstag abend (Ortszeit) vor der Ostküste unweit von Fukushima ein neues schweres Nachbeben der Stärke 6,3.

Der Fukushima-Atomunfall hat nach Einschätzung aus Frankreich die zweithöchste Stufe in der Internationalen Bewertungsskala (INES). Das Geschehen sei mit Stufe 6 von 7 zu bewerten, teilte der Präsident der Französischen Atomsicherheitsbehörde (ASN), André-Claude Lacoste, am Dienstag in Paris mit. Einzig die Katastrophe in Tschernobyl vor 25 Jahren hatte die höchste Stufe auf der INES-Skala erreicht.

Angesichts der Schreckensnachrichten aus Japan und mehreren Landtagswahlen in diesem Monat ist in Deutschland ein Wettlauf um die atomkritischste Position entbrannt. Mit Blick auf Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und vor allem Baden-Württemberg scheint es selbst in der schwarz-gelben Bundesregierung keine AKW-Befürworter mehr zu geben. Fast im Stundentakt verschiebt sie ihre Verteidigungslinien. Am Montag mittag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel ein dreimonatiges Moratorium verkündet, in dem die 17 deutschen Reaktoren einem »gründlichen Sicherheitscheck« unterzogen werden sollten– obgleich sie offiziell ja eigentlich als sicher gelten. Am Montag abend – mehr als 10000 Menschen forderten bei Protesten in gut 400 Städten der BRD einen Sofortausstieg aus der Atomenergie – wurde bekanntgegeben, die zwei Alt-AKW Neckarwestheim I und Biblis A sollten abgeschaltet werden. Am Dienstag morgen erklärte die Kanzlerin, die sieben ältesten Atomkraftwerke (BiblisA und B, Brunsbüttel, Unterweser, Philippsburg 1, Neckarwestheim 1 und Isar 1) vorläufig vom Netz nehmen zu wollen. Am Nachmittag bekundete der eingefleischte Atomkraftbefürworter und baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), Neckarwestheim werde auf Dauer stillgelegt. Engpässe in der Stromversorgung sind nicht zu befürchten. Die AKW sollten dank CDU/CSU und FDP einzig zur weiteren Gewinnmaximierung – eine Million Euro pro Kraftwerk und Tag – weiter laufen dürfen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.03.11

Stillegen sofort! Alle Atomkraftwerke sind gefährlich Von Wolfgang Pomrehn

Dienstag, 15. März 2011 von Huste

Nun rudert die Bundesregierung hektisch zurück: Die Verlängerung der Laufzeiten solle ausgesetzt werden, bis die Ergebnisse einer neuen Risikoabschätzung vorliegen. Natürlich bleibt das leeres Gerede, solange nicht wenigstens Neckarwestheim1 endgültig stillgelegt wird. Das ist der zweitälteste Meiler der Republik und der erste, der von der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung profitiert. Außerdem liegt er, ohne hinreichend dafür ausgelegt zu sein, in einer Erdbebenzone.

Aber mit einer – dreimonatigen! – Rücknahme der Laufzeitverlängerung werden sich die Zehntausenden Menschen, die am Montag abend in über 320 Städten im ganzen Land auf die Straße gingen, ohnehin nicht zufriedengeben. Vielerorts ist der alte Schlachtruf der Anti-AKW-Bewegung wieder zu hören: Alle Atomanlagen sofort stillegen!

Aber ist das möglich? Kann die Stromversorgung dann noch sichergestellt werden? Deutschland ist in den letzten Jahren zunehmend zum Stromexporteur geworden. 2010 wurden netto 17 Milliarden Kilowattstunden exportiert. Das ist die Jahresproduktion von zwei bis drei großen Atomkraftwerken. 37,5 Milliarden Kilowattstunden wurden außerdem von den Atom- und Kohlekraftwerken selbst für den Betrieb verbraucht, immerhin rund sechs Prozent der gesamten Produktion. Entsprechend hat es in den vergangenen Jahren wiederholt längere Zeiten gegeben, in denen fünf oder mehr der 17 AKW aus dem einen oder anderen Grund nicht am Netz waren, ohne daß es Probleme mit der Versorgung gegeben hätte.

Schließlich sind allein im letzten Jahr Solaranlagen mit einer Leistung von fast neun Gigawatt installiert worden. Damit kann eines der größeren AKW ersetzt werden. Aber den Energiepolitikern in den Regierungsparteien ist das offenbar zuviel, weshalb sie in den letzten Monaten reichlich Geschrei angestimmt haben. Angeblich können die Netze den zusätzlichen Strom nicht aufnehmen, weshalb Druck zu einer schnelleren Absenkung der Vergütungen für den Solarstrom gemacht wurde. 2010 haben die erneuerbaren Energieträger bereits 102 Milliarden Kilowattstunden elektrischen Strom geliefert. Das waren immerhin schon rund 18 Prozent des Nettostromverbrauchs. Und das war möglich, obwohl die Netzbetreiber des öfteren bei besonders gutem Wind die Windparks abschalten, da entgegen der gesetzlichen Verpflichtung das Netz nicht rechtzeitig ausgebaut wurde.

Alles in allem könnten die sieben ältesten deutschen Atommeiler von heute auf morgen abgeschaltet werden, ohne daß es Engpässe gibt. Die anderen könnten binnen weniger Jahre folgen, und zwar deutlich schneller, als es im alten Ausstiegsbeschluß vorgesehen war. Die Bedingungen dafür sind da, es fehlt allerdings bisher am politischen Willen. Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger könnte noch weiter beschleunigt werden, möglich wird das unter anderem auch durch den erheblichen Preisverfall bei den Solaranlagen, den die technische Entwicklung und der Massenmarkt möglich gemacht haben. Es gilt, jetzt den notwendigen politischen Druck aufzubauen.

www.jungewelt.de vom 15.03.11

„Empört euch! Ziviler Widerstand gegen die Atomlobby!“. Referatseinladung von Wolfgang Huste

Montag, 14. März 2011 von Huste

Aus aktuellem Anlass heraus referiert Wolfgang Huste, Pressesprecher der Ökologischen Plattform Rheinland-Pfalz, ehemaliger Biologe und Sozialwissenschaftler, unter dem Slogan: „Empört euch! Ziviler Widerstand gegen die Atomlobby!“ zum Thema: „Die Atomstrompolitik der CDU und FDP als Sicherheitsrisiko!“. Die Veranstaltung findet innerhalb des Treffens von Attac Ahr am Mittwoch, 16.3., ab 19.30 Uhr in den Bahnhofsstuben in Bad Neuenahr statt (mitten am Bahnhofsgebäude). Die Besucher und Besucherinnen erhalten genügend Gelegenheit zur allgemeinen Diskussion.

Alle AKW abschalten! Von Reimar Paul und Peter Schadt

Montag, 14. März 2011 von Huste

Der Kampf gegen Laufzeitverlängerungen war gestern. Angesichts der sich zuspitzenden Reaktorkatastrophen in Japan verlangen die Atomkraftgegner nun einhellig die Abschaltung aller Atomanlagen – weltweit und sofort. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, gibt es in etlichen Ländern am heutigen Montag Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen. In mehr als 130 deutschen Städten sind Aktionen gegen das Atomprogramm geplant.

Ein schweres Erdbeben und ein Tsunami hatten am Freitag mehrere Atomkraftwerke in Japan schwer beschädigt. Am Samstag kam es im Atommeiler Fukushima1 zu einer Explosion. In mindestens zwei Reaktorblöcken begannen die Kerne zu schmelzen. Die Radioaktivität in der Umgebung der Atomanlagen stieg stark an, Hunderttausende Menschen wurden evakuiert.

Die schon länger geplante Anti-Atom-Menschenkette am Samstag vom AKW Neckarwestheim nach Stuttgart erhielt durch die dramatischen Nachrichten vom GAU (größter anzunehmender Unfall) Zulauf: Rund 60000 Menschen beteiligten sich an der Demonstration in Baden-Württemberg. Umweltschützer waren in drei Sonderzügen und Hunderten Bussen angereist. Zu der Aktion hatten unter anderem das Bündnis »Ausgestrahlt«, der BUND, campact, die Naturfreunde und Robin Wood aufgerufen. Bei der Kundgebung in Stuttgart war die Stimmung kämpferisch. Die Trauer um die Opfer in Japan vermischte sich mit der Wut auf die Atomlobby. »Die Chance, daß sich hier im Land politisch was verändert, ist so groß wie nie zuvor«, sagte ein Demonstrant.

In Kassel protestierten Menschen bereits am Freitag abend. Auch in Duisburg und Frankfurt am Main gab es Demonstrationen. In Tübingen organisierte sich spontan eine satirische Jubeldemo für mehr Atommeiler in Deutschland. In Berlin fand ein Trauermarsch statt, der 800 Menschen vom Alexanderplatz zum Kanzleramt führte. In Gorleben besetzten am Sonntag rund 400 Atomkraftgegner das Gelände der sogenannten Erkundungsbergwerke kurzfristig.

Das Deutsche Atomforum, die Lobbyorganisation der Branche, war am Wochenende um Schadensbegrenzung bemüht. »Eine Verkettung eines derart schweren Erdbebens und eines schweren Tsunamis ist in Deutschland nicht vorstellbar«, sagte Sprecher Dieter Marx. Die deutschen Kernkraftwerke seien so ausgelegt, »daß die Schutzziele auch bei starken Erdbeben eingehalten werden«.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) probierte es so: Zwar seien die Geschehnisse in Japan ein »Einschnitt für die Welt«, sagte sie. Wenn in einem solch hochentwickelten Land ein solcher Unfall passiere, könne »auch Deutschland nicht einfach zur Tagesordnung übergehen«. Schwarz-Gelb wolle daher die technischen Standards der AKW in Deutschland überprüfen. Politisch soll dagegen nichts aus der Havarie folgen.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) erklärte, eine politische Diskussion in Deutschland über die Zukunft der Atomkraft sei angesichts der akuten Notlage Japans unangemessen. »Ich halte das, um es ganz zurückhaltend zu sagen, für völlig deplaziert.« Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte, jetzt gehe es nicht um einen parteipolitischen Streit in Deutschland. »Der kann warten. Aber die Hilfe für die Menschen, die kann nicht warten.«

Auch Oppositionspolitiker erklärten, zuallererst müsse jetzt an die Opfer gedacht werden. Sigmar Gabriel erklärte am Samstag, »heute muß ein Tag des Innehaltens sein, nicht der parteipolitischen Auseinandersetzung.« Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, es sei jetzt »keine Zeit für Rechthaberei«. Gleichwohl stehe fest, daß auch in Deutschland Atomanlagen stünden, »die genau diesen Störfall nicht beherrschen«. Das AKW Neckarwestheim etwa sei »nicht ausreichend gegen eine Kernschmelze abgesichert und liegt in einem Erdbebengebiet«. Angesichts der nuklearen Katastrophe in Japan bekräftigte Die Linke ihre Forderung nach einem unverzüglichen und unumkehrbaren Atomausstieg in Deutschland. Die Risiken der Technik seien unbeherrschbar, erklärte die Energiepolitikerin Dorothee Menzner am Sonntag in Berlin. »Weltweites berechtigtes Entsetzen, Mitgefühl und Unterstützung der von der Katastrophe Betroffenen alleine reichen nicht. Atomkonzerne und Regierungen sind aufgefordert, unverzüglich zu handeln.«

In die große Sorge um die Menschen in Japan mischte sich bei den Aktivisten der Bürgerinitiativen das Entsetzen über die Reaktion der politisch Verantwortlichen in Berlin. »Die Havarie des Atomkraftwerks ist keine Naturkatastrophe, sie ist eine Folge der Naturkatastrophe«, so Wolfgang Ehmke von der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. »Menschliche Fehler, Naturkatastrophen, Ermüdungserscheinungen des Materials – die Nukleartechnologie ist eine Hochrisikotechnologie.« Dazu komme die Gefahr, die von dem hochradioaktiven Müll ausgehe, der für eine Million Jahre sicher gelagert werden müsse. Reiner Baake, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sagte, es sei besonders schmerzlich, daß die Atomkraftgegner auf diese Weise mit all ihren Mahnungen recht behalten hätten.

Quelle: www.jungewelt.de vom 14.03.11

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