Wolfgang Huste Polit- Blog

Kritische Anmerkungen zur Bürgerinitiative „Pro Ahr-Therme“ in Bad Neuenahr. Von Winfried Heinzel und Wolfgang Huste

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Eigentlich sollte es sich längst überall herumgesprochen haben, dass bei der Privatisierung des öffentlichen Eigentums wie auch bei ÖPP (= Öffentliche Private Partnerschaft) fast ausschließlich nur einer profitiert: der private Käufer oder Betreiber. Bewertungen der Rechnungshöfe belegen, dass die öffentliche Hand ein schlechtes Geschäft gemacht hat und nach dem Verkauf ehemaligen Tafelsilbers tatenlos zusehen muss, wie Kliniken, Verkehrsbetriebe, Schwimmbäder oder Versorgungsunternehmen nach Gesetzen des Marktes, im Interesse der Anteilseigner oder Aktionäre und zulasten der Beschäftigten und der Qualität, umgebaut werden.

Bei den vordergründig so praktischen ÖPP -Modellen können sich die öffentlichen Vertreter zwar dafür feiern lassen, dass trotz leerer Kassen eine neue Schule oder ein prima saniertes Rathaus wieder in Betrieb geht. Dafür haben sie sich aber auf Jahrzehnte über Geheimverträge oder überhöhte laufende Kosten jegliche Entscheidungs- oder Gestaltungsmöglichkeit nehmen lassen. Dennoch gehen Privatisierungen mittels ÖPP wider alle Vernunft weiter. Die Erklärung ist ganz einfach: Dank rigoroser Plünderung öffentlicher Kassen, permanenten Kürzungen auf der Einnahmeseite und wachsender Verschuldung gibt es für die Länder und insbesondere die Kommunen kaum noch Möglichkeiten, marode Schulen und zugige öffentliche Gebäude zu sanieren, Straßen oder Infrastruktur zu reparieren. Bevor es in Klassenräume hineinregnet, Bäder geschlossen werden müssen oder Hauptstraßen nur noch mit Tempo 20 befahren werden können, erliegen die Vertreter der Kommunen den Lockrufen der finanziell üppig ausgestatteten Konzerne oder Investoren. So werden weiter Sozialwohnungen verscherbelt, lukrative kommunale Unternehmen verschleudert und gut wirtschaftende Eigenbetriebe zum Ausverkauf fit gemacht. Zusätzlicher Druck auf die öffentlichen Kassen droht zum einen durch die in die Verfassung einbetonierte Schuldenbremse, zum anderen durch den von der deutschen Bundeskanzlerin durchgedrückten Fiskalpakt in der EU. (siehe link: http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Fiskalpakt)

Dieser für uns alle schädliche Fiskalpakt hat auch noch eine weitere Schattenseite, denn seit seiner Umsetzung kann die Politik auf nationaler Ebene wie auch in den Ländern und Kommunen ihre Arbeit einstellen, denn durch diesen Fiskalpakt ist der Schuldenabbau und die systematische Kürzung der Öffentlichen Haushalte oberstes Gebot. Seitdem sind noch stärker paradiesische Zeiten für die Privatisierer angebrochen.

Deshalb ist es wichtig, wie durch den unten aufgeführten Beitrag von Wolfgang Huste dargestellt, dass wir eine Plattform anbieten, um anstehende, laufende, verhinderte wie umgesetzte Privatisierungen vorzustellen, sie kritisch zu untersuchen und um Gegenwehr zu organisieren bzw. zu vernetzen, wie z.B. hier. Ich könnte mir auch weitere Beispiele wie z.B. für das „Brohltal – Freitzeitbad Weibern“ (ebenfalls im Kreis Ahrweiler) u.a. vorstellen, und zwar unter der Überschrift „Privatisierung scheibchenweise – Leipziger Allerlei auch im Kreis Ahrweiler“. Danke, Wolfgang, für Deine kritischen Worte, die Du hier zur Diskussion stellst- zu einem Thema, das uns Bürgerinnen und Bürger im gesamten Kreis Ahrweiler angeht:

Problemfall „Ahr-Thermen“. Ein Diskussionsbeitrag von Wolfgang Huste

Vorweg: Nicht nur bei politischen Entscheidungen lasse ich mich immer von folgender Fragestellung leiten, aber besonders da:
„Wem nützt dieses und jenes für was? Nützt es einer Minderheit auf Kosten der Allgemeinheit und der Natur, oder nützt es allen?“. Fällt nach sorgfältiger Abwägung aller Pro und Contras die Antwort positiv aus, also zugunsten der Bürgerinnen und Bürger, der Natur, dann stimme ich diesem oder jenem Projekt zu, ansonsten nicht. Wenn dieses und jenes nur für eine Minderheit nützlich ist, ohne Schaden für die Öffentlichkeit respektive der Natur anzurichten, dann ist das auch noch tragbar.

Meine Prämisse, nicht nur innerhalb der Kommunalpolitik, lautet:
„Keine öffentlichen Gelder für private Projekte, wenn sie nachweisbar (!) nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, der Allgemeinheit, eingesetzt werden, oder wenn sie nachweisbar der Umwelt Schaden zufügen“.
Eine gigantische Umverteilung von öffentlichen Geldern in private Taschen, wie sie auf der gesellschaftichen Makroebene, also auf der Bundesebene, täglich passiert (Stichworte hier: Berliner Flughafen, Kasseler Flughafen, Elbphilharmonie Hamburg, Weltkongresszentrum Bonn, Stuttgart 21) findet sich auch auf der Länder- respektive Regionalebene (Stichworte hier: Nürburgringprojekt, Hochmoselübergangsbrücke, Mittelrheinbrücke, A1 – Lückenschluss, der Bau von Windrädern auch in Naturschutzgebieten und jetzt: Ahr-Therme Bad Neuenahr).
Wir sollten nicht vergessen: Die Ahr-Therme hat in ihren „guten“ Zeiten schwarze Zahlen geschrieben. Finanzielle Rücklagen wurden kaum bis gar nicht gebildet; ein grober Fehler, der sich nun bitter rächt. Stattdessen wurden die Gewinne an die Anteilseigner nahezu voll ausgezahlt. Zwischenzeitlich hat der allgemeine Renovierungsstau bei den Ahr-Thermen drastisch zugenommen.
Die Ahr-Therme ist ein privates Unternehmen, was Gewinn orientiert arbeitet. Eine Kommune dagegen sollte im Idealfall kostendeckend arbeiten, zumindest aber nicht Gewinn orientiert, denn letzteres ist nicht die Aufgabe einer Kommune! Falls wider erwarten in Einzelbereichen dennoch ein Gewinn anfällt, dann sollte der jeweilige Gewinn direkt oder indirekt, zum Beispiel in Form einer gewissen Preisstabilität bei den öffentlichen Gebühren, den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen. Es ist auch allgemein bekannt, dass öffentliche Schwimmbäder, Bibliotheken, Krankenhäuser und Kitas fast immer „Zuschussgeschäfte“ sind, dazu gehört auch die Sanierung respektive Instandhaltung von Straßen und öffentlichen Gebäuden; auch hier entstehen Kosten, statt Gewinne.

Für öffentliche Projekte und Einrichtungen sollten die öffentlichen Gelder, also unsere Steuergelder, gerne verwendet werden – nicht aber für die Sanierung bzw. Erhaltung eines privaten Unternehmens, was nicht der Allgemeinheit verpflichtet ist, sondern laut Aktiengesetz einer Minderheit von Aktienbesitzern und Aufsichtsräten.
Bekanntlich ist der Slogan „Privat vor Staat“ ein Slogan der neoliberalen Marktradikalen, der privaten Unternehmen und ihren Lobbyparteien. Geht aber dieses oder jenes privat geführte und auf Profit ausgelegte Unternehmen Pleite, bzw. droht eine Pleite, dann kommt recht schnell der Ruf nach staatlicher oder kommunaler Hilfe, in Form von öffentlichen Geldern oder entsprechenden (meistens steuerlichen) Vergünstigungen. Auch hier gilt das altbekannte Prinzip: „Gewinne werden privatisiert, Verluste werden sozialisiert!“.

Die meisten Kommunen arbeiten defizitär, haben also Schulden. In ihrer Not verkaufen sie teilweise ihr kommunales „Tafelsilber“, zum Beispiel in Form kommunaler Grundstücke, Gebäude, um (kurzfristig) „frisches Geld“ in die öffentlichen Kassen zu bekommen. Oftmals zu Lasten nach uns folgender Generationen. Langfristig betrachtet ist die Privatisierung des öffentlichen Eigentums eine freiwillige Enteignung der Kommunen und damit auch der Bürgerinnen und Bürger.
Welche konkreten Auswirkungen sind mit einer Privatisierung des öffentlichen Eigentums verbunden?
1. Der allgemeine Service wird schlechter
2. Der Renovierungsstau nimmt zu (denn alles, was den Profit schmälert, wird möglichst vermieden – dazu gehören auch Renovierungsarbeiten)
3. Personal wird entlassen oder zu schlechteren Bedingungen eingestellt.
4. Die (Eintritts-) Preise steigen auf Dauer
5. Die Kommune hat keinen Einfluss mehr auf die Preisgestaltung oder die jeweiligen Arbeitsbedingungen.

Andere Kommunen versuchen, durch PPP – Modelle (= Public Private Partnership- Modelle) an Geld zu kommen, oder verkaufen sogar sofort ihr „Tafelsilber“. Nur: Auch hier zahlt die Kommune letztendlich drauf, und zwar in der Regel mehr als das Doppelte von dem, was sie zuvor (angeblich!) gespart hat. Nebenbei: Bei einem PPP-Modell ist nichts öffentlich, und da gibt es keineswegs eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen einer Kommune und den privaten Investoren. Wer tiefer in die Materie „Privatisierung des öffentlichen Eigentums und PPP- Modelle“ einsteigen möchte, sollte in die Google-Suche folgende Begriffe eingeben: „Werner Rügemer Wolfgang Huste Privatisierung öffentliches Eigentum PPP-Modell“.
Da möchte ich lieber unser Kommune eigenes TWIN erhalten! Und die Lärm geplagten Lohrsdorfer würden sich freuen, wenn man endlich, nach Jahrzehnten der Stagnation, die Umgehungsstraße zuende baut (um nur mal zwei Beispiele zu nennen, wohin das Geld „auch“ fließen kann und sollte)!

Nun wird der Renovierungsbedarf der Ahr-Thermen auf 11 Millionen veranschlagt. Das ist also noch nicht einmal der Kaufpreis, denn der liegt weit über den 11 Millionen. Dazu kommen die laufenden Kosten, die pro Jahr auf eine Million Euro geschätzt werden. Wer sich kundig macht, wird schnell erfahren, dass man ein komplett eingerichtetes, kommunales Hallenbad, das auf dem neuesten technischen Stand ist, für rund sieben Millionen neu (!) bauen kann.
Ist also die Privatisierung der Ahr-Thermen komplett abzulehnen? Die Antwort lautet „Ja“, wenn die Privatisierung nachweisbar (!) zum Nachteil der Kommune, der Bürgerinnen und Bürger, erfolgt. Die Antwort lautet „Nein“, wenn der Vorteil für die öffentliche Hand größer als der Nachteil ist. Allgemein wird argumentiert, dass die Stadt, insbesondere der Einzelhandel im Allgemeinen und die Gastronomie und Hotellerie im Besonderen, direkt oder indirekt von den Thermen profitieren. Da frage ich mich: Auf welchen öffentlich einsehbaren Fakten beruht diese Annahme? Was fehlt ist eine wissenschaftliche Studie, die diese kühne These belegt. Um eine nachprüfbare Antwort zu erhalten, benötigen wir keineswegs teure Gutachten bzw. Gutachter. Das können auch Studierende an einer Universität durchführen, innerhalb eines Seminars (zum Beispiel). Viele Besucherinnen und Besucher der Thermen sind Tagestouristen. Sie kommen aus dem näheren Umfeld der Region, übernachten in der Regel nicht in Bad Neuenahr.
Wie ich schon zuvor anmerkte, bin ich durchaus nicht gegen einen privaten Investor, wenn man (sinngemäß) folgende Punkte vertraglich festhält:

1. Personal darf nicht entlassen werden oder zu schlechteren Arbeitsbedingungen eingestellt werden
2. Die Preise dürfen nicht steigen. Steigen sie jedoch so stark, dass nur „gut Betuchte“ sich den Besuch der Ahr-Thermen leisten können, dann muss der jeweilige Investor ein vorher genau definiertes „Sozial-Kontingent an Eintrittskarten“ bereitstellen, und zwar für finanziell schlecht gestellte Bürgerinnen und Bürger, also für „finanziell Bedürftige“.
3. Es muss garantiert werden, dass die Ahr-Therme so gepflegt wird, dass kein Renovierungsstau anfällt
4. Falls dieser oder jener Vertragspunkt durch den privaten Investor nicht eingehalten wird (zum Beispiel eine entsprechende Sozialklausel), dann hat die Kommune wahlweise ein Rücktrittsrecht vom Vertrag oder ein Sanktionsrecht. Nur unter solchen Prämissen kann ich ein „Ja“ zu einem privaten Investor befürworten.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 09. April 2014 um 11:07 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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