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Der Abgrund hinter dem Sonnenbanner. Weihnachtspause im NSU-Prozess, Auftakt im Missbrauchsverfahren gegen Ex-V-Mann Brandt. Von Claudia Wangerin

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Während für die Angeklagten im Münchner Prozess um die Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) schon die Weihnachtspause begonnen hatte, musste sich ihr früherer Weggefährte Tino Brandt, ehemals Anführer des »Thüringer Heimatschutzes«, am Donnerstag in einem Missbrauchsprozess vor dem Landgericht Gera verantworten. Hier war allerdings die Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung ausgeschlossen, um die Persönlichkeitsrechte der Opfer und Belastungszeugen zu schützen. Die Staatsanwaltschaft wirft Brandt vor, minderjährige Jungen sexuell missbraucht und für bis zu 450 Euro an Freier vermittelt zu haben. Nach Gerichtsangaben listet die Anklageschrift 157 Fälle aus den Jahren 2011 bis 2014 auf. Seit Juni sitzt der Neonazi deshalb in Untersuchungshaft, ein Urteil wird für Anfang Februar erwartet. Nach Informationen der Ostthüringer Zeitung steht das ungefähre Strafmaß schon fest: Die Prozessparteien hätten vereinbart, dass die Gefängnishaft fünf bis sechs Jahre betragen solle, wenn Brandt sich geständig zeigt. Nach einer Beratung mit seinem Anwalt Thomas Jauch habe er ein Geständnis angekündigt, berichtete das Blatt am Donnerstag auf seiner Internetseite.

Brandt war von 1994 bis 2001 auch als V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz in der rechten Szene aktiv. Der heute 39jährige soll daher einen »Verräterkomplex« gehabt haben, den ihm das Amt »mit Geld versüßte«, wie es ein ehemaliger Quellenführer Anfang April im NSU-Prozess nannte. In diesem Verfahren hat Brandt Zeugenstatus, da seine Unterstützungshandlungen für das mutmaßliche NSU-Kerntrio, das 1998 in Jena untergetaucht war, heute als verjährt gelten. Von einer Mitwisserschaft über die geplante Mord- und Anschlagsserie geht die Anklage im Fall Brandts nicht aus.

Aktionsabo

Der genaue Gründungszeitpunkt des NSU ist bisher unklar – als sein erstes Mordopfer gilt der 2000 in Nürnberg erschossene Blumenhändler Enver Simsek. Vor dem Oberlandesgericht München ging es am Mittwoch um einen Sprengstoffanschlag auf ein türkisches Lokal, der bereits 1999 in Nürnberg verübt wurde. Er war noch nicht in der Anklageschrift erfasst, weil er erst nach der Aussage des Mitangeklagten Carsten S. vor Gericht als mögliche NSU-Tat unter die Lupe genommen wurde. Laut Carsten S. hatten die untergetauchten Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihm gegenüber eine entsprechende Andeutung gemacht. Am Mittwoch schilderte ein Ermittler des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA) im Zeugenstand die Machart der »Taschenlampenbombe«, die ein junger Mann bei Reinigungsarbeiten in der Gaststätte entdeckt hatte. »In der Lampe befand sich ein mit Schwarzpulver gefülltes Metallrohr, das eingesägt worden war, um bei der Explosion zu zersplittern und so besonders schwere Verletzungen zu verursachen«, berichtete anschließend Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann. »Dass solche schweren Verletzungen nicht eintraten, dürfte nur der Tatsache geschuldet sein, dass bei der Explosion die Verschlussstopfen abgesprengt wurden.« Der junge Mann erlitt Verbrennungen am Oberkörper, im Gesicht und an den Armen, konnte aber das Krankenhaus nach kurzer Behandlung verlassen.
Das Münchner Gericht befasste sich am letzten Tag vor der Winterpause auch mit der Propagandapostille Sonnenbanner, in der kurz vor dem Untertauchen der mutmaßlichen NSU-Gründer eine Anleitung für den bewaffneten Kampf in untereinander vernetzten »Zellen« von jeweils drei bis zehn Personen gedruckt worden war. Der Terror sollte sich gegen die »Schwächung der Volkssubstanz« und die dafür verantwortlich gemachte Regierung richten. Herausgeber der Zeitschrift war der damalige V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem Decknamen »Tarif«, Michael von Dolsperg, geb. See. Der behauptete im Februar 2014 vor Spiegel-Reportern, er habe das Sonnenbanner nach seinem inneren Ausstieg aus der Szene nur noch zu Tarnungszwecken auf Anregung seiner V-Mann-Führer betrieben.

Quelle: www.jungewelt.de vom 19.12.14

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 19. Dezember 2014 um 10:28 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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