Wolfgang Huste Polit- Blog

Wahlkampfzirkus. Von Wolfgang Huste

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Warum heißt es ‚Wahlkampfzirkus‘? Weil in Wahlkampfzeiten auch Spaßparteien und Clowns auf sich aufmerksam machen, oftmals mit bierseeligen, uncoolen Programmen, weil dort auch Artisten ihre gut einstudierten Kunststücke aufführen. Manche der Artisten können sich ungewöhnlich stark verbiegen, ohne sich dabei zu verletzen. Andere Artisten sind in der Lage, in luftiger Höhe einen Salto rückwärts zu machen, oder auch zwei, drei. Sie erhalten für diese Leistung viel Beifall aus dem Publikum. Das Publikum ist frisch gewaschen und satt. Das Publikum kennt nur diesen Zirkus, diese Artisten, seit vielen Jahren. Es ist damit zufrieden. Dieser Zirkus gehört zum Alltag der Dörfler wie die Kirche am Marktplatz oder der Schützenverein.

Andere Artisten betreiben im großen Zelt eine gewagte Hochseilakrobatik (man mag da oftmals nicht hinschauen oder hinhören, wenn sie abstürzen). In den Pausen füllen einige braun statt bunt gekleidete Clowns heiße Luft in kleinen, ebenso braunen Tüten ab, die dann ans Publikum verkauft werden, an Stelle von süßem Popcorn oder saftigen, fetten Bratwürsten, wie es früher einmal, vor langer, langer Zeit, so üblich war. Auf den Tüten steht der lustige Satz: „Garantiert deutsche, reine Zirkusluft. Was anderes kommt bei uns nicht in die Tüte!“.

Ein paar Meter weiter bietet man köstliche Sahnetorten an, wunderbar appetitlich garniert mit ebenso köstlichen, frischen und tief roten Erdbeeren und saftigen Kirschen, auch gut schmeckende, gesunde Erfrischungsgetränke. Als Beigabe gibt es noch eine rote Nelke dazu, nicht nur für das weibliche Publikum. Heiße Luft in braunen Tüten geht in den letzten Jahren aber besser weg als die köstlichen Sahnetorten, die gesunden Getränke und die roten Nelken. Nur wenige wundern sich darüber, dass dem so ist, andere wundern sich über gar nichts mehr, weil sie das Programm kennen, vom letzen Mal und den Jahren davor. Sie warten ungeduldig auf das Ende der Vorstellung.

Auch die dressierten Tiere fehlen nicht im Wahlkampfzirkus. Alte, große und gut dressierte Hirsche mit mächtigen Geweihen röhren um die Wette, röhren gemeinsam das selbe, gut einstudierte Lied, nur in unterschiedlichen Lautstärken.

Dazwischen tragen rosarot eingefärbte Elche kleine Kinder auf ihren Rücken, die rosarote Luftballons in ihren kleinen Händen halten. Jeder Elch trägt links und rechts ein kleines Plakat auf dem steht: „Ich bin kein Elch, ich war noch nie ein Elch und ich werde auch nie ein Elch sein!“. Die kleinen Kinder können das noch nicht lesen und ihre Eltern verstehen diesen Satz nicht, finden ihn aber genauso gut und amüsant wie die rosaroten, dressierten Elche, die immer dabei sind, wenn der Zirkus ins Dorf kommt. Die Tortenverkäufer machen sich einen Spaß daraus, einige der rosaroten Luftballons mit einer spitzen Nadel zum Platzen zu bringen. Die Kinder erschrecken sich dann ein wenig, reiten aber weiter auf den Rücken der sich im Kreis drehenden Elche. Manchmal kommt ein Tortenverkäufer und hebt eines der Kinder auf seinen Arm, bringt es zum Tortentisch und freut sich darüber, dass das Kind von den leckeren Torten probiert, zu den roten Nelken greift und dabei für einen Moment die Hirsche, die Elche, die Artisten und die Clowns vergisst, auch die bierseeligen Eltern, das bierseelige Programm. Bis zum nächsten Wahlkampfzirkus.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 24. April 2019 um 12:59 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Lieber Wolfgang,
    Deine Darstellung der derzeitigen politischen Kultur trifft es ziemlich genau, die schönen Metaphern und Umschreibungen einer ausgesprochen unschönen Entwicklung in Richtung einer gänzlich verlogenen, korrupten und opportunistisch durchtränkten Parteienstruktur. Ein Trend, der sich in den letzten Jahrzehnten schleichend aber immer deutlicher manifestiert und inzwischen als systemimmanente Eigenheit von der Masse der Bevölkerung mehr oder weniger stillschweigend akzeptiert wird. Es wundert daher nicht, dass sich in jüngerer Zeit eine wachsende Zahl von politisch im Kern nicht uninteressierten, angesichts der ganzen Tütenaufblaserei verschiedenster Farbgebung jedoch angewiderten Zeitgenossen gänzlich aus der politischen Agitation zurückzieht. Damit wird nicht nur die Bühne für die Braunen Tütenfüller größer, auch die Verbreitung des Bratwurst- Bild- und Bier-affinen Stammtischschwätzers bekommt eine neue Dimension, wobei die Schnittmenge zur erstgenannten Gattung recht deutlch und in in allen fliessenden Übergängen zu beobachten ist.
    Die sog. „etablierten“ beschäftigen sich weniger mit substanziellen Fragen als neuen Zirkus-Konzepten oder eben auch Tortengarnierungen (ja, auch die Tortenverkäufer sind nicht heilig), dem Elch der Zukunft, der keiner sein will, ein geeignetes Gewand zu verleihen..

    Comment: matana – 05. August 2019 @ 13:16

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