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Für Profite unters Messer. Sachsen-Anhalt: Neue Verdachtsfälle im OP-Skandal am Altmark-Klinikum. Ärzte, die Mißstände aufgedeckt hatten, wehren sich gegen Mobbing. Von Susan Bonath

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Schwarze Zahlen schreiben, Profite erwirtschaften: Das war für das kreiseigene Altmark-Klinikum in Gardelegen so wichtig, daß Patienten dort ohne medizinische Indikation offenbar wie am Fließband an der Wirbelsäule operiert wurden (jW, 27. November 2012). Mittlerweile hat der Verband der Ersatzkassen etwa 100 Verdachtsfälle zusammengetragen und der Staatsanwaltschaft übergeben, wie deren Sprecher Volker Schmeichel am Freitag bekannt gab. Bisher war von 62 unnötigen OP die Rede. Ein Gutachter hat bereits 16 Vorwürfe geprüft und 15 davon bestätigt. Das räumte Aufsichtsratsvorsitzender und Landrat Michael Ziche vergangene Woche auf einer Pressekonferenz ein. Weil Klinik-Geschäftsführer Matthias Hahn die Vorgänge wissentlich geduldet haben soll, hat das Gremium ihn vom Dienst freigestellt. Operateur Michail T. hatte bereits im Dezember seine Kündigung erhalten. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Stendal wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung und Abrechnungsbetrug. Außerdem soll er seinen Lebenslauf manipuliert haben. Der Chefarzt der Chirurgie, der die Mißstände mit aufgedeckt hatte, kämpft derweil um seine Weiterbeschäftigung.

Neurochirurg T. hatte als Honorararzt im Juli 2011 die Leitung des neuen Wirbelsäulenzentrums übernommen. Nach neuen Erkenntnissen des Aufsichtsrates hat er die Einnahmen des Krankenhauses in nur einem Jahr um 1,5 Millionen von 4,12 auf 5,63 Millionen Euro gesteigert. Am Ende habe er den gesamten Ablauf aller Operationen bestimmt. Daß Patienten gefährdet wurden, nahm die Klinikleitung offenbar monatelang bewußt in Kauf. Bereits im September 2011 hatten der Chirurg Bernd Falkenberg und fünf seiner Kollegen auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen. Nachdem im März 2012 ein 64jähriger Patient an den Folgen eines offenbar unnötigen Eingriffs verstorben war, hatten sich die Mediziner schließlich mit einem Brief an Klinik-Geschäftsführer Matthias Hahn und den Aufsichtsrat gewandt. Darin hatten sie mehrere Fälle detailliert dokumentiert.

Doch anstatt die Ungereimtheiten aufzuklären, soll Hahn damals die Ärzte aufgefordert haben, den sogenannten Hippokratischen Eid, also das ärztliche Ethik-Gebot, Patienten nicht zu schaden, zu ignorieren. Die Unterzeichner des Briefes klagten über Mobbing und eine Abmahnung; Falkenberg bekam gleich vier Kündigungen, angeblich wegen eines unerwünschten Nebenjobs und unfreundlichen Umgangs mit Patienten. Er vermutet, man habe ihn damit mundtot machen wollen.

Der Chirurg wollte seine Entlassung jedoch nicht hinnehmen und klagte dagegen. Vor zwei Wochen erwirkte er vor dem Landesarbeitsgericht Halle eine einstweilige Verfügung. Danach muß ihn das Altmark-Klinikum weiter beschäftigen. Vorige Woche hat das Arbeitsgericht Stendal zudem die Kündigungen für unwirksam erklärt, wie Falkenbergs Rechtsanwalt Uwe Bitter auf jW-Nachfrage erläuterte. »Der Richter hat betont, daß meinem Mandanten kein einziger Fehler nachgewiesen werden konnte.«

Doch problemlos weiterarbeiten lassen will die Klinik den Chirurgen, der seit etwa zehn Jahren in Gardelegen praktiziert, offenbar nicht. Zum einen hat die Krankenhausleitung nach Angaben der Altmark-Zeitung bereits zum 1. April einen neuen Arzt mit gleichen Qualifikationen wie Falkenberg eingestellt. Andererseits »sind wir bisher mit allen Versuchen, das Gerichtsurteil durchzusetzen, gescheitert«, informierte Bitter. Er kündigte an, noch in dieser Woche »mit entsprechenden Maßnahmen« dagegen vorzugehen. Inzwischen vertritt der Anwalt auch noch weitere Mediziner des Krankenhauses, wie er mitteilte. Dabei gehe es um Mobbing durch die Geschäftsführung.

Quelle: www.jungewelt.de vom 19.02.13

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 19. Februar 2013 um 11:49 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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