Karl Marx stellte sinngemäß fest, dass der Staat (im Kapitalismus) der „ideelle (= gedachte), abstrakte (= allgemeine) Gesamtkapitalist“ist, dass der Staat also im weitesten Sinne die Einzelinteressen der Kapitalistenklasse vertritt. Kein Wunder also, dass der Staat eher auf Seiten der Reichen und Mächtigen steht- statt auf Seiten der Armen. Karitas und Reförmchenbackerei, die Tafelbewegung und die allgemeine Armutsverwaltung soll das nur kaschieren. Die Wurzel aller sozialen, ökonomischen und ökologischen Übel beruht eindeutig im Kapitalismus selbst. Es ist sein Wesen, Menschen und die Natur/Umwelt auszubeuten.
Es liegt keineswegs in der Natur des Menschen, ist also biologistisch bzw. wissenschaftlich nicht zu begründen, dass die einen arm und die anderen reich sind, dass die einen ausbeuten und die anderen die Ausgebeuteten sind, dass die einen entlassen werden und die anderen die Macht dazu haben, Menschen massenhaft aus den Betrieben zu entlassen, dass die einen gebildet und die anderen ausgebildet werden. All das ist wissenschaftlich erklärbar, hat politische und ökonomische Gründe- wer will das ernsthaft bezweifeln? Es liegt keineswegs in der Natur des Menschen, sich selbst auszubeuten, sich selbst zu quälen, sich selbst massenhaft aus den Betrieben zu entlassen, sich selbst die Rente, den Lohn zu kürzen (es sei denn, man ist Masochist!). Die Akkumulation (= Anhäufung) der Warenproduktion und die allgemeine Kapitalanhäufung sind die eigentlichen Motoren dieser Ausbeutungs-, Unterdrückungs- und Gewaltmaschinerie, ausgeführt von den zahlreichen, willfährigen „Kettenhunden“ des Kapitals. Der Kapitalismus beruht weltweit auf Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt- auch Gewalt gegen die Natur. Ein solches System, was insgesamt betrachtet auf Unrecht gründet, dürfen wir keinesfalls „retten“ oder „reformieren“- es gehört letztendlich abgeschafft und ersetzt durch eine sozialistische Demokratie, die sich „von unten“, von der Basis her, ganz demokratisch und transparent für alle, aufbauen muss! Venceremos!
12.04.13
1. Es war das Verdienst diverser Antifa-Gruppen im Kreis Ahrweiler, hauptsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die auf das gefährliche Treiben im „Braunen Haus“ kontinuierlich und sehr engagiert aufmerksam machten, teilweise auch gegen den Widerstand „bürgerlicher Kreise“.
2. Es waren in erster Linie diese engagierten Antifa-Guppen, die Demonstrationen gegen die Faschisten organisierten und eine breite Öffentlichkeit herstellten. Erst später, als es fast zu spät war, organisierten auch die „bürgerlichen Kreise“ Gegenkundgebungen, um die Träger_Innen der braunen Ideologie aus unserer Stadt, aus unserem Kreis, zu vertreiben. Ohne den Druck durch die Antifa-Gruppen wäre wohl kaum was passiert- oder erst viel zu spät.
3. Am „Runden Tisch“ sitzt immer noch nicht eine Vertreterin, ein Vertreter des DGB Kreisverband Ahrweiler, und auch kein Vertreter oder keine Vertreterin einer Antifa-Gruppe, auch kein Vertreter, keine Vertreterin der Partei DIE LINKE, kein Vertreter, keine Vertreterin von den Piraten.
Da wird anscheinend wieder einmal „von oben herab“ differenziert in die „guten“ (bürgerlichen) und vermeintlich „bösen“ (jugendlichen) Antifa-Gruppen, die nicht das „Privileg“ erhalten, an diesem „Runden Tisch“ sitzen und mitdiskutieren zu dürfen. Auch hier wird wieder einmal nach feudalistischer Gutsherrenart bestimmt, wer darf und wer nicht.
Was ich erwarte? Dass jeder demokratisch gesinnte Mensch prinzipiell (!) am „Runden Tisch“ willkommen ist, dass die Sitzungen öffentlich und demnach transparent tagen. Nur das werte ich als ein demokratisches Vorgehen. Wir brauchen ein sehr breites Bündnis aller demokratisch gesinnten Menschen; ein Bündnis, das „von unten“ organisiert wird- statt selektiv und elitär „von oben“! Wo sonst soll und kann demokratisches, antifaschistisches und antirassistisches Denken und Handeln besser eingeübt werden als in einem breiten Bündnis, das offen, unzensiert und „barrierefrei“ tagt? Es muss zukünftig anders und besser werden. Dafür setze ich mich persönlich ein, dafür setzt sich ebenfalls auch der DGB Ahrweiler, DIE LINKE Ahrweiler und viele andere Gruppen, Organisationen und Einzelmenschen ein!
Bad Neuenahr, 12.04.13
Im Herbst 2007 berichteten Journalisten über die Vereinstätigkeit von Ricarda Riefling. Der Druck wuchs, und so bat der Vereinsvorstand Riefling, ihr Amt abzugeben. In rechtsextremen Internetforen wurde Riefling als Opfer und Rebellin beschrieben, flankiert von Fotos, die sie in einer weißen Bluse zeigten, lächelnd, unschuldig wirkend. Kein Wort fand sich darin über ihre antidemokratischen Thesen. Der erzwungene Vereinsaustritt dürfte ihren Ruf in der rechten Szene gestärkt haben, in einer Szene, in der Verfolgungs- und Verschwörungstheorien Identität stiftend sind. »Sofort einen Rausschmiss zu fordern, kann Widerstand und Solidarität im Verein erzeugen. Darunter leidet die Aufklärung«, sagt Angelika Ribler. »Sportler berufen sich auf ihre politische Neutralität. Doch gerade weil sie neutral sind, dürfen sie Rechtsextreme, die Menschen wegen angeborener Eigenschaften ausgrenzen, nicht dulden.«
Schlagzeilen machte auch der NPD-Funktionär Stephan Haase in Lüdenscheid. In der Kreisliga C erwarb sich das Ex-Mitglied der verbotenen »Nationalistischen Front« den Ruf als zuverlässiger Schiedsrichter. Er leitete die Partien umsichtig ohne rassistische Beleidigungen. Als seine NPD-Tätigkeit öffentlich wurde, entzündete sich Protest, doch Fußballverband und Vereine kamen zu dem Urteil, dass er juristisch nicht auszuschließen sei. Obwohl er mit seiner Schiedsrichterausbildung geheim organisierte Neonazi-Turniere pfiff.
»Durch Leute wie Stephan Haase wird die NPD ein Stück normaler«, sagt Bernd Benscheidt von der Friedensgruppe Lüdenscheid, die den Protest gegen Haase betrieben hat. Er hatte es schwer, Unterstützer zu finden: »Viele haben negative Schlagzeilen befürchtet. Sie wollten keine schlafenden Hunde wecken.«
Lange hatte die Angst vor dem Verlust von Sponsoren viele Klubs schweigen lassen, doch inzwischen wächst ein Netzwerk gegen Rechts, in dem Erfahrungen und Projekt-Ideen ausgetauscht werden. »Lösungen müssen gemeinsam mit den Vereinen entstehen«, sagt Gerd Bücker, ehrenamtlicher Experte der Deutschen Sportjugend. Was ist zu tun, wenn der Eishockeyspieler mit der Rückennummer 88 aufläuft, einem Code für den Hitlergruß? Oder, wenn sich ein NPD-Funktionär als Sponsor eines klammen Vereins anbietet? Gerd Bücker wirbt dafür, sich früh mit politischen Inhalten der NPD beschäftigen. Hin und wieder mieten Neonazis Hallen oder Schützenhäuser unter falschen Namen, für angebliche Geburtstagsfeiern, die sich als Kadertreffen oder »Zeitzeugenabende« mit einstigen Wehrmachtssoldaten entpuppen. Bücker: »Der Sport sollte immer einen Schritt voraus sein.« (GEA)
Neofaschismus – ein Problem, das nur den Osten Deutschlands betrifft? Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat am Mittwoch in Berlin einen Report vorgestellt, der speziell die westdeutsche Neonaziszene in den Blick nimmt. Der Bericht »Staatsversagen. Wie Engagierte gegen Rechtsextremismus im Stich gelassen werden« thematisiert die »Bagatellisierung der alltäglichen rechten Gewalt durch Polizei, Justiz und Politik«. Die Behörden machten es Demokratiefeinden allzu leicht, »immer mehr gesellschaftlichen Raum einzunehmen, indem sie demokratische Werte nur halbherzig verteidigen«, bilanzierte Marion Kraske, Autorin des Berichts. »Auch dort, wo man sich lange Zeit immun glaubte: im Westen der Republik.«
Die Autoren weisen darauf hin, daß die ersten geplanten rechten Attentate keineswegs in den fünf ostdeutschen Bundesländern stattfanden. 2013 jährt sich beispielsweise der Brandanschlag von Solingen, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, zum zwanzigsten Mal. Doch nicht nur derart extreme Taten, sondern auch Alltagsrassismus, neofaschistische Jugendgewalt und Versuche, politische Gegner aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen, sind kein ausschließlich ostdeutsches Problem. Vergleichbar zu den Neonazihochburgen in den neuen Ländern, die in letzter Zeit erhöhte mediale Aufmerksamkeit erfuhren, haben sich auch in westdeutschen Regionen »national befreite Zonen«, »No-Go-Areas« für Andersdenkende und -aussehende gebildet.
Einer dieser neonazistischen Schwerpunkte ist das Ruhrgebiet. Neben dem jüngst verbotenen »Nationalen Widerstand« in Dortmund konnte sich so auch in Wuppertal eine virulente Szene bilden. Der Report »Staatsversagen« erzählt beispielhaft vom »Medienprojekt Wuppertal«, einer renommierten Einrichtung: Sie hatte im November 2010 zur Vorführung des Filmes »Das braune Chamäleon«, der verschiedene Erscheinungsformen des Rechtsextremismus beleuchtet, ins örtliche »Cinemaxx«-Kino geladen. Doch nicht nur Interessierte kamen, sondern auch eine große Gruppe bewaffneter Neonazis. Mit Schlagstöcken, Messern und Reizgas versuchten sie, in den Kinosaal vorzudringen, die Security des »Cinemaxx« wehrte sie ab. Schließlich bombardierten die Rechten die Fassade des Kinos mit Steinen. 13 zunächst festgenommene Personen wurden prompt wieder freigelassen, die Polizei macht in einer offiziellen Stellungnahme aus dem Überfall eine »versuchte Störung«. Zwei Jahre lang geschieht nichts, die Ermittlungen werden zeitweise eingestellt. Die Mitarbeiter des Medienprojektes übernehmen schließlich die Arbeit der Staatsanwaltschaft; sie machen 15 Augenzeugen ausfindig, die bestätigen, daß die Rechten einen geplanten Angriff unternahmen – Landfriedensbruch. Schließlich wurde, im November 2012, doch noch Anklage erhoben.
Die zögerliche, beschwichtigende Haltung der Polizei war weder Zufall noch Ausnahme. In einer »Chronik der Gewalt« listet die Amadeu-Antonio-Stiftung rechte Attacken seit Ende 2012 auf. Heute, anderthalb Jahre nach Auffliegen des »Nationalsozialistischen Untergrundes«, ist nicht mehr viel übrig von den hehren Versprechen der Politik, endlich gegen die Neonazis vorgehen zu wollen.
Quelle: www.jungeewlt.de vom 11.04.13
Das „Aktionsbüro Mittelrhein“ galt in den vergangenen Jahren als gefährlichste Neonazi-Gruppe in Westdeutschland. Ihr Hauptquartier war das „Braune Haus“ in Bad Neuenahr. Um dem Rechtsextremismus einzudämmen, gibt es nun einen Runden Tisch in der Stadt, der im letzten Jahr eine große Demonstration organisiert hat und als Netzwerk auch künftig mögliche rechtsextreme Aktivitäten im Ahrtal beobachten will.
„Das war größtenteils braun. Aber abgestuft. Dunkelbraun, etwas hellbraun.“
Ein Anwohner der Weinbergstraße in Bad Neuenahr spricht über das sogenannte “ Braune Haus“ in seiner Straße. Zwei Jahre lang befand sich hier die Schaltzentrale der rechtsradikalen Gruppierung „Aktionsbüro Mittelrhein“. Der Anwohner, der ungenannt bleiben will:
„Das ist ein Zusammenschluss von braun orientierten Leuten aus dem nahen und fernen Umfeld hier.“
Einem Zusammenschluss, dem Ermittler eine hohe Gewaltbereitschaft attestieren:
Im März 2012 wurde das „Braune Haus“ im Rahmen einer Großrazzia gegen Rechtsextreme in vier Bundesländern von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei gestürmt:
„Ich habe das hier live erlebt an dem Morgen, als das gestürmt wurde das Haus. Ich habe das selber gesehen, wie das hier vonstatten ging, das war schon abenteuerlich.“
Seit Monaten wird nun in Koblenz ein Prozess gegen mehr als 20 Mitglieder der Organisation geführt, die laut Anklage einen Staat nach nationalsozialistischem Vorbild errichten will. Von gefährlicher Körperverletzung bis zu schwerem Landfriedensbruch reicht die Palette der Anklagepunkte. Ein Teil der Gruppe, die Gewalttaten gegen Andersdenkende unter anderem in Dresden verübt haben soll, sitzt inzwischen seit einem Jahr in Untersuchungshaft. Auch deshalb ist es still geworden in ihrem ehemaligen Treffpunkt, dem „Braunen Haus“ in Bad Neuenahr. Der Eigentümer hat vor Gericht die Räumung durchgesetzt, das Haus steht inzwischen leer, wird übers Internet zum Kauf angeboten. Die Fassade des Hauses hat die Farbe gewechselt.
„Es heißt jetzt das „Gelbe Haus“.“
In einer gemeinsamen Aktion haben Nachbarn die einst in Brauntönen gehaltenen Wände gelb gestrichen, nachdem die rechtsradikale Wohngemeinschaft das Haus verlassen hatte: Ein sichtbares Symbol, dass dem braunen Spuk im Kurort ein Ende gesetzt werden soll.
Die Bewohner des „Braunen Hauses“ hatten etwa das alte Brauchtum riesiger Martinsfeuer in den Hängen über dem Stadtteil Ahrweiler zur Propaganda genutzt. Diese Feuer sind regelrechte Lichtskulpturen auf großen Holzgestellen, bespickt mit tausenden von Fackeln. Gebaut werden sie traditionell von Vereinen in Ahrweiler, den sogenannten „Huten“. Das Lichtspektakel zieht jedes Jahr im November viele tausend Touristen an. Die Rechtsradikalen hatten es 2011 unterwandert und eine ihrer Internet-Adressen über der Stadt ins Licht gesetzt. Damit haben sie die bis dahin vielleicht etwas träge Zivilgesellschaft der Stadt wach gerüttelt, so Guido Orthen, CDU-Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler:
„Wir haben insbesondere in den Huten in Ahrweiler insbesondere durch den Missbrauch des Brauchtums in Ahrweiler eine Gegenreaktion erfahren können, dass gerade die jungen Menschen sich deutlich distanzieren von dem braunen Mob, wenn man so möchte.“
Nachbarn hatten damals beobachtet, dass die Rechtsradikalen im Garten des „Braunen Hauses“ in der Weinbergstraße das Gerüst für die Lichtskulptur zusammengesetzt hatten – eine Reaktion blieb damals noch aus. Der Nachbar, der seinen Namen nicht nennen will, hatte die Aktion zwar nicht beobachtet. Aber:
„Ich habe nur an Sylvester gesehen, nicht letztes Silvester, sondern davor das Silvester, da hatten die da vorne am Törchen eine V2-Rakete aufgebaut, so ungefähr ins Mannshöhe, da stand drauf V2 – so eine Rakete. Also irre, alles irre!“
Inzwischen gibt es einen Runden Tisch gegen Rechtsextremismus in der Stadt, der im letzten Jahr eine große Demonstration organisiert hat und als Netzwerk auch künftig mögliche rechtsextreme Aktivitäten im Ahrtal beobachten will. Sorge macht man sich in Bad Neuenahr angesichts des nahenden Prozess-Abschlusses gegen das „Aktionsbüro Mittelrhein“ in Koblenz. Was passiert, wenn die Rechtsextremen aus der Haft entlassen werden und zurück in die Kurstadt kommen? Der Altlinke Wolfgang Huste betreibt ein Antiquariat mitten in der Stadt und ist DGB-Vorstandsmitglied im Kreis Ahrweiler. Er glaubt, das Ende des „Braunen Hauses“ ist nicht das Ende der Neonaziszene in der Stadt:
„Sie müssen ja auch irgendwo leben, also die Parole ‚Nazis raus aus unserer Stadt‘ ist hilfloser Antifaschismus. Wo sollen sie sonst hin, sie müssen ja irgendwo wohnen.“
Jörg Kampmann, der junge SPD-Vorsitzende in Bad Neuenahr-Ahrweiler ist aber optimistisch, dass die Stadt einen Weg finden wird, mit diesem Thema umzugehen:
„Man kann insgesamt der Politik in Bad Neuenahr- Ahrweiler glaube ich schon den kleinen Vorwurf machen, dass bis zu den Martinsfeuern oder sagen wir bis zum Februar 2012 das Thema nicht so richtig ernst genommen wurde aber seitdem wird es ernst genommen und auch von der Verwaltung ernst genommen.“
Quelle: http://www.dradio.de/aktuell/2067074/ vom 08.04.13
Miloud Lahmar Cherif aus Algerien ist in der Flüchtlingsorganisation »The voice« aktiv. Er und seine Frau haben Probleme mit der Ausländerbehörde Schmalkalden-Meiningen
Vergangenes Jahr haben Sie sich als einer der Sprecher der Flüchtlingsinitiative Zella-Mehlis (Thüringen) für die Schließung des dortigen Lagers eingesetzt. Wegen öffentlichen Drucks mußte die Ausländerbehörde Schmalkalden-Meinungen es Ende 2012 schließen. Seither macht Ihnen die Behörde Probleme …
Seit Ende vergangenen Jahres bekomme ich von der Behörde ständig Briefe, in denen mir und meine Frau Olesia mit Abschiebung gedroht wird. Aufgrund des ständigen Drucks ist Olesia psychisch erkrankt, sie leidet unter Panikattacken. Besonders belastet sie, daß die Behörde droht, uns getrennt abzuschieben, obwohl wir seit 2008 verheiratet sind: Olesia stammt aus der Ukraine, ich aus Algerien. Im März hat sie meine Frau erneut per Post aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Mich erreichte bereits Ende 2012 ein Schreiben, in dem hieß es, ich soll bei der »Beschaffung eines Identitätspapiers mitwirken« und mich mit der algerischen Botschaft in Verbindung setzen. Was bedeutet, daß man beabsichtigt, mich nach Algerien zurückzuschieben. Olesia mußte am Montag einen Termin im Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Hildburghausen vereinbaren. Weil wir nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, gilt der im Grundgesetz garantierte Schutz der Familie für uns nicht. Wir haben keine Rechte: Unsere Würde ist antastbar.
Wegen Schimmel, Feuchtigkeit, kaputter Heizungen sowie Sanktionen der Behörde gegen die dort lebenden Flüchtlinge ist das Lager jetzt geschlossen. Hängen Ihre Probleme mit Ihrem Engagement dafür zusammen?
Das weiß ich nicht. Aber seitdem häufen sich jedenfalls Schreiben, die mich unter Druck setzen. Am Freitag hat das Amtsgericht Meiningen mir Erzwingungshaft angedroht, weil ich 62 Euro nicht gezahlt habe. Nächste Woche soll ich die Haft antreten. Der Grund war, daß ich den Landkreis Schmalkalden-Meiningen 2010 ohne Erlaubnis der Behörde verlassen hatte. Das Gericht hat das auf Antrag des Landratsamts verfügt. 2011 hatte das Amt bereits einen solchen Antrag nach öffentlichen Protesten zurückgezogen. Damals hatte ich die Strafzahlung verweigert und öffentlich erklärt: »Meine Freiheit steht nicht zum Verkauf – die Residenzpflicht gehört abgeschafft!« Im Schreiben der Behörde hieß es: »Der Fachbereichsleiter Ordnung und Sicherheit, Herr Bernhardt, habe sich entschlossen, in Ihrem Fall auf die Anwendung des Zwangsmittels »Erzwingungshaft zur Durchsetzung der gegen Sie bestehenden rechtskräftigen Forderung zu verzichten.« Daran scheint man sich nicht zu erinnern. Innerhalb einer Woche muß ich zahlen – oder in den Knast; man hat mir mitgeteilt, die geforderten 62 Euro selbst dann obendrein aufbringen zu müssen. Knallharte Linie.
Weder die neue Leiterin der Behörde Susanne Seum noch die zuständige Fachbereichsleiterin Manuela Kühhirt waren am Dienstag für eine Auskunft gegenüber junge Welt zu erreichen …
Mir hatte die Behördenmitarbeiterin mitgeteilt, daß sie nach der Schließung des Lagers Zella-Mehlis viel Zeit habe. Die will man offenbar nutzen, um politische Aktivisten zu verfolgen. Die Behörde hat begonnen, mir das Leben schwer zu machen, nachdem ich an der Universität llmenau mein Vorfachstudium Deutsche Techniksprache mit guten Resultaten abgeschlossen hatte.Während meiner Klausuren begann der amtliche Terror. Ich bin weiterhin als Student immatrikuliert. Im Herbst will ich ein Informatikstudium aufnehmen.
Stehen Sie mit den Problemen allein da?
Keineswegs, Treffen von Aktivisten finden statt, um sich mit mir und Olesia zu solidarisieren. Sie wollen flexibel reagieren, falls das Gespräch mit der Ausländerbehörde nicht positiv verläuft, zu dem wir am Mittwoch, 17. April, um 10 Uhr geladen sind: Studierende der Uni Ilmenau, Aktivisten der Flüchtlingsorganisation »The Voice«, des Flüchtlingsrats Thüringen, etc.. Die Behörde will bei diesem Termin auch über »Ausreise-Angebote« reden – ja, Sie haben richtig gehört, so nennt man das, wenn man uns nötigen will, ins Herkunftsland zurückzukehren.
Quelle: www.jungewelt.de vom 10.04.13
Wie ihr sicherlich noch wisst, wurde ich am 20. September 2012 vor dem Landgericht Koblenz vom Vorwurf, eine Straftat begangen zu haben, ohne Einschränkungen freigesprochen.
Zu eurer allgemeinen Erinnerung: Es wurde mir damals vorgeworfen, eine Straftat begangen zu haben, weil ich einen Aufruf zur Blockade eines Neonaziaufmarsches, der am 03. September 2011 in Dortmund stattfand, auf meinem Blog www.wolfgang-huste-ahrweiler-de veröffentlichte. Dieser Aufruf wurde von mehreren hundert anderen Menschen ebenfalls unterschrieben, unter anderem von der kompletten damaligen Landtagsfraktion der Partei DIE LINKE. NRW, von Abgeordneten des Bundestages, von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und von zahlreichen Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertretern- auch vom Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Ulrich Sierau, SPD. Keiner (!) dieser Personen wurde angeklagt! Nur bei mir wollte man ein Exempel statuieren, mich politisch einschüchtern, weil man davon ausging, dass man in der tiefen, konservativen Provinz gegen engagierte Linke und Gewerkschafter gerichtlich „unbehelligter“ agieren kann als in einer Großstadt. Weil ich nicht nur im Kreis Ahrweiler als sozialistisch und antifaschistisch gesinnter homo politicus bekannt bin und seit Jahren sehr engagiert gegen Faschos und Rassisten vorgehe, hat man anscheinend mich für einen entsprechenden „Musterprozess“ ausgesucht. Man hat aber wohl nicht damit gerechnet, dass ich mich vehement wehre, in dieser Angelegenheit Öffentlichkeit schaffe- auf allen Ebenen. Das Amtsgericht Ahrweiler hat mich am 28. Juni 2012 dazu verdonnert, 2500 Euro Strafe zu zahlen. Da ich als guter und engagierter Demokrat und Antifaschist- was für mich aufs Selbe herauskommt – aber sofort Einspruch beim Landgericht Koblenz einlegte und mein Einspruch am 20.09.12 als Freispruch endete, musste ich diese Strafe nicht zahlen. Innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist hat aber der Oberstaatsanwalt einen Revisionsantrag beim Landesgericht Koblenz eingereicht. Er fordert die Neuverhandlung meines Verfahrens an einer anderen kleinen Strafkammer des Landgerichts Koblenz. Ich werte das als versuchte Rechtsbeugung, nach dem Motto: „Ich klage so lange gegen Herrn Huste, bis ich – der Oberstaatsanwalt- mein Wunschurteil gegen Herrn Huste in meiner Tasche habe!“.
Nun müssen drei unabhängige (?) Richter_Innen vom Oberlandesgericht Koblenz darüber entscheiden, ob seinem Revisionsantrag stattgegeben wird oder nicht. Er unterstellt mir in seiner schriftlichen Begründung (in aller Kürze von mir zusammengefasst), dass ich den damaligen Naziaufmarsch nicht be-, sondern verhindern wollte (nebenbei: Am Tage des Naziaufmarsches befand ich mich nicht in Dortmund, sondern in Bad Neuenahr). Da ist es ihm auch egal, ob meine Absichten friedlicher oder unfriedlicher Natur waren. Der Oberstaatsanwalt spekuliert also, hält sich nicht an überprüfbare Fakten. Mein Strafverteidiger vertritt die Meinung, dass dieser Revisionsantrag auf äußerst schwachen Füßen steht. Ich sehe das auch so. Falls aber dem Revisionsantrag dennoch stattgegeben wird (was wir eher nicht vermuten), dann landet das Verfahren über Kurz oder Lang beim Verfassungsgericht in Karlsruhe. Bisher agieren alle Richter und Richterinnen in der politischen und juristischen „Grauzone“, wenn es um solche und ähnliche Blockadeaufrufe geht. Die aktuelle Rechtssprechung geht eher dahin, dass die meisten Richterinnen und Richter der Ansicht sind, dass Blockadeaufrufe gegen Neonaziaufmärsche unter genau definierten Bedingungen straffrei bleiben müssen, weil sie Bestandteil des im Grundgesetz garantieren Demonstrations- und Meinungsrechts sind. Außerdem beziehe ich mich noch zusätzlich auf das Potsdamer Abkommen, in dem ein Passus existiert, der sinngemäß besagt, dass alle (!) faschistisch und rassistisch agierende Gruppen, Organisationen zu verbieten sind. Das ist weder ein juristischer Kann-, noch ein Soll- Auftrag, sondern ein Muß-Auftrag! Ich vermute, der Oberstaatsanwalt strebt ein Grundsatzurteil an.
Bitte macht diese Information mit euren Möglichkeiten bekannt. Ich bitte auch diesmal um eure Solidarität, vielen Dank!
Die Hauptverhandlung findet statt am Mittwoch, 24.April, ab 10 Uhr vor dem 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz, Dienstgebäude II, Regierungsstraße 7, Sitzungssaal 10, stattfinden.
Ich lade euch alle zu dieser öffentlichen Sitzung ein. Schaffen wir gemeinsam eine breite Öffentlichkeit! Unsere Stärke ist die Solidarität!
Bad Neuenahr, 09. April 2013
Die Justizbehörden in Sachsen zeigen auch weiterhin ihre Zähne – zumindest gegen Neonazigegner. Am Donnerstag startete der Prozeß gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König vorm Amtsgericht Dresden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 59jährigen vor, sich bei den gegen einen Neonaziaufmarsch gerichteten Protesten im Februar 2011 in der sächsischen Landeshauptstadt des schweren aufwieglerischen Landfriedensbruches, der versuchten Strafvereitelung und der Beihilfe zum Widerstand gegen Polizisten schuldig gemacht zu haben. Damals hatten sich mehr als 20000 Nazigegner in Dresden versammelt und einen Aufmarsch von rund 2000 angereisten Neofaschisten verhindert.
Staatsanwältin Ute Schmerler-Kreuzer warf König beim Verlesen der Anklageschrift vor, eine teilweise vermummte, mit Holzlatten und Steinen bewaffnete Menge dirigiert, unterstützt und zu Gewalt aufgefordert zu haben. Für Lacher unter den Zuschauern sorgte die Anschuldigung, das Abspielen von Musik mit »aggressivem und anheizendem Rhythmus« hätte die »Angehörigen des linksautonomen Spektrums« zusätzlich aufgewiegelt – gemeint sind u. a. die Rolling Stones.
Sieben Verhandlungstage hat das Gericht angesetzt, um König den Prozeß zu machen. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm sechs Monate bis zehn Jahre Haft. Schon bei vergangenen Verfahren – etwa gegen den Berliner Antifaschisten Tim H. – hatten die Justizbehörden für bundesweite Entrüstung gesorgt. Sie hatten den Familienvater im Januar diesen Jahres wegen angeblicher »Rädelsführerschaft« bei den Dresdner Protesten zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
Während die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Berufung eingelegt hat – die Verurteilung gilt ihr als zu gering – wurden alle Ermittlungen gegen die Wegbereiter des staatlichen Überwachungswahns 2011 in Dresden eingestellt. Die Behörden hatten damals mittels einer sogenannten Funkzellenabfrage mehr als eine Million Datensätze von Mobiltelefonen gespeichert und IMSI-Catcher eingesetzt, mit deren Hilfe Telefongespräche mitgehört werden können. Am Tag selbst gingen die eingesetzten mehreren Tausend Polizisten nicht nur mit unbemannten Überwachungsdrohnen, sondern auch mit brachialer Gewalt, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen Antifaschisten vor. Ein schwerbewaffnetes Sondereinsatzkommando stürmte außerdem das »Haus der Begegnung« in Dresden. Außerdem schrieb die Polizei bundesweit Busunternehmen an, um detailliert Auskunft über Strecken, Namen und Adressen der eingesetzten Fahrer und derer, die die Busse angemietet hatten, zu erschleichen.
Mehrere Bundestags- und Landtagsabgeordnete – maßgeblich der Linkspartei – wie etwa deren früherer sächsischer Fraktionschef Andrè Hahn wurden mit Strafverfahren überzogen. Gegen Hahns Fraktionskollegen Klaus Bartl läuft aktuell ein Verfahren aufgrund seiner Beteiligung bei den Antinaziprotesten im Februar 2012.
Pfarrer König erhielt indes am Donnerstag Beistand von verschiedenen Politikern. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse nannte das Vorgehen der Behörden in Sachsen »besorgniserregend«. Der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) solidarisierte sich ebenso mit dem Theologen wie Bodo Ramelow, Linksfraktionschef in Thüringen. Letztgenannter bezeichnete es als »ungeheuerlichen Vorgang, daß Menschen, die gegen braunen Ungeist Flagge zeigen, von der Staatsmacht vor den Kadi gezerrt werden«.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace macht deutsche Kohlekraftwerke für rund 3100 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Feinstaubpartikel und giftige Abgase verursachten vor allem Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Probleme, die nach einer Untersuchung von Experten der Universität Stuttgart zum Verlust von 33000 Lebensjahren führten – jeder der statistisch etwa 3100 Betroffenen verliere damit im Durchschnitt rund 10,7 Lebensjahre, teilte Greenpeace am Mittwoch in Berlin mit. »Bei Kohlekraftwerken kommt der Tod aus dem Schlot«, sagte Gerald Neubauer, Energieexperte von Greenpeace. Hinzu käme der Ausfall von rund 700000 Arbeitstagen durch Atemwegserkrankungen, Herzinfarkte, Lungenkrebs oder Asthmaanfälle – verursacht durch Emissionen wie Schwefeldioxid, Stickoxide und Ruß, die in der Luft Feinstaub bildeten, der beim Einatmen tief in Lunge und Blutgefäße eindringe.
Für ihre Untersuchung hatten die Stuttgarter Forscher Emissionsdaten der 67 leistungsfähigsten deutschen Kohlekraftwerke aus dem Europäischen Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister für das Jahr 2010 herangezogen, um sie mit Daten aus Studien über die Gesundheitsfolgen von Feinstaub abzugleichen. Anschließend berechneten sie, welche Gesundheitsrisiken durch die Ausbreitung von Feinstaub und Vorläufersubstanzen in bestimmten Regionen zu erwarten seien. Die beiden laut Greenpeace »dreckigsten« Braunkohlekraftwerke Jänschwalde in Brandenburg und Niederaußem in NRW waren demnach im Jahr 2010 für 373 und 269 Todesfälle verantwortlich. Die SPD-geführten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie ihre Ministerpräsidenten Hannelore Kraft und Matthias Platzeck seien die vehementesten Befürworter der Kohleverstromung, betonte Neubauer.
Als Betreiber des Kraftwerks Jänschwalde meldete sich am Mittwoch umgehend der Energiekonzern Vattenfall zu Wort und erklärte, die von Greenpeace vorgestellte Studie blende wichtige Fakten aus – »mit der klaren Absicht, den Energieträger Kohle zu diskreditieren und den Menschen Angst zu machen«. Die Luftqualität im Umfeld der eigenen Kraftwerke werde in der Gesamtschau »praktisch nicht oder nur unwesentlich« durch deren Emissionen beeinflußt, teilte Vattenfall mit. Das zeigten die Überwachungsmessungen der Behörden. Greenpeace und den Stuttgarter Wissenschaftlern zufolge ist die Belastung allerdings nicht im Umfeld der Kraftwerke am höchsten, sondern 100 bis 200 Kilometer entfernt. Die Schadstoffe breiten sich europaweit über tausende Kilometer aus. 30 bis 40 Prozent der giftigen Emissionen würden mit Winden aus Nachbarländern nach Deutschland geweht, sagte der Mitautor der Studie, Prof. Rainer Friedrich von der Uni Stuttgart.
Greenpeace fordert daher den vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2040. Braunkohle dürfe bereits 2030 nicht mehr verfeuert werden, da sie weniger ergiebig sei und deshalb für das gleiche Ergebnis in größeren Mengen als Steinkohle benötigt werde, erklärte Neubauer.
In Planung befindliche neue Kohlekraftwerke, die für eine Laufzeit von mehreren Jahrzehnten ausgelegt sind, dürften demnach gar nicht ans Netz gehen. Bis 2050 solle der hundertprozentige Umstieg auf erneuerbare Energieträger geschafft sein. Neubauer verwies dabei auf das von Greenpeace bereits 2011 vorgelegte Energiekonzept »Der Plan«.
Quelle: www.jungewelt.de vom 04.04.13
Verbraucherschützer wollen den Ausbau der Windkraftnutzung vor der Nord- und Ostseeküste stoppen. »Der Bau von Seewindanlagen weit draußen und tief im Meer stellt sich immer mehr als ein ökonomischer und technologischer Irrläufer heraus«, heißt es in einer Analyse der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbz), aus der die Deutschen Presse-Agentur dpa am Dienstag zitierte. »International wird sich allenfalls Seewind in Küstennähe durchsetzen, was aber in Deutschland wegen des Wattenmeers nicht infrage kommt«, schreibt Autor Holger Krawinkel in der Studie und empfiehlt einen zeitnahen Ausstieg. Je schneller ein solcher in Angriff genommen werde, desto geringer würden die Kosten ausfallen.
Als Argument führt der vzbz vor allem die Stromkosten für Haushalte ins Feld. Da für Offshore-Windstrom in den ersten Jahren nach Errichtung der Anlagen sehr hohe Einspeisevergütungen bezahlt werden, sei mit spürbaren Zusatzbelastungen zu rechnen. Die Kosten dafür werden auf die Stromrechnung der Bürger aufgeschlagen. Um den Netzanschluß der maritimen Windkraftwerke zu beschleunigen, wurde Anfang des Jahres außerdem eine Sonderumlage eingeführt, die einen Durchschnittshaushalt pro Jahr knapp neun Euro zusätzlich kostet.
Bisher plant die Bundesregierung in der Nord- und Ostsee bis 2020 Anlagen mit einer Leistung von 10000 Megawatt, bis 2030 sollen es sogar 25000 Megawatt sein. Derzeit sind es erst rund 200 Megawatt. In der Branche wird schon jetzt nur noch mit 6000 bis 8000 Megawatt bis 2020 gerechnet. Gerade an der Küste sind viele Unternehmen vom Offshore-Zweig abhängig, ein Eindampfen der Ausbaupläne könnte viele Arbeitsplätze kosten. Bis 2030 sind zur Anbindung der Windparks rund 3880 Kilometer Seekabel notwendig und 25 Konverterplattformen, die den Strom sammeln und für den Transport umwandeln.
Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) erklärte zu der vbzv-Studie, die Nutzung der Windkraft auf hoher See sei trotz der zunächst hohen Investitionskosten unverzichtbar. »Wir brauchen die Windkraft auf See und an Land, damit die Energiewende gelingt«, sagte er am Dienstag in Schwerin. Windräder vor den Küsten seien für die Bevölkerung weniger belastend, erläuterte Sellering. Vor allem aber wehe auf See der Wind stärker und verläßlicher, so daß »praktisch grundlastfähig« Strom produziert werden könne.
Unterdessen bestätigten sich am Dienstag Zahlen von Anfang des Jahres, wonach Deutschland durch Wind- und Solarenergienutzung den höchsten Exportüberschuß beim Strom seit 2008 erzielt hat. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, hat Deutschland im ersten Jahr nach der Energiewende seine Stromausfuhren vervierfacht. 2012 sei der Überschuß auf 22,8 Terawattstunden (TWh) gestiegen. Im einzelnen importierte Deutschland im vergangenen Jahr 43,8 TWh Strom und führte 66,6 TWh aus. Mit dem Stromhandel erzielte Deutschland im vergangenen Jahr einen Außenhandelsüberschuß von 1,4 Milliarden Euro.
Wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mitteilte, hat der Boom bei den Erneuerbaren Energien den Strompreis an der Börse erstmals zur Mittagszeit sogar ins Minus rutschen lassen. Energieversorger, die am Sonntag vor einer Woche kurzfristig Strom absetzen wollten, hätten theoretisch noch etwas hinzuzahlen müssen, erklärte der BDEW. Grund hierfür seien das Aufeinandertreffen mehrerer Effekte gewesen. Wind und Sonne waren zeitgleich so reichlich vorhanden, das 16,9 Gigawatt Windenergie und 14,1 Gigawatt Solarenergie ins Netz eingespeist wurden. Das entspricht der Leistung von etwa 30 Atomkraftwerken. Der Börsenpreis am Spotmarkt sei auf minus 50 Euro je Megawattstunde gefallen. (jW/dpa/Reuters)
Quelle: www.jungewelt.de vom 03.04.13