50 Tausend Menschen hatten am Samstag in Dannenberg gegen die aus Frankreich anrollenden Castor-Transporte demonstriert. So viele waren in Dannenberg noch nie gegen die Atompolitik der Regierung auf die Straße gegangen. Und es waren alle gekommen: biedere Grüne, Lehrer, Arbeitslose, Linke, Autonome und natürlich die Menschen aus Dannenberg. Viele Busse parkten auf privaten Parkplätzen, Bauern hatten ihre Scheunen als Übernachtungsorte und Versammlungsräume zu Verfügung gestellt. Und auch ihre Traktoren fehlten nicht. Claudia Roth und Gregor Gysi erkannten die optische Wirkung der Traktoren in unserer Mediengesellschaft und trudelten so auf Traktoren auf dem Demonstrationsgelände ein. Ein Bauer hatte auf den Vorderlader seines Traktors eine Hubbühne gebaut. Wer wollte, wurde von der Hubbühne nach oben gehievt, konnte sich so für zwei Minuten ein Bild von der gesamten Demonstration machen. Und viele wollten. Mindestens 20 Menschen warteten die ganze Zeit über in einer langen Schlange auf die Gelegenheit, die Demonstration von oben zu sehen.
Annelie Buntenbach, die für den DGB-Bundesvorstand sprach, hatte es auf den Punkt gebracht. „Strahlende Geldruckmaschinen für die einen, Müll und Ausgrenzung für die anderen“.
Neu an dieser Anti-AKW-Demonstration war nicht nur, dass man bei einem „wie gefährlich Atomkraft ist“ stehen blieb. Vielmehr verknüpften alle RednerInnen die ökologische Frage mit der sozialen Frage. „Das einzige, was sicher ist, ist der Profit der Betreiber“, meinte ein anderer Redner.
Das Kleben an der Profitmarge ist nicht unser Ding, sagte ein anderer Redner. Auch der „New Green Deal“ eines ökologisch angehauchten Kapitalismus mache uns nicht glücklich, wenn Halbleiter und Biosprit unter unmenschlichen Bedingungen in der Dritten Welt produziert würden. Es gehe nicht nur um Ökologie, sondern auch darum, ob sich Herrschaftsstrategien durchsetzen lassen. So wie die Profite steigen, so verarmen die andern Teile der Gesellschaft. Wir müssen und werden die Zusammenhänge sehen, wir begreifen uns auch als soziale Bewegung, die Nein sagt zu Entmündigung und Ausbeutung, so der Konsens unter den Rednern.
Bündnis90/Die Grünen waren auf der Demonstration omnipräsent: Überall grüne Fahnen und Luftballons, Claudia Roth war ebenfalls mit dabei. Sehr viele Busse nach Dannenberg waren von den Grünen organisiert und teilweise auch gesponsert. Doch das sollte nicht über die Kluft hinwegtäuschen, die zwischen Grünen und Anti-AKW-Bewegung liegt.
„Wir alle wissen, dass der Atomkonsens von Rot-Grün ein fauler Deal war.“ so ein Redner. Man wolle nicht zu diesem rot-grünen Kompromiss zurück. Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, erinnerte er an ein Schreiben von Jürgen Trittin an die grüne Mitgliedschaft in 2001, in dem er von Blockaden von Castor-Transporten abgeraten hatte. Und es wurde auch daran erinnert, dass sich die Hamburger Grünen geweigert hatten, den Aufruf zur Menschenkette gegen AKW zu unterschreiben, weil man den Koalitionspartner CDU nicht verärgern wollte.
Auch wenn in den bürgerlichen Medien unterschieden wird zwischen den „friedlichen“ Demonstranten vom Samstag und den „Straftätern“ waren die RednerInnen von Dannenberg nicht gewillt, dieses Spiel mitzumachen. Ein Arzt aus Süddeutschland berichtet stolz über erfolgreiche Blockaden in Süddeutschland. Wer trotz der ungeklärten Entsorgung Atomenergie weiter betreibe, der handle kriminell und nicht wer zum Schottern aufrufe. Kriminell seien die Betreiber, nicht die Schotterer. Die eigentlichen Gewalttäter seien nicht die Schotterer, sondern diejenigen, die uns und unseren Kindeskindern die Atombürde aufbürden. Es sei Gewalt und Körperverletzung, Polizisten der Strahlung auszusetzen, so ein Redner. Wenn immer mehr Menschen sich widersetzen, anketten, mit ihren Traktoren blockieren und Schotter entfernen, ist das das Ergebnis der offiziellen Politik. Die Herrschenden fürchteten nun mal selbstständiges Denken und Menschen, die für eine andere politische Kultur stehen.
Die Polizei
Ständig kreisten zwei Polizeihubschrauber über der Veranstaltung. Und als schwarz gekleidete Demonstranten irgendwo an einer Straße ein Loch gebuddelt hatten, sind gleich zwei Dutzend Polizisten über das Feld herbeigeprescht, stießen Frauen und Kinder zur Seite und stoppten die Übeltäter in ihrem Tun. Am Ende der Veranstaltung zeigte sich die Polizei noch einmal verstärkt und grundlos. Teilweise hatten die PolizistInnen sogar ihren Helm auf, was für eine aggressive Stimmung sorgte.
Die Polizei, so ein Redner, sei nicht neutral. Sie schütze den Transport. Jeder Transport werde von einem Polizisten in Zusammenarbeit mit einem Vertreter der Atomwirtschaft geleitet. Ein Rechtsanwalt von der RAV beklagte sich über Magdeburger Polizisten, die für ihr rücksichtsloses Vorgehen bekannt seien.
Schön war der Rückweg zu den Bussen: mehrere Menschen kamen uns entgegen mit Rucksack und Isomatte. Der Widerstand geht weiter.
Bernhard Clasen
Quelle: www.scharf-links.de vom 07.11.10
« Studie weist auf Nachteile der Ein-Euro-Jobber hin. Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind schlechter als ohne diese Maßnahme. – Nazibücher bei Spiegel, FAZ und SZ »
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Siehe auch hier: http://www.jungewelt.de/2010/11-08/067.php
Kommentar: Wolfgang Huste – 08. November 2010 @ 12:34