Wolfgang Huste Polit- Blog

Hat ein Staat Recht auf Notwehr? Von Wolfgang Huste

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Es gibt den juristischen Begriff „Jedermannsrecht“ (interessanterweise heißt es nicht „Jederfraurecht“), der sinngemäß besagt, dass jeder Mensch einen akuten/aktuellen Angriff auf seine Person abwehren darf. Wenn sein eigenes Leben in Gefahr ist: durchaus auch mit roher, brutaler Gewalt! Das „Jedermannsrecht“, auch „Notwehrrecht“ genannt, ist aber immer an ein konkretes Individuum gebunden. Ein Kollektiv, erst recht nicht ein „abstrakter Staat“, der ebenso abstrakte (allgemeine) Forderungen wie: „Wir müssen in Afghanistan unsere Freiheit und Demokratie verteidigen!“ aufstellt, kann dieses individuelle Recht nicht für sich beanspruchen . Denn: wessen Freiheit und Demokratie ist da konkret gemeint? Die von den Abs, den Quants, den Thyssens, den Bankern? Ist es die Freiheit der Kapitalisten, Massenentlassungen durchzuführen? Ist es die Freiheit und Demokratie der Politiker, der herrschenden Eliten, in ganz Europa Sozialkürzungen und Lohndumping durchzusetzen- dazu noch gegen die Majorität der jeweiligen Bevölkerung?. Ist es demokratisch zu nennen, wenn ohne ein Volksentscheid „unsere“ (?) SoldatInnen in fremde, ferne Länder geschickt werden, um diese recht abstrakte Demokratie und Freiheit, unter der jeder was anderes versteht, zu verteidigen- und dann noch in unserem Namen? Ich zum Beispiel wurde nicht gefragt- andere auch nicht! Fabriken und Banken, die weder mir noch der Majorität gehören, können wieder aufgebaut werden- vernichtetes Menschenleben dagegen nicht! Wie gesagt: Ein Individuum kann für sich nicht „Notwehr“ geltend machen, wenn es sich selbst und dazu noch bewusst in Gefahr begibt. Deutsche Soldaten, die zum Beispiel in Afghanistan – also fern ab ihrer Heimat- in Kriegseinsätze „verwickelt“ sind oder werden, haben keinen Anspruch auf das „Jedermannsrecht“, da sie ja ganz gezielt den Schauplatz der Gewalt aufsuchten. Sie hätten ja auch genauso gut (zum Beispiel) auf dem heimischen Sofa Fernsehen gucken, eine Zeitung, ein Buch lesen können, statt mit Waffen in gefährliche Gegenden herumzulaufen oder zu fahren. Und noch ein Argument, überhaupt das „klassische“ Argument in diesem Zusammenhang: Warum soll das Töten von Frauen, Kindern, Greisen – überhaupt von anderen Menschen, dazu noch in einem uns fremden Land – eine zu rechtfertigende „Angelegenheit“ sein, wenn es um Kriege geht, das bewusste Töten eines Menschen als Zivilist aber nicht, denn dann spricht der Staat vom Mord oder vom Totschlag? Für mich als Humanist und Sozialist (was ja zwangsläufig zusammengehört!) ist beides Mord! Um nicht in ein mögliches Dilemma zu kommen, andere Menschen oder mich selbst in Form eines abstrakten Staatsauftrages in einem „Krisengebiet“ zu gefährden, werde ich erst gar kein Soldat, denn: die Kriege der herrschenden „Eliten“ werden keinesfalls weder in meinem, noch im Interesse meines Umfeldes geführt. Und noch ein Argument: In einer persönlichen Notwehrsituation kann ich selbst entscheiden, ob ich den Angreifer mit oder ohne eine Waffe entgegentrete, ob ich versuche, mit dem Angreifer zu diskutieren, oder ob ich einfach vor ihm weglaufe. In einer Kriegssituation muss (?) ich Befehle „von oben“, also von anderen, (fremdbestimmt) ausführen. Befehle, die vielleicht gar nicht in meinem eigenen Interesse liegen (und auch nicht im Interesse der Majorität). Ich kann also nicht wie in einer individuellen Notwehrsituation selbstbestimmt entscheiden. Tue ich es doch, riskiere ich eine Befehlsverweigerung und lande vor dem Kriegs- bzw. Militärgericht. In vielen Ländern bedeutet das oftmals den eigenen Tod- zumindest aber Gefängnis, im schlimmsten Fall auch Folter. Quintessenz: Es gibt kein Recht auf eine kollektive Notwehr. Das Notwehrrecht ist immer an ein konkretes Individuum und an eine ebenso konkrete Situation gebunden.

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 30. November 2010 um 14:31 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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