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Linken-Fraktionschef Gysi: „Wir sind keine kommunistische Partei“

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Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hält die Forderung der CSU nach einem Verbot seiner Partei für „Schwachsinn“. Mit dem Tagesspiegel spricht er über Kommunismus, linke Flügelkämpfer und das Verhältnis zu SPD und Grünen.

Herr Gysi, sind Sie auch auf dem Weg zum Kommunismus?

Unter Kommunismus kann man Verschiedenes verstehen. Stalin, Mao und die Mauer etwa. Oder das, was Marx meinte: eine Gesellschaft ohne Klassenunterschiede, in der Eigentum sozial gerecht verteilt ist und alle weniger arbeiten müssen, die Vision einer in jeder Hinsicht gerechten menschlichen Gesellschaft. Das Problem ist: Ich kann nicht voraussetzen, dass die Leute den Begriff in letzterem Sinne verstehen. Und weil ich das weder voraussetzen noch organisieren kann, darf ich ihn nicht verwenden. Seit 1989 sage ich: Wir können mit dem Begriff Kommunismus unsere Ziele nicht erklären.

Ihre Parteivorsitzende Gesine Lötzsch denkt nur den „guten Kommunismus“?

Wenn ich mich zum Kommunismus äußere, muss ich mich auch zu dessen Geschichte äußern – und damit auch zu Verbrechen in seinem Namen. Aber auch wenn mal etwas verunglückt: Man muss Gesine Lötzsch nicht etwas unterstellen, was sie niemals wollte und niemals will.

Lötzsch und die Linkspartei wollen den Kommunismus nicht einführen?

Ich verspreche Ihnen: Weder in unserer politischen Praxis noch in unserem Programm wird der Begriff des Kommunismus auftauchen. Am Charakter unserer Partei hat sich nichts geändert. Wir sind keine kommunistische Partei, und wir werden auch keine sein.

Ist das jetzt ein Machtwort?

(lacht) Verstehen Sie es, wie Sie wollen.

Ihrem politischen Gegner haben Sie eine politische Steilvorlage geliefert. Die Generalsekretäre der Union sagen, die Linke zeige nun ihr wahres Gesicht.

Die Generalsekretäre sollen mich mal zufrieden lassen. Wenn ich mir die Geschichte der Union nach 1945 ansehe, erlebe ich im Umgang mit uns nur Verlogenheit. Ich werde ihnen nicht vergessen, dass sie Lothar Bisky nicht zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt haben, weil er er mal in der SED war. Aber das frühere NSDAP-Mitglied Kurt Kiesinger zum Kanzler zu wählen: Da hatten sie keine Skrupel.

Die CSU fordert nun die lückenlose Überwachung und sogar ein Verbot der Linkspartei.

Das ist natürlich Schwachsinn. Wer in seinen Reaktionen so überzieht, erzeugt eher gegenteilige Stimmung. Gesine Lötzsch will wie wir alle einen demokratischen Sozialismus.

Warum sagt sie das dann nicht?

Doch sagt sie es, trotz vorheriger missverständlicher Formulierungen.

Auch das Umfeld des Textes ist bemerkenswert – eine linksradikale Zeitung, ein Kongress, bei dem Lötzsch mit der DKP-Vorsitzenden und einer früheren Terroristin diskutiert, diedem bewaffneten Kampf nicht abgeschworen hat. Ist das das neue Forum der Linkspartei?

Man kann mit vielen Leuten diskutieren. Dennoch wäre ich in diesem Fall vorsichtiger gewesen.

Liefert die Linke so nicht selbst die Argumente für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz?

Keiner muss für den haften, der neben ihm sitzt. Wichtig ist aber, dass man bei seinen eigenen Positionen bleibt.

Herr Gysi, werden Sie der linken Flügelkämpfer nicht Herr?

Ich bin ja nicht Gott. Wir müssen jedoch unsere personelle Wichtigtuerei überwinden.

Auch Ihre eigenen Mitglieder sind frustriert über die Parteiführung. Gegen Klaus Ernst revoltieren die Verbände im Osten.

Das stimmt nicht. Unser Problem ist die programmatische Angst. Statt sich inhaltlich zu streiten, führt man Personaldebatten. Es ist eben nicht glücklich, ausgerechnet in einem Jahr mit sieben Landtagswahlen die Programmdebatte zu führen. Das stört den Wahlkampf etwas.

Stören auch Leute wie Dietmar Bartsch oder Bodo Ramelow, die sich schon immer für die besseren Parteivorsitzenden gehalten haben?

Überhaupt nicht. Jeder darf sich für gut halten, kann von mir aus sogar denken, dass er Kaiser von China werden kann. Jetzt haben wir zwei Vorsitzende, sie sind bis 2012 gewählt, und das haben alle zu respektieren.

Parlamentsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann beklagt, die beiden Parteichefs würden in die Bundestagsfraktion „hineinregieren“. Was ist da dran?

Die Vorsitzenden haben eine neue Zuständigkeit – für 16 Landesverbände, über 300 Kreisverbände.

Vorgezogene Neuwahlen der Führung gibt es nicht?

Ach, Quark. Für den Programmparteitag im Oktober müsste dann ja eine neue Tagesordnung beschlossen werden, es müsste Rücktritte geben. Gewählt wird 2012.

In der Parteienlandschaft spielt die Linke eine Sonderrolle. Eben erst wurden Sie an den Gesprächen des Vermittlungsausschusses zu Hartz IV nur beteiligt, nachdem sie in Karlsruhe geklagt haben.

Ein unverschämter Ausgrenzungsversuch war das.

An ihrer Partei liegt es gar nicht?

Die Ausgrenzung liegt nie an denjenigen, die ausgegrenzt werden. Mich kotzt an, dass SPD und Grüne das immer mitmachen.

Das Verhältnis zu SPD und Grünen ist im Bund verkorkst. Kann sich daran bald etwas ändern?

Beide Parteien sind uns gegenüber grundlos arrogant und viel zu unionshörig. Die SPD eiert bei allen ihren Themen herum, und geht jetzt irrtümlich davon aus, dass sie uns 2013 nicht braucht. Ich kann aber nicht einen möglichen Partner vier Jahre lang zurückweisen und nach der Bundestagswahl sagen, es war alles nicht so gemeint. Wichtige Initiativen im Bundestag könnten künftig auch gemeinsam getragen werden. Katastrophal aber wäre es, wenn wir uns anbiederten. Das einzige, was die SPD und auch die Grünen überzeugt, ist Stärke. Wenn wir bei den Wahlen zulegen, merken sie, dass sie an uns nicht vorbeikommen.

Die Wahlen im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden für die Linke besonders schwierig. Könnte ein Scheitern an der Fünfprozenthürde ein heilsames Signal an die radikalen Kräfte im Westen der Partei sein?

Wir werden nicht Scheitern, aber selbst wenn glaubte ich nicht an heilsame Signale. Bei einem Scheitern würde jeder immer dem anderen Teil der Partei die Schuld gegeben. Dass jemand eine Niederlage erleidet und dann selbstkritisch wird, kommt äußerst selten vor.

Das Gespräch führten Matthias Meisner und Rainer Woratschka.

Quelle: „Der Tagesspiegel“ vom 07.01.11

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 07. Januar 2011 um 19:11 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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4 Comments

  1. Linken-Fraktionschef Gysi stellt fest: “Wir sind keine kommunistische Partei”

    Darauf antworten jetzt einige: „Leider ist das so!“. Der größte Teil sagt jedoch (mit oder ohne die Begrifflichkeit „Gott“- je nach Konfession): „Gott sei Dank ist das nicht der Fall!“ und ein anderer Teil: „Wer hätte das gedacht?!“ Und wiederum andere: „Was noch nicht ist- kann ja noch werden!“ 🙂

    Comment: Wolfgang Huste – 07. Januar 2011 @ 19:16

  2. Solange es in Deutschland keine revolutionäre kommunistische Partei gibt werde ich nicht wählen gehen.
    Ich antworte auf Gysi’s Aussage ganz entschieden mit „Leider ist das so!“

    Rotfront!

    Comment: Rote_Ahr – 08. Januar 2011 @ 01:37

  3. Lieber Rote-Ahr,

    Du bist zum Glück zu spät dran. Die DDR Diktatur ist Vergangenheit und Kommunismus der die Menschen entmündigt findest Du nur noch in Ländern in die Du, als Kommunist der die Freiheit in der Demokratie in vollen Zügen genießt, nie einen Fuß setzen würdest. Im Kommunismus mußt Du nicht nur für Dich selbst und die Obrigkeit schuften, Du mußt dabei auch noch die Klappe halten.

    Möge es Dir vergönnt sein lange an der Wahlurne Enthaltsamkeit üben zu dürfen! Arbeitslager, Zwanginhaftierung Andersdenkender, Denunziation, falsche Beschuldigungen und Mauern braucht wirklich niemand der noch klar im Kopf ist.

    Wolfgang wie kannst Du sowas unkommentiert stehen lassen?

    Comment: Annerose – 06. Februar 2011 @ 20:24

  4. Liebe Annerose,

    wegen meines Geschäftsumzuges hatte ich längere Zeit keinen Internetzugang. Erst in etwa 14 Tagen bekomme ich in mein neues Geschäft einen Telefon- und Internatanschluß (ich gehe zurzeit zuhause über Satellit ins Internet).
    Nur so viel: Genauso wenig man beim Begriff „Mund“ unbedingt immer ans Essen denken muß, genauso wenig muß man beim Begriff „Kommunismus“ an Stalin, Gulag, DDR und Mao denken (zum Beispiel). Kommunismus ist eine Gesellschaftsformation, die frei ist von Ausbeutung, Unterdrückung, Kriegen, Faschismus und Rassismus. Kommunismus ist eine Gesellschaftsformation, in der keiner den anderen unterdrückt, beherrscht. Eine Gesellschaft, in der Menschen und die Natur- statt einer abstrakten Profitrate – im Mittelpunkt aller Betrachtungen und Handlungen steht. Selbst das Urchristentum beinhaltete in diesem Sinne kommunistische Elemente. Das ist doch eine sehr erstrebenswerte Gesellschaft, stimmt’s? Lese Dir bitte noch einmal die Erklärung der Antikapitalistischen Linken (= AKL) zur Kommunismusdebatte durch. Nun ja, wahrscheinlich verstehen wir beide (zumindest teilweise) etwas anderes unter Freiheit und Demokratie. Wessen Freiheit ist da gemeint? Die der Ackermänner, Sarrazins, der Faschos, der Kapitalisten, andere Menschen auszubeuten, Massenentlassungen durchzuführen, sich gegen einen armutsfesten Mindestlohn zu sprerren, Kriege anzuzetteln? Beides – Freiheit und Demokratie- läßt sich in einem Unrechtssystem, genannt „Kapitalismus“ (was gleichzeitig auch ein Zwangssystem ist!) nur sehr bedingt realisieren (und das auch nur gegen den massiven Widerstand der herrschendne Eliten). Demnach leben Menschen innerhalb des Kapitalismus weit unter ihren politischen, ökologischen und ökonomischen Möglichkeiten. Denunziationen gibt es auch innerhalb des Kapitalismus, ebenso Zwangsinhaftierungen von Andersdenkenden (so mancher aufrechte Antifaschist und AKW – Gegner kann davon ein Lied singen). Und: Kennst Du die Notstandsgesetze, den Radikalenerlaß innerhalb der BRD?
    Wir sollten da nicht in einen platten, kleinbürgerlichen Antikommunismus abdriften. Der Kommunismus ist an sich eine gute Sache, die hier und da falsch – teilweise auch kriminell- ausgeführt wurde. Kommunismus kann nicht „von oben“ herab verordnet werden- Kommunismus muß sich historisch, von „unten“, also demokratisch, auf einer freiwilligen Basis entwickeln. Vielleicht sind wir uns zumindest in diesem Punkt einig?

    Comment: Huste – 14. Februar 2011 @ 01:22

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