Wolfgang Huste Polit- Blog

Schäferköterknurren. Wie der Antikommunismus sich an sich selber nährt. Von Wiglaf Droste

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Wenn man in Deutschland das Wort Kommunismus in den Mund nimmt, wirkt das wie ein Lackmustest: So schlagartig wie zuverlässig verfärben sich Gesichter ins Rot- bis Blauviolette. Auch Pawlowsche Reflexe werden vorgezeigt; Schaum und Geifer treten aus, Sputum wird abgesondert. Forderungen nach der Todesstrafe werden laut, es wird offen mit Mord gedroht und dabei nicht ohne Stolz auf historische Beispiele verwiesen: Was rechte Mörder mit Wissen, Duldung und sogar im Auftrag der deutschen Sozialdemokratie mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg machten, kann auch knapp hundert Jahre später nicht falsch gewesen sein. Das kann man auch wiederholen – oder zumindest damit kokettieren, daß man es wiederholen könnte… Und sich dabei feixend attestieren, man sei doch bloß politisch inkorrekt.

So wie der Antisemitismus keiner Juden bedarf, sondern mit beliebigen Projektionsflächen vorliebnimmt, kommt der Antikommunismus ohne Kommunisten aus. Das Bedürfnis nach Raserei entzündet und befriedigt sich an sich selbst. Hat in einem Land, in dem Bankiers mit staatlicher Unterstützung die Bevölkerung ausplündern, etwa jemand das Wort Verstaatlichung benutzt? Hat angesichts einer Lebensmittelindustrie, die mit Hilfe geltender Gesetze Menschen an Leib und Leben gefährdet, jemand laut über Kontrolle nachgedacht? Hat jemand daran erinnert, daß man die Spielregeln und die Geschäftsordnung ändern muß, wenn man etwas ändern will? War also jemand logisch? Das müssen nach landesüblicher, systemimmanenter Auffassung dann wohl Kommunisten gewesen sein.

Die Linkspartei ist eine sozialdemokratische Partei, die in Teilen noch nicht ganz so heruntergekommen ist wie die SPD. Wo sie aber – wie in Berlin – mitregiert, zeigt sie ähnlich asoziale Züge wie ihre ältere Schwester. Daß es in der Linkspartei auch eine Handvoll Köpfe gibt, die weiter denken können als von zwölf bis Mittag und deren Träger sich etwas anderes vorstellen können als die Freuden der Korruptheit und des Mitmischens, bringt die Linkspartei in Verruf bei den Phantomdemokraten, die in Deutschland bilden, was man »das demokratische Spektrum« nennt und das die Bandbreite vom begeisterten Abnicker bis zum kritischen Mitläufer umfaßt.

Es ist so absurd, wie es Gesetz ist: Wer von Veränderung nicht nur reden, sondern sie politisch herbeiführen will, gilt in Deutschland als politikunfähig. Über Veränderung der Verhältnisse darf nur sprechen, wer bewiesen hat, daß er tätig mithilft, sie zu zementieren. Man muß kein Kommunsist sein, um unter Kommunismusverdacht gestellt zu werden; es genügt, nicht auf das zu schwören, was als »freiheitlich-demokratische Grundordnung« durch die zwar leeren, aber stets blank geputzten Köpfe der politischen Hausmeisterklasse geistert.

Wer Gedichte von Peter Hacks liebt und das auch öffentlich unter Beweis stellt, hat, ehe er sich’s versieht, einen Stalinismus-Vorwurf am Hals von Leuten, die weder historisch noch literarisch im mindesten gebildet sind. Antikommunismus bedarf nicht der geringsten Voraussetzung, Antikommunismus genügt sich selbst. Bis 1989 war ein gegeifertes »Geh doch nach drüben!« der zwangsrepitative rhetorische Höhepunkt des Antikommunismus; allein um diese kopfmäßige Bankrotterklärung wieder erleben zu können, sollte es die DDR noch einmal geben.

Daß die Bewegung 2. Juni, in der große Volksaufklärer wie Fritz Teufel tätig waren, den legal kriminellen Führungskräften des Landes etwas Muffensausen eingab, war nützlich und gut und sorgte für eine immerhin minimale Zivilisierung dieses sich als Elite mißverstehenden Personenkreises aus Politik, Wirtschaft, Militär, Religion und Medien. Wenn auf einem Podium der Rosa-Luxemburg-Konferenz eine Handvoll Frauen darüber debattiert, wie menschenwürdige Lebens-, Arbeits- und Gesellschaftsverhältnisse aussehen könnten und wie sie möglicherweise herbeizuführen wären, verspricht das vielleicht nicht viel, aber doch immerhin Substantielles – also nicht den medienopportunen Simula­tions- und Selbstdarstellungsquark, der sich turnusmäßig aus beispielsweise Claudia Roth oder Alice Schwarzer herauswürgt.

Und wenn es nur des Schäferkötergeknurres wegen wäre, das Spiegel online, Bild, Junge Freiheit et cetera absondern und bei ihrer Kundschaft anstacheln, die Ankündigung einer Diskussion zwischen Gesine Lötzsch und Inge Viett über Strategien und Wege des Kommunismus hätte sich schon gelohnt.

Veranstaltungshinweis: jW-Autor Wiglaf Droste liest am Samstag, 8.Januar, ab 20 Uhr, in Bremen/Lagerhalle aus seinem soeben erschienenen neuen Buch »Auf sie mit Idyll« (Edi­tion Tiamat 2010) und aus neuen Texten. Zum 50. Todestag von Dashiell Hammett am 10. Januar stellt Wiglaf Droste den Großmeister des hartgekochten Kriminalromans vor und liest aus dessen Klassikern »Das große Umlegen« und »Der Malteser Falke«: Sonntag, 9. Januar, in Leipzig, Schaubühne Lindenfels (18 Uhr), Montag, 10.Januar, Berlin, Eiszeit-Kino (20Uhr)

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.01.11

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 08. Januar 2011 um 15:03 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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