Wolfgang Huste Polit- Blog

Hintereingang zum Krieg. Von Knut Mellenthin

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Die von der Bundesregierung ins Spiel gebrachte Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg gegen Libyen soll offenbar sehr viel weiter gehen als zunächst angedeutet. Außenminister Guido Westerwelle hatte am Mittwoch und Donnerstag lediglich kurz und unbestimmt davon gesprochen, an einer »humanitären Hilfsaktion« mitzuwirken, falls die UNO darum bitten würde. Jetzt zeichnet sich jedoch ab, daß Deutschland grundsätzlich bereit ist, bewaffnete Bundeswehreinheiten ins Kriegsgebiet zu schicken

Christian Dienst, Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, stellte am Freitag klar: »In dem Moment, wo wir an einer humanitären Operation teilnehmen würden und der Opera­tionsplan würde es vorsehen, daß man auch in Libyen an Land operiert, ist auch klar, daß man dann auch den Fuß auf libyschen Boden setzen müßte.« Allerdings sei das zur Zeit noch »hochspekulativ«, schränkte Dienst ein, als wisse er nicht, daß es für diesen Einsatz selbstverständlich auch schon konkrete Planungen gibt.

Das am 17. März beschlossene Mandat des UN-Sicherheitsrats sieht den Einsatz ausländischer Soldaten auf libyschem Territorium nicht vor, schließt ihn aber auch nicht ausdrücklich aus. Nur »Besatzungstruppen« sollen nicht stationiert werden.

Die grundsätzliche Entscheidung, Bundeswehrsoldaten in irgendeiner Form am Libyen-Krieg teilnehmen zu lassen, fiel schon am 21. März auf einer Tagung der EU-Außenminister. Mit Zustimmung Deutschlands wurde dort beschlossen, »im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik« auch humanitäre Hilfsaktionen zu unterstützen, sobald ein entsprechendes Ersuchen der Vereinten Nationen vorliegt. Zuständig dafür ist das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (englische Abkürzung: OCHA), das dem UN-Generalsekretär untersteht. Ein neuer Beschluß des Sicherheitsrats wäre also nicht erforderlich. Am 23. März teilte die libysche Regierung dem OCHA-Direktor Rashid Khalikov mit, daß sie nicht bereit ist, solche Aktionen auf ihrem Territorium zu gestatten. Es würde sich also beim Stand der Dinge um eine militärisch zu erzwingende und abzusichernde Verletzung der libyschen Souveränität handeln.

Die Europäische Union plant für diesen Fall den Einsatz ihrer Schnellen Eingreiftruppen. Zur Zeit hat die EU zwei dieser Battlegroups mit jeweils 1500 Soldaten in ständiger Abrufbereitschaft. An einer davon ist die Bundeswehr mit 990 Soldaten beteiligt. Es handelt sich um Feldjäger, Sanitäter und Pioniere. Dem Beschluß vom 21. März zufolge könnte es bei einer gemeinsamen »Hilfsaktion« unter anderem darum gehen, bei der Evakuierung von Flüchtlingen mitzuwirken und Versorgungsgüter nach Libyen – genauer gesagt: in die von den Rebellen kontrollierten Gebiete– zu bringen.

Die Oppositionsparteien Grüne und SPD nehmen selbstverständlich die günstige Gelegenheit wahr, der Bundesregierung die Widersprüchlichkeit ihres Taktierens vorzuhalten. Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sprach sogar von »Verlogenheit«. Die Ablehnung der Kriegsresolution 1975 im UN-Sicherheitsrat sei also »nur vordergründig« gewesen. Indessen lassen beide Parteien nicht den geringsten Zweifel, daß sie den Einsatz der Bundeswehr in Libyen wärmstens begrüßen und im Parlament mittragen würden. Ein klares Nein zum Kriegs­einstieg durch den Hintereingang kommt nur von der Linkspartei.

Quelle: www.jungewelt.de vom 09.04.11

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 09. April 2011 um 12:22 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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3 Comments

  1. »Wir haben keine Angst, uns zu isolieren«. Mit ihrer Ablehnung eines Libyen-Einsatzes findet Die Linke nur außerparlamentarisch Unterstützung. Gespräch mit Jan van Aken. Interview: Peter Wolter

    Jan van Aken ist stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Deutschen Bundestag

    Die Bundesregierung will jetzt doch Soldaten nach Libyen schicken –wie erklären Sie sich die plötzliche Kehrtwendung?

    Außenminister Guido Westerwelle (FDP) eiert herum, er hat offensichtlich Druck bekommen aus seiner eigenen Partei und aus CDU/CSU. Er versucht, den militärischen Einsatz als humanitäre Hilfe zu verkaufen – was natürlich völliger Quatsch ist.

    Westerwelle soll für eine Ablehnung, Kanzlerin Angela Merkel dagegen für ein deutsches »Ja« bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat gewesen sein. Ist es nicht ein weiterer Sargnagel für Westerwelle, wenn die Regierung jetzt vom Kompromiß der Stimmenthaltung abrückt?

    Westerwelle hat diese Darstellung ja massiv bestritten, letztlich ist es auch gleich, wie es abgelaufen ist. Eine Demontage ist es aber auf jeden Fall, nachdem er schon den Vorsitz der FDP aufgeben mußte.

    Die Enthaltung im Sicherheitsrat geschah kurz vor den entscheidenden Landtagswahlen im Südwesten – war das etwa auch ein Wahlkampfmanöver wie die Abschaltung der Atomkraftwerke?

    Das glaube ich nicht, die Enthaltung war ja – wenn man Umfragen glauben darf – nicht sehr populär in der Öffentlichkeit. Ich glaube vielmehr, daß dahinter die Erkenntnis steckte, daß es auf Dauer keine sinnvolle Politik sein kann, ständig irgendwo militärisch zu intervenieren. Nicht, daß die Regierung kriegsscheu wäre oder plötzlich eingesehen hätte, daß Militär nicht für wirtschaftliche Interessen in Marsch gesetzt werden darf. Ich glaube, daß auch US-Präsident Barack Obama ähnlich denkt. Die US-Regierung verhält sich in Libyen zögerlich, sie fürchtet wohl die Gefahr, bei noch mehr Kriegen irgendwann auszubluten.

    Die Medien berichten ständig von Massakern und Mordaktionen der Soldaten von Staatschef Muammar Al-Ghaddafi – hat die Linke nicht Angst, sich in der Öffentlichkeit zu isolieren, wenn sie sich gegen eine Intervention sträubt?

    Diese Angst haben wir keineswegs. Demokratie läßt sich nun mal nicht mit Hilfe von Bomben durchsetzen – was in Deutschland auch viele Menschen verstehen. Wenn dieser Konflikt nicht bald gestoppt wird, bekommen wir in Libyen einen langwierigen Bürgerkrieg, der das ganze Land zerreißt.

    Im parlamentarischen Spektrum steht Ihre Partei mit ihrer Kriegsablehnung allerdings einsam auf weiter Flur …
    Das stört uns nicht weiter, beim Thema Afghanistan geht uns das ebenso.

    Ihre Partei findet also nur Unterstützung im außerparlamentarischen Bereich?
    Nur dort. Noch mal zum Stichwort Afghanistan: Auch wenn wir mit unseren Argumenten im Bundestag keine Anhänger finden – die große Mehrheit der Deutschen ist wie wir gegen diesen Krieg, wie mehrere Umfragen bewiesen haben. Und ich bin sicher, daß es nicht lange dauern wird, bis die Öffentlichkeit ihre Meinung zum Libyen-Einsatz ebenfalls ändert.

    Sind im außerparlamentarischen Bereich Initiativen der Linkspartei geplant?

    Zu Libyen speziell im Moment noch nicht. Aber vor uns stehen ja die Ostermärsche in vielen deutschen Städten, da wird der Libyen-Krieg mit Sicherheit Thema sein.

    Welche Kräfte stecken nach Ihren Erkenntnissen hinter den sogenannten Rebellen im Osten Libyens?
    Das geht nicht nur mir so: Niemand hat richtig Ahnung davon. Deswegen werde ich über diese Rebellen weder Positives noch Negatives sagen.

    Hat es nach Ihrer Kenntnis jemals einen Kriegseinsatz gegeben, der wirklich humanitären Zielen diente?
    Ich weiß von keinem Fall. Militäreinsätze sind ja sehr kostspielig, die werden nur aus machtpolitischen, geostrategischen oder aus wirtschaftlichen Interessen angeordnet. Es gibt in vielen anderen Ländern ebenfalls humanitäre Katastrophen, bei denen hierzulande aber niemand daran denkt, militärisch einzugreifen.

    Was sollte jetzt nach Ansicht Ihrer Fraktion an Stelle einer Intervention geschehen?

    Wir brauchen eine sofortige Feuerpause. Unser Vorschlag: Die NATO verkündet einseitig eine 24stündige Waffenruhe. Ghaddafi wird sich mit Sicherheit anschließen, in seiner Verzweiflung hat er ja schon alle möglichen Initiativen gestartet. Natürlich müssen auch die Rebellen zustimmen. Parallel dazu müssen sofort Verhandlungen eingeleitet werden – unter Vermittlung der UNO oder, noch besser, der Arabischen Liga oder der Afrikanischen Union.

    Quelle: http://www.jungewelt.de vom 09.04.11

    Comment: Anonymous – 09. April 2011 @ 12:26

  2. […] Bis vor wenigen Tagen gab es wenigstens einen Grund warum man mit der Außenpolitik der Bundesregierung zufrieden sein konnte, es war die Enthaltung bei der Abstimmung über einen Einsatz gegen Gadaffi und somit die Beteiligung an einem Brügerkrieg in dem nordafrikanischen Land. Dies hat sich inzwischen geändert, denn nun spricht unser Bundesaußenminister, Guido Westerwelle, … […]

    Pingback: Auf in den Krieg – fast alle sind dabei! | Die Freiheitsliebe – 11. April 2011 @ 18:02

  3. […] Bis vor wenigen Tagen gab es wenigstens einen Grund warum man mit der Außenpolitik der Bundesregierung zufrieden sein konnte, es war die Enthaltung bei der Abstimmung über einen Einsatz gegen Gadaffi und somit die Beteiligung an einem Brügerkrieg in dem nordafrikanischen Land. Dies hat sich inzwischen geändert, denn nun spricht unser Bundesaußenminister, Guido West… […]

    Pingback: Auf in den Krieg – fast alle sind dabei! | Meinungsterroristen – 13. April 2011 @ 07:08

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