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Guantánamo-Akten offen. Von Knut Mellenthin

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Über 700 Gefangenenakten aus Guantánamo, die jetzt mehreren Zeitungen zugänglich gemacht wurden, lenken wieder einmal die internationale Aufmerksamkeit auf das skandalöse Gefangenenlager, das die USA in ihrem Militärstützpunkt auf Kuba unterhalten. Präsident Barack Obama, der vor zwei Jahren die Schließung der rechtsfreien Haftanstalt angeordnet hatte, ist mittlerweile auf die Linie der Republikaner eingeschwenkt und will sie unbegrenzt lange weiterführen.

Insgesamt sind es 759 Geheimdokumente – verfaßt zwischen 2002 und 2009 –, die im vorigen Jahr bei Wikileaks gelandet waren und nun der New York Times und dem britischen Guardian zugespielt wurden. Neben Berichten und Einschätzungen über die einzelnen Gefangenen gehört zum Material auch ein 17seitiger Leitfaden, der die Ermittler instruieren soll, an welchen Kennzeichen typische »feindliche Kämpfer« und »Al-Qaida-Terroristen« zu erkennen sind. Dazu gehört z.B. der Besitz einer bestimmten – weltweit verbreiteten – Uhr oder eines Taschenrechners. Denn der könnte dazu dienen, Berechnungen für die Lenkung von Artilleriefeuer auszuführen. Zum Terroristenraster gehören jedoch auch, was man in Islamabad nicht gern hören wird, Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst ISI.

Die jetzt zugänglichen Akten erfassen die meisten der Personen, die im Laufe der Zeit nach Guantánamo transportiert wurden. Nach einigen Zeitungsberichten fehlen die Akten von 75 Gefangenen, nach anderen Meldungen nur die von zwanzig. In dem Material sind abstruseste »Gründe« zu finden, aus denen Menschen im Lager landeten und dort zum Teil jahrelang widerrechtlich und ohne Chance auf juristische Gegenwehr festgehalten wurden.

Ein vierzehnjähriger Junge, den Afghanen den Amerikanern übergeben hatten, kam nach Guantánamo, weil man hoffte, durch ihn irgendwelche Erkenntnisse über örtliche Taliban-Führer gewinnen zu können. Ein 89jähriger, der an Altersdemenz litt, war ins Lager eingeliefert worden, weil man angeblich in seinem Haus »verdächtige Telefonnummern« gefunden hatte.

Unter den Gefangenen war zeitweise auch ein afghanischer Taxifahrer, gegen den absolut nichts vorlag. Die Ermittler erhofften sich lediglich – so steht es tatsächlich in seiner Personalakte – wegen seiner häufigen Fahrten in der Umgebung von Kabul »allgemeine Erkenntnisse über Aktivitäten in diesem Gebiet«.

Durch die Veröffentlichung seines Dossiers ist nun auch definitiv klar, warum Sami Al-Hadsch, ein sudanesischer Kameramann des Fernsehsenders Al-Dschasira, sechs Jahre lang in Guantánamo bleiben mußte: Die Amerikaner wollten von ihm alles über das Ausbildungsprogramm des arabischen Informationskanals, seine technische Ausrüstung und seine Arbeit in Tsche­tschenien, im Kosovo und in Afghanistan wissen.

In Guantánamo werden immer noch 172 Menschen gefangengehalten. Kaum einer von ihnen hat Aussicht auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren oder auf Freilassung. Seit 2007 werden keine neuen Häftlinge mehr in das Lager gebracht. Die Republikaner drängen darauf, das zu ändern und künftig sogar US-Staatsbürger, denen terroristische Aktivitäten im eigenen Land vorgeworfen werden, nach Guantánamo zu schicken. Pentagon und US-Außenministerium ließen am Montag verlauten, es sei »unglücklich«, daß New York Times und andere Medien sich dazu entschlossen hätten, zahlreiche illegal weitergegebene Dokumente zu veröffentlichen. Sie bestätigten aber deren Echtheit.

Quelle: www.jungewelt.de vom 26.04.11

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 26. April 2011 um 14:50 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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