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Widerstand wächst. Nach erfolgreichen Osterprotesten gegen Nutzung der Atomenergie sind weitere Aktionen geplant. »X-tausendmal quer« kündigt AKW-Blockaden an. Von Reimar Paul

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Junge Leute in weißen Strahlenschutzanzügen drängen sich durch die Menge. »Achtung, Achtung, machen Sie den Weg frei«, ruft ein Mann durch das Megaphon. »Im Atomkraftwerk Grohnde hat sich ein schwerer Unfall ereignet.« Doch zum Ausweichen ist kein Platz. Tausende drängen sich am Montag nachmittag dicht an dicht auf der schmalen Zufahrtsstraße, die vom Dorf Kirchohsen zum AKW-Gelände an der Weser führt. Die angrenzenden Felder sind mit rot-weißem Flatterband abgesperrt und sollen, wie die Organisatoren der Kundgebung vom »Anti-Atom-Plenum Weserbergland« auf dem Lautsprecherwagen immer wieder betonen, nicht betreten werden.

Am Straßenrand trommelt eine Sambagruppe. Jugendliche blasen in Trillerpfeifen, einige haben auch Vuvuzelas mitgebracht. Weiter hinten stehen rund 80 mit Transparenten geschmückte Traktoren in Reih und Glied. Eine Frau stillt auf der Wiese daneben ihr Baby. Auf dem Fluß schippern Kanus vorbei, auch sie sind mit Antiatomwimpeln beflaggt. Aus den beiden mächtigen Kühltürmen des AKW Grohnde steigt weißer Dampf in den blauen Himmel.

»Fast zu idyllisch, das Ganze«, sagt ein Mittfünfziger am Stand mit den Biobratwürsten. Er hat schon vor 34 Jahren in Grohnde demonstriert, als sich 20000 AKW-Gegner und die Polizei eine blutige Schlacht lieferten – mit Hunderten Verletzten auf beiden Seiten und zahlreichen Verhafteten, von denen einige später zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. »So was wie damals muß nicht mehr sein«, sagt der Mann. »Aber ein bißchen entschlossener könnte der Protest für meinen Geschmack doch verlaufen. Schon erstaunlich, wie schnell viele Leute verdrängen können.« Er meine damit, erläutert der Widerstandsveteran auf Nachfrage, »sowohl die grauenhaften Bilder aus Fukushima als auch die Tatsache, daß die Energiebosse und ihr politisches Personal weiterhin auf diese Wahnsinnsatomtechnologie setzen«.

Ähnlich friedlich und entspannt wie in Grohnde verliefen die Ostermontagdemos der Anti-AKW-Bewegung auch an elf anderen deutschen Nuklearanlagen. In der Umgebung der Endlagerstandorte Asse und Schacht Konrad hatten Umweltschützer zahlreiche »Haltestellen zum Atomausstieg« eingerichtet. Dort sollten sich die Demonstranten im Verlauf des Vormittags sammeln und gemeinsam weiter zur Abschlußkundgebung nach Salzgitter fahren. Nach Angaben der »Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad« organisierten unter anderem Bürgerinitiativen, Sportvereine, Parteien und Schulklassen solche »Haltestellen«. In vielen Fällen handelte es sich um Stände mit Informationsmaterial, Getränken, Kuchen und Ostereiern. An anderen Orten gab es Konzerte, Theateraufführungen oder das Dosenwurfspiel »17 auf einen Streich« – in Deutschland gibt es 17 Atomkraftwerke.

Insgesamt beteiligten sich nach Angaben der Organisation »Ausgestrahlt« rund 140000 Menschen an den Protesten – deutlich weniger als die 250000 Demonstranten am 26. März in den vier größten Städten der Republik, selbst wenn man die rund 20000 Aktivisten hinzuzählt, die am Ostermontag bei grenzüberschreitenden Aktionen gegen die französischen Kernkraftwerke Fessenheim und Cattenom auf der Straße waren. Doch die »Ausgestrahlt«-Leute rechnen anders. Die Atomstandorte lägen eher in ländlichen Regionen, argumentierte Sprecher Jochen Stay. »Der Aufwand zur Beteiligung an diesen Demonstrationen war ungleich höher als bei Protesten in den Innenstädten der Metropolen.«

Klar sei aber, daß die Aktionen weitergehen müßten. Die Chance, einen »echten Atomausstieg« durchzusetzen, sei noch nie so groß gewesen wie zur Zeit, sagt Stay. In den kommenden Wochen entscheide sich, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus dem Super-GAU in Fukushima ziehe. Anfang Juni läuft das dreimonatige Moratorium aus, Mitte Juni wollen Bundestag und Bundesrat über die Zukunft der Atomenergie in Deutschland entscheiden.

Die nächsten Termine stehen denn auch schon fest. Am 28. Mai soll es in 20 deutschen Städten, darunter Berlin, Bonn, Bremen, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Mainz und München, große Demonstrationen gegen Atomkraft geben. Die Initiative »X-tausendmal quer« (www.x-tausendmalquer.de), die zuletzt beim Castortransport im November mit Tausenden die Zufahrt zum Zwischenlager Gorleben unpassierbar gemacht, kündigt für Juni große Blockadeaktionen an den vom Netz genommenen Atomkraftwerken an, um deren Wiederinbetriebnahme zu verhindern.

Quelle: www.jungewelt.de vom 27.04.11

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 27. April 2011 um 15:01 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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