Die Bereitstellung der Einsatzkontingente wird bereits 2012 nicht mehr im heutigen Umfang möglich sein« warnt Bundeswehrgeneralleutnant Werner Freers in einem Brandbrief an den Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker. Aufgrund sich abzeichnender Personalnot sieht Freers den Afghanistan-Einsatz der deutschen Armee gefährdet. Mit Ende der Wehrpflicht muß die Bundeswehr ihren Nachwuchsbedarf von jährlich etwa 15000 neuen Rekruten vollends aus der Zivilgesellschaft werben – und das gestaltet sich angesichts unpopulärer und gefährlicher Auslandseinsätze sowie immer neuer Militärskandale schwierig. Bei Werbeveranstaltungen versucht die Armee daher, ihre militärische Seite zu verschleiern, und wirbt mit bunten Funsportevents um frisches Blut.
Die »Schul-Liga« ist eine kommerzielle Fußball-Liga für Schülerinnen und Schüler. In Sporthallen treten die Jungs in den Kategorien U14, U16 und U21, Mädchen in den Kategorien U14W und U20W bei Turnieren gegeneinander an. Jede Mannschaft hat vier Feldspieler plus einen festen Torwart. Ein Spiel dauert zweimal sieben Minuten, die Pause beträgt drei Minuten.
Sponsor der Schul-Liga
Veranstalter der Schul-Liga ist die »KD Sportnetz GmbH & Co.KG«, ein auf Organisation und Vermarktung von Sportveranstaltungen spezialisiertes Unternehmen aus Rehlingen-Siersburg im Saarland. Finanziert wird die Schul-Liga durch die Anmeldegebühr von 75 Euro pro Team und – was wohl den weit größeren Teil ausmacht – durch Sponsoren. Seit der aktuellen Saison 2010/2011 hat die Liga den »Premiumpartner« Bundeswehr. Die deutsche Armee ist als Werbepartner sowohl bei den Turnieren vor Ort als auch in den Medien der Liga präsent.
So wirbt etwa die Nationalspielerin Fatmire Bajramaj in einer Webanzeige der Bundeswehr auf der Schul-Liga-Homepage. »Im Sport und bei der Arbeit gilt: Teamwork führt zum Erfolg«, wird die bekannte junge Fußballerin, die auch Sportsoldatin und deren Arbeitgeber daher die Bundeswehr ist, in der Anzeige zitiert. Auch die Tore des Monats werden von der Bundeswehr vorgestellt – vor dem Video, das sofort nach Aufrufen von www.schul-liga.de automatisch startet, läuft ein Werbespot für eine »Karriere mit Zukunft« als Soldat.
Die Schul-Liga hat sogar ein eigenes Magazin. Auch in dem 32seitigen Heft mit dem Titel Fußball erleben ist die Armee gut vertreten: Gleich auf Seite zwei wird wieder mit dem Gesicht Bajramajs für den Dienst an der Waffe geworben: »Wir bieten zahlreiche attraktive Ausbildungs- und Berufsangebote für alle Schulabschlüsse«, heißt es da. Darunter die Nummer einer kostenlosen »Karriere-Hotline« der Armee. Im redaktionellen Teil des Magazins wirbt die Armee unter dem Titel »Gute Chancen beim Arbeitgeber Bundeswehr« mit einem Interview in eigener Sache. Auch das Thema »Auslandseinsätze« wird in einer Frage angesprochen – über die Gefährlichkeit der Einsätze wird indes kein Wort verloren. Der Werbeartikel ist nicht als »Anzeige« gekennzeichnet, was gegen journalistische Grundsätze verstößt.
Die größte Werbemaßnahme der Bundeswehr bei der Schul-Liga ist aber das Vollsponsoring der U21-Kategorie – diese trägt sogar offiziell den Namen »U21 Bundeswehr Schul-Liga« samt eigenem Logo mit Eisernem Kreuz und »Karriere mit Zukunft«-Slogan. Knapp 80 Turniere der »U21 Bundeswehr Schul-Liga« werden in über 30 Städten ausgetragen. Eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag brachte zutage, daß mit der »U21 Bundeswehr Schul-Liga« etwa 2500 Jugendliche ab 16 Jahren erreicht werden. Wer bei den Stadtturnieren besteht, darf am 28.Mai am Finale der »U 21 Bundeswehr Schul-Liga« in Wolfsburg teilnehmen.
Bei den Spielen dabei sind auch immer Wehrdienstberater der Armee, die mit Broschüren und Werbetafeln um neuen Nachwuchs für die Bundeswehr werben. Zudem verlost die Armee bei jedem Turnier einen Trikotsatz: »Bundeswehr – Karriere mit Zukunft« ist auf den blauen Hemden zu lesen. Die in der aktuellen Spielsaison verlosten Trikotsätze, 400 weitere T-Shirts mit Bundeswehr-Logo sowie Fußbälle kosten den Steuerzahler über 42000 Euro. Die Gesamtkosten der deutschen Streitkräfte für die Kooperation mit der Schul-Liga belaufen sich auf über 240000 Euro.
Turnier der Truppe
Seit 2005 veranstaltet die Bundeswehr alle zwei Jahre das Jugendsportevent »Bundeswehr-Beachen«. Dabei treten rund 1200 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren bei verschiedenen Funsportarten – in diesem Jahr soll Beachvolleyball und Beachsoccer gespielt werden – in Teams gegeneinander an. Das Turnier für Teilnehmer aus den südlichen Bundesländern wird vom 20. bis 22. Mai in der Pionierschule der Bundeswehr in Ingolstadt ausgetragen. Teilnehmer aus den nördlichen Bundesländern spielen vom 27. bis 29. Mai in der Sportschule der Bundeswehr im westfälischen Warendorf nahe Münster.
Für die Organisation der »Bw-Beachen«-Turniere hat die Bundeswehr seit Jahren eine externe Werbeagentur engagiert. »Nach dem Ende der Wehrpflicht steht die Nachwuchsgewinnung in einem besonderen Fokus«, so Christoph Steckhan von »Euro RSCG ABC Hamburg«. Für die Bundeswehr seien die zwei Turniere daher eine Chance, sich bei jungen Leuten zu präsentieren: »Der Gedanke ist, daß die jungen Leute zum ›Bw-Beachen‹ kommen, sich die Armee dabei angucken und eine Meinung bilden – wenn dabei ein gewisser Prozentsatz der Teilnehmer positiv beeinflußt wird, hat sich die Veranstaltung rentiert«, erklärt Steckhan weiter. Um dieses Ziel zu erreichen gibt es beim »Bw-Beachen« neben dem Sport ein umfangreiches Infotainmentprogramm. Bereits in den letzten Jahren konnten Militärhubschrauber, Kampfpanzer und Drohnen auf den Turnier-Geländen besichtigt werden, Soldaten standen für Gespräche bereit, Wehrdienstberater informierten über Armee-Laufbahnen, und abends sorgten Live-Bands für Stimmung.
Anzeigen für »Bw-Beachen ’11« finden sich in Jugendmagazinen wie Bravo-Sport, Popcorn oder der mit einer Auflage von einer Million Exemplaren größten deutschen Schülerzeitung, dem SPIESSER. Auch kostenlose Werbepostkarten wurden in Schulen ausgelegt.
»Bw-Beachen ’09« ließ sich die Bundeswehr stolze 340000 Euro – also knapp 285 Euro pro Teilnehmer – kosten. Ähnlich hoch werden die Kosten wohl auch in diesem Jahr sein, denn wie jedes Jahr ist das Jugendsportevent für die Teilnehmer kostenlos – neben Verpflegung und Unterbringung wird auch die Anreise per Bahn bezahlt. In den Jahren ohne »Bw-Beachen« findet jeweils das »Bw-Olympix« statt – dabei werden noch mehr Funsportarten angeboten.
Quelle: www.jungewelt.de vom 10.05.11
« Tod im Mittelmeer. Von Knut Mellenthin – Hoher Ekelfaktor. FDP baut sich um. Von Rainer Balcerowiak »
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