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Bochum blutet aus. Jobabbau im Opel-Werk wird durchgezogen. Nur Getriebefertigung soll länger bleiben. Wenn trotz verbesserter Abfindungen nicht genügend gehen, drohen Kündigungen. Von Karl Neumann

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Betriebsrat und Management des Bochumer Opel-Werks haben sich auf einen »Restrukturierungsvertrag« geeinigt. Demnach sollen die geplanten Stellenstreichungen durch verbesserte Abfindungsangebote möglichst »sozialverträglich« umgesetzt werden. Finden sich in den kommenden Wochen nicht genügend »Freiwillige«, könnte es dennoch zu betriebsbedingten Kündigungen kommen. Hinausgezögert wird die Schließung der Getriebeproduktion, die »aufgrund erhöhten Exportbedarfs« bis Ende 2013 weiterläuft.
Locken mit Sonderprämie
»Das jetzt erzielte Abkommen ist eine gute Lösung zur langfristigen Sicherung des Standortes Bochum.« Dieser Satz von Werksdirektor Manfred Gellrich dürfte so manchem der noch rund 4700 Beschäftigten der Ruhrgebietsfabrik reichlich zynisch erscheinen. Bedeutet die Einigung doch, daß die geplante Arbeitsplatzvernichtung im Großen und Ganzen wie geplant durchgezogen wird. Bereits im vergangenen Jahr waren 600 Mitarbeiter »freiwillig ausgeschieden«, jetzt sollen noch einmal doppelt so viele gehen. Man werde den Beschäftigten zusätzlich zu den bereits festgeschriebenen Abfindungen weitere Anreize bieten, das Unternehmen zu verlassen oder an einen anderen Standort zu wechseln, erläuterte Opel-Sprecher Alexander Bazio gegenüber junge Welt. Für »Schnellentschlossene« gebe es eine Prämie von acht Bruttomonatsgehältern, wenn sie ihren Arbeitsvertrag beenden. Bei einem dauerhaften Wechsel ins Rüsselsheimer Stammwerk sollen die Betroffenen neben einer »Mobilitätspauschale« weitere fünf Monatslöhne bekommen. Sie müssen sich aber schnell entscheiden. »Die Freiwilligkeitsphase endet am 15.Juli«, stellte Bazio klar. Sollten die vorgegebene Abbauzahl bis dahin nicht erreicht sein, würden einzelne Mitarbeiter darüber informiert, daß ihnen die Kündigung bevorsteht. Diese hätten dann noch einmal die Möglichkeit, der Entlassung »freiwillig« zuvorzukommen und dafür bis zu drei Monatseinkommen zu erhalten. »Erst dann könnte es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen«, so der Unternehmenssprecher weiter. Dem habe der Betriebsrat im Rahmen der Vereinbarung zugestimmt.

»Es gibt keine Zustimmung des Betriebsrats zu betriebsbedingten Kündigungen«, betonte hingegen der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel auf jW-Nachfrage. Die ablehnende Haltung der Beschäftigtenvertretung sei explizit in der Präambel des Vertrags festgeschrieben. Man werde sich auch nicht an einer eventuellen Sozialauswahl beteiligen. Üblicherweise wird bei Massenentlassungen unter Mitarbeit des Betriebsrats ein Punktekatalog anhand sozialer Kriterien wie Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten erstellt, mit dem die Betroffenen bestimmt werden. »Das werden wir nicht tun, denn sonst würden wir von der Logik her akzeptieren, daß Kündigungen möglich sind«, erläuterte Einenkel. Zudem werde es bei einer vom Betriebsrat mitgetragenen Sozialauswahl für den einzelnen Beschäftigten schwerer, sich juristisch gegen die Entlassung zur Wehr zu setzen. In einem Großbetrieb wie Opel Bochum dürfte es der Geschäftsleitung vor Gericht schwer fallen, die Berechtigung der Auswahl im Einzelfall nachzuweisen, glaubt Einenkel. Vor allem aber setzt er darauf, daß das Unternehmen letztlich nicht zum Mittel betriebsbedingter Kündigungen greift, um sein Image nicht noch weiter zu schädigen.
Massiver Druck
»Sie versuchen jetzt mit heftigem Druck, genügend – in Anführungszeichen – Freiwillige zu finden«, beschreibt der Betriebsratschef die Strategie des Managements. Er selbst ist skeptisch, ob das Angebot zum Wechsel ins Rüsselsheimer Werk auf größere Resonanz stoßen wird. »Das ist für viele eine schwerwiegende Entscheidung, denn die Leute haben ihre Familie, Freunde und soziale Bindungen hier im Ruhrgebiet.« Bislang habe das Unternehmen 210 Stellen im hessischen Stammwerk angeboten, wovon etwa 90 mit Beschäftigten aus Bochum besetzt wurden. Laut Mitteilung des Opel-Managements stehen in Rüsselsheim und im Testzentrum Dudenhofen insgesamt mehr als 300 Arbeitsplätze zur Verfügung. Einenkel vermutet, daß die Abfindungsangebote und Altersteilzeitmodelle eher in Anspruch genommen werden. Insbesondere für die Jahrgänge 1955 bis 1957 bestünden attraktive Möglichkeiten, die den 270 in Frage kommenden Kollegen nun gezielt erläutert würden.

Als großen Erfolg sieht Einenkel den vorläufigen Erhalt der Getriebefertigung. »Damit haben wir einen ganz wichtigen Produktionsbereich für weitere zweieinhalb Jahre gesichert.« Ursprünglich hätte der Getriebebau bereits Ende letzten Jahres ins österreichische Aspern verlagert werden sollen. Doch erhöhter Bedarf der Fabriken der Konzernmutter General Motors (GM) in Brasilien hat dazu geführt, daß dieses Vorhaben vorerst nicht umgesetzt wird.

Für das traditionsreiche Bochumer Werk bedeutet der Abbau dennoch – selbst wenn es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommt – einen weiteren drastischen Einschnitt. Einst waren fast 21000 Menschen in der Fabrik beschäftigt. Nach der aktuellen »Restrukturierung« werden es kaum mehr als 3000 sein. Ob die Belegschaft die nun gefundene Lösung akzeptiert – oder ob sie wie zuletzt im Oktober 2004 rebelliert – wird sich bei der für Montag anberaumten Betriebsversammlung zeigen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 03.06.11

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 03. Juni 2011 um 13:53 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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