Die Fälle von polizeilicher Gewalt in Nordrhein-Westfalen steigen offenbar kontinuierlich an. Dies geht aus der Beantwortung einer Kleinen Anfrage hervor, die die Linksfraktion in den Düsseldorfer Landtag eingebracht hat. Insgesamt wurden allein im Jahr 2010 im bevölkerungsreichsten Bundesland 1434 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte eingeleitet, 493 davon wegen Paragraph 340 Strafgesetzbuch (»Körperverletzung im Amt«). Wie das NRW-Innenministerium mitteilte, kam es einzig in 17 Fällen zu Verurteilungen – unter anderem wegen Unterschlagung, Aussageerpressung, Beleidigung und Körperverletzungsdelikten. In diesem Jahr wurden bisher bereits 593 Verfahren gegen Polizisten eingeleitet.
Zwar können grundsätzlich alle Personenkreise Opfer polizeilicher Übergriffe werden, maßgeblich betroffen sind jedoch vor allem Demonstranten und Fußballfans. Erinnert sei etwa an die massiven Polizeiexzesse gegen Gegner des von der Mehrheit der Stuttgarter Bevölkerung abgelehnten Mammutprojektes »Stuttgart 21« im vergangenen Jahr oder die brutalen Übergriffe gegen Antifaschisten, die im Februar diesen Jahres den Aufmarsch der Neonazis in Dresden blockierten und massenhaft Opfer wahlloser Pfefferspray- und Knüppelattacken wurden.
Es sind vor allem Bürgerrechtsorganisationen wie das Komitee für Grundrechte und Demokratie oder Amnesty International, die seit geraumer Zeit polizeiliche Übergriffe dokumentieren und mehr Transparenz bezüglich polizeilichen Handelns einfordern. So wirbt Amnesty seit Monaten im Rahmen der Kampagne »Mehr Verantwortung bei der Polizei« für eine flächendeckende Kennzeichnungspflicht für die Beamten. Schließlich scheitere die Aufklärung unrechtmäßiger Polizeigewalt in Deutschland oftmals daran, daß die Täter nicht identifizierbar seien. Insbesondere dann, wenn die Beamten Helme tragen oder in der Anonymität geschlossener Einheiten agieren würden.
Während in der Bundesrepublik zunehmend die Grund- und Freiheitsrechte als auch der Datenschutz für die Bevölkerung beschnitten werden, reagieren die beiden großen Polizeigewerkschaften GdP und DPolG vielerorts äußerst ungehalten auf die von der Menschenrechtsorganisation erhobenen Forderungen – während Transparenz und die entschlossene Verfolgung von Prügelpolizisten in anderen europäischen Ländern vollkommen unspektakulär gehandhabt werden. So trägt etwa in England jeder Polizist bei jedem Einsatz seine Nummer gut sichtbar auf der Kleidung. Ebenso ist es in Schweden.
Ein weiteres Problem ergibt sich indes bei der Strafverfolgung polizeilicher Gewalttäter. So werden die Ermittlungen nicht etwa wie in anderen Ländern üblich von unabhängigen Polizeibeauftragten untersucht, sondern von ebenfalls bei der Polizei angesiedelten Stellen. Auch entscheiden die tagtäglich eng mit der Polizei zusammenarbeitenden Staatsanwaltschaften darüber, ob Verfahren gegen die Beamten eingestellt werden oder eben nicht.
Zwar hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Vergangenheit mehrfach unterstrichen, daß jeder Vorwurf einer polizeilichen Mißhandlung umfassend, umgehend, unabhängig und unparteiisch untersucht werden muß. In Deutschland scheinen die politisch Verantwortlichen der Rechtsprechung hingegen keine sonderliche Bedeutung beizumessen.
Amnesty International kritisiert außerdem, daß das Thema Menschenrechtserziehung bei der Fortbildung von Polizisten in keinem Bundesland ein Pflichtthema ist. Dies sei ein »großes Defizit«, da eine umfassende und praxisnahe Menschenrechtsbildung für Polizisten notwendig sei. Schließlich ziele sie darauf ab, das Gegenüber immer als Mensch mit unveräußerlichen Rechten zu respektieren, ganz gleich, welcher Herkunft und welches sozialen Status.
Weitere Informationen: www.amnestypolizei.de/
Quelle: www.jungewelt.de vom 17.06.11
« Griechische Empörung. Von Heike Schrader, Athen – »Palästinasolidarität gehört zur Linken«. Stellungnahme der Bildungsgemeinschaft Soziales, Arbeit, Leben & Zukunft (SALZ) e.V. »
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