Wolfgang Huste Polit- Blog

»Falschaussagen aus den Reihen der Polizei« Gewalt bei »Stuttgart-21«-Protest: Zivilbeamter soll laut Augenzeugen Rohre beschädigt haben. Gespräch mit Carola Eckstein. Interview: Gitta Düperthal. Carola Eckstein ist Mathematikerin und Sprecherin der »Parkschützer«

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Bei Protesten gegen den Bau des Tiefbahnhofs »Stuttgart 21« am Montagabend soll ein Polizist angeblich durch Tritte an Kopf und Hals verletzt worden sein. Ist er tatsächlich auf diese Weise angegriffen worden – und war vielleicht ein Agent Provocateur im Spiel?
Videos und Fotos zeigen, daß sich zu diesem Zeitpunkt ein bereits enttarnter Zivilbeamter in einer Auseinandersetzung mit einem Kontrahenten befand. Bei dieser Rauferei behält der Polizist allem Anschein nach die Oberhand. Umstehende Demonstranten trennen daraufhin die beiden Kampfhähne. Danach ist zu sehen, wie der Polizist ohne erkennbare Schwierigkeiten aufsteht und wegläuft. Weiterhin wurde aufgenommen, wie der Zivilbeamte auf einen Krankenwagen zuläuft und zunächst davor stehen bleibt. Es gibt hoch aufgelöste Aufnahmen von ihm, die weder am Kopf noch am Hals irgendwelche Blessuren zeigen. Insofern halte ich diese Vorwürfe nicht für sehr plausibel. Der Polizist trug eine Dienstwaffe. Die wurde unter seiner Jacke sichtbar, als er während der Auseinandersetzung danach greifen wollte, sie aber letztlich doch nicht gezogen hat. Von umstehenden Demonstranten kam ein entsetztes »keine Knarre«.

Was ist zu den Vorwürfen zu sagen, Polizisten hätten ein Knalltrauma erlitten, weil neben ihnen ein Sprengkörper detoniert sei?
Auch dazu gibt es Videoaufnahmen: Alle Polizisten, die sich in der Nähe des explodierenden Böllers aufhalten, tragen Helme. Etliche Demonstranten stehen am Knallkörper – von ihnen hat keiner irgendwelche Schäden erlitten. Was merkwürdig ist: Die Polizisten bleiben alle an ihrem Standort stehen, keiner von ihnen bewegt sich weg. Es ist nicht erkennbar, daß Ablösung angefordert wurde. Dort anwesende Demonstranten sagten: »Ja, es war laut, wie normalerweise an Silvester, aber kein Grund zur weiteren Aufregung. Man sieht auf Videos eher, wie Leute verwundert über aufsteigenden Rauch und Krach reagieren – nicht erschrocken oder mit schmerzerfüllten Gesichtern.«

Weiterhin gibt es den Vorwurf der Sachbeschädigung.
Uns liegen Zeugenaussagen vor, daß der Zivilpolizist, der später in die Rauferei verwickelt war, maßgeblich an der Beschädigung von Rohren beteiligt war – und andere aufgefordert hat, mitzumachen. Das wird zur Anzeige kommen. Womöglich war sogar der Auslöser des Konflikts, daß Demonstranten ihn davon abhalten wollten, wobei seine Waffe entdeckt wurde. Das haben wir noch nicht lückenlos dokumentiert, aber wir arbeiten daran.

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte nach den Vorkommnissen, er bange um das Ansehen der Protestgegner. Wie ist Ihre Sicht dazu?
Zunächst sind die Falschaussagen aus den Reihen der Polizei zu verurteilen. Das beginnt mit der Aussage des neuen Polizeipräsidenten Thomas Züfle, nach der Explosion des Böllers sei das Baugelände gestürmt worden. Eindeutig befanden sich schon zuvor mehrere hundert Demonstranten auf dem Gelände. Die Geschichte mit dem Zivilpolizisten ist bedenklich. Die offizielle Darstellung lautet, er habe Personalien kontrolliert. Da fragen wir uns, warum das nicht die uniformierten Polizisten taten, die keine 50 Meter entfernt standen. Fragwürdig ist auch, daß sie trotz des großen Personalaufgebots die angeblichen Saboteure nicht dingfest gemacht haben. Es muß sorgfältig geprüft werden, was vorgefallen ist. Da darf es keine Vorverurteilungen nach dem Motto »Der Widerstand wird gewalttätig« geben. Das erwarten wir auch vom Ministerpräsidenten. Es wurde viel zerstört – jetzt ist zu klären, durch wen, und wie es dazu kam.

Hätten Sie von der grün-roten Landesregierung mehr erwartet als unverbindliche Appelle an die Bahn, den Bau zu stoppen?
Die Bahn AG hat in der Planfeststellung falsche Angaben zu den Grundwassermengen gemacht und insofern kein Baurecht. Obwohl Experten und Gutachter das bestätigen, baut sie ungeniert weiter. Unsere Ingenieure haben festgestellt, daß dort lagernde Rohre von innen rosten und völlig ungeeignet für Grundwasserleitungen sind. Die Wut darüber hat sich aber nicht blindwütig geäußert. Am Montag abend sind die Menschen gelassen in Feierabendstimmung auf das Gelände geströmt. Sie wollten ein Zeichen setzen: »Wir stoppen diesen Bau, er ist widerrechtlich.« Das erwarten wir von der Landesregierung und vor allem von der Bundesregierung, denn die ist für die bundeseigene Bahn und für Bahninfrastruktur verantwortlich.

Quelle: www.jungewelt.de vom 24.06.11

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 24. Juni 2011 um 10:08 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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