Wolfgang Huste Polit- Blog

»Verfassungsschutz ist Teil des Problems«. Antifaschisten publizieren Brisantes zur Neonaziszene Sachsens. Die Linke fordert Konsequenzen. Gespräch mit Kerstin Köditz. Interview: Markus Bernhardt. Kerstin Köditz ist Landtagsabgeordnete der sächsischen Linksfraktion und deren Sprecherin für antifaschistische Politik

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Am Sonntag haben Antifaschisten Beiträge aus dem internen Forum des neofaschistischen »Freien Netzes« veröffentlicht, die einen tiefen Einblick in das Innenleben der militanten braunen Szene gewähren. Wie schätzen Sie die publizierten Datensätze ein?
Es ist äußerst brisantes Material, bezeichnend für die latente Gewalttätigkeit dieser konspirativen Kaderorganisation. Wenn jemand aus dem Führungszirkel erklärt, man habe am Rande der jährlichen Neonazidemonstration in Dresden einen Überfall auf eine Polizeiwache durchführen und diese abfackeln wollen, und der heutige stellvertretende Landesvorsitzende der NPD darauf wörtlich antwortet: »Ohne einen abzustechen? Ist ja langweilig«, dann ist das an Deutlichkeit kaum noch zu überbieten.

Wenn man außerdem berücksichtigt, daß das »Freie Netz« in der Vergangenheit Veranstaltungen mit militanten Neonazis wie Karl-Heinz Hoffmann, Gottfried Küssel oder Peter Naumann durchgeführt hat, muß man befürchten, daß sich hier unter dem Dach der NPD eine kriminelle Vereinigung entwickeln könnte.

Aus den veröffentlichten Forenbeiträgen geht hervor, daß das »Freie Netz« offenbar über eine enge Anbindung an die sächsische NPD bzw. deren Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« (JN) verfügt. Wie bewerten Sie diese Kontakte der neofaschistischen Partei, die mit acht Abgeordneten eine Fraktion im sächsischen Landtag stellt?
Der JN-Landesvorsitzende ist selbst Führungskader des »Freien Netzes«, ebenso der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Maik Scheffler. Etliche aus dieser Struktur verdienen ihr Geld über die NPD oder deren Fraktion, andere haben Mandate für sie inne. Die Forenbeiträge zeigen deutlich, daß das »Freie Netz« die innerparteiliche Entwicklung der sächsischen NPD intern plant, sie beeinflußt. Nicht zuletzt durch den Mitgliederverlust in den vergangenen Jahren ist der Landesverband auf Gedeih und Verderb auf die Aktivisten des »Freien Netzes« angewiesen. Diese allerdings haben keinerlei Loyalität gegenüber der NPD selbst. Auch das ist in dem Forum nachzulesen. Die NPD stellt die Ressourcen zur Verfügung, die das »Freie Netz« dann nutzt.

Die NPD führt am kommenden Wochenende ihren Bundesparteitag durch, bei dem Holger Apfel, Vorsitzender der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, für den Bundesvorsitz der Partei kandidiert. Könnten die aktuellen Veröffentlichungen daran etwas ändern?
Apfel wird kandidieren und vielleicht auch gewählt werden. Aber er wird sich weniger als bisher als gemäßigt im Vergleich zu Udo Voigt darstellen können. Er ist verantwortlich dafür, daß diese militanten Kräfte in der NPD beständig einflußreicher wurden. Er als Fraktionsvorsitzender ist verantwortlich dafür, daß einige Kader bei der Fraktion der NPD beschäftigt sind. Diese Kräfte sind weniger dämlich als die Karikaturnazis um Udo Voigt, also erheblich gefährlicher. Er kann sich aber, wie deren interne Diskussionen zeigen, ihrer dauerhaften Unterstützung keineswegs sicher sein. Die NPD wird dann einen Parteivorsitzenden haben, der erpreßbar ist.

Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit stets betont, daß es sich beim »Freien Netz« lediglich um ein Internetportal handelt. Trägt es aufgrund seiner offensichtlichen Ignoranz der Neonaziszene eine Mitverantwortung am Erstarken militanter Faschisten in Sachsen?

Der sächsische Verfassungsschutz ist nicht Teil der Lösung des Problems, er ist selbst Teil des Problems. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder, sie haben gewußt, was sich in der NPD und beim »Freien Netz« tut. Dann haben sie jahrelang die Öffentlichkeit und den Landtag belogen. Oder aber sie haben es wirklich nicht gewußt. Dann ist das der Gipfel der Unfähigkeit und sollte Grund genug sein, den Schlapphüten keinen Cent aus Steuergeldern mehr zu geben. So oder so ist die Ablösung des Verfassungsschutzpräsidenten überfällig.

Wie wird die Linksfraktion diesen neuerlichen Skandal parlamentarisch aufarbeiten?

Wir werden zeitnah zur weiteren Aufklärung der Vorgänge Anträge in den Landtag einbringen. Vom Innenminister Markus Ulbig (CDU) erwarten wir, daß er am Donnerstag im Innenausschuß ausführlich Stellung zu den Enthüllungen von »Gamma« nehmen wird. Ich bin gespannt, auf welche Weise er wieder einmal versuchen wird, jegliche Verantwortung von sich wegzuschieben.

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.11.11

Dieser Beitrag wurde am Montag, 07. November 2011 um 10:46 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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