Am Donnerstag hat ein neuer Generalstreik weite Teile des griechischen Wirtschaftslebens für 24 Stunden lahmgelegt. Es war der sechste Generalstreik seit Jahresbeginn, der dreizehnte seit Verabschiedung der ersten Austeritätsmaßnahmen in Griechenland Anfang 2010 und der erste unter der eingesetzten Regierung von Banker Loukas Papadimos. Nach Angaben der aufrufenden Gewerkschaftsdachverbände der privaten Wirtschaft (GSEE) und des öffentlichen Dienstes (ADEDY) lag die Beteiligung wie bereits bei vergangenen Generalstreiks in wichtigen Großunternehmen, bei den teilstaatlichen Schlüsselindustrien und im öffentlichen Dienst bei über 80 Prozent.
Schulen, Universitäten, Behörden und viele Bankfilialen blieben geschlossen, in den Krankenhäusern wurden nur Notfälle behandelt. Während landesweit der Fernverkehr mit Schiff und Bahn ruhte, arbeiteten die öffentlichen Nahverkehrsmittel in den großen Städten nur, um die Streikenden zu den Kundgebungen zu transportieren. Öffentliche und private Medien hatten ihren allgemeinen Streik auf den Vortag gelegt, so daß am Donnerstag selbst keine einzige Tageszeitung erscheinen konnte.
»Die Regierung hat gewechselt, die Politik aber ist immer noch genauso ungerecht, ungleich und ineffizient«, erklärte GSEE-Vorsitzender Giannis Panagopoulos auf der Streikkundgebung der Dachverbände in Athen. Besonders von dieser Ungerechtigkeit betroffen sind etwa 30000 öffentliche Angestellte, die von der neuen Regierung bis zum Ende des Jahres in die Frührente geschickt werden. »Bei uns sollen 200 Leute gehen«, erklärt ein Angestellter der Griechischen Flugzeugwerke im Gespräch mit junge Welt. »Alle über 53 bekommen für zwei Jahre 60 Prozent ihres Grundgehaltes und gehen danach in Rente.« Für die Betroffenen bedeutet das eine plötzliche Reduzierung ihres Einkommens um weit mehr als 40 Prozent, da ihr Grundgehalt in der Regel nicht mehr als die Hälfte des Monatslohns ausmacht. Eine Chance auf eine neue Stelle hat ein über 50jähriger schon unter Normalbedingungen nicht. Geschweige denn bei einer offiziellen Arbeitslosigkeit von über 18 Prozent und Zehntausenden Kollegen, die gleichzeitig das selbe Schicksal erleiden.
Auf der gleichzeitigen Kundgebung der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME mit wesentlich mehr Teilnehmern in Athen berichtete Nikos Harokopos von einem der härtesten Arbeitskämpfe, der derzeit in Griechenland geführt wird. Seit über einem Monat streikt die komplette Belegschaft der griechischen Stahlwerke gegen Entlassung und Lohnkürzungen. Der entschlossene Kampf der Stahlarbeiter hat eine auch in Griechenland beispiellose Welle der Solidarität erzeugt. Diese bot die PAME am Donnerstag auch international an. »Wir erklären uns solidarisch mit dem schwierigen und harten Klassenkampf in euren Ländern«, hieß es in einer verlesenen Botschaft der PAME an »die Arbeiterklasse in den Ländern Europas«. »Ihr sollt wissen, daß jede eurer Mobilisierungen und jeder eurer Kämpfe uns neuen Anschub und neue Kraft gibt, unseren Kampf noch entschlossener fortzusetzen.« Die Situation in Griechenland sei keineswegs einzigartig. »Wir erleben einen allgemeinen Angriff, der unser Leben und unsere Arbeitsbedingungen ins vergangene Jahrhundert zurückwirft.« Mitverantwortlich für diese Angriffe sei auch die Politik der Sozialpartnerschaft, wie sie vom Internationalen und vom Europäischen Gewerkschaftsbund vertreten werde.
Quelle: www.jungewelt.de vom 02.12.11
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