Am Mittwoch ist es in ganz Großbritannien zu wilden Streiks, Blockaden und Besetzungen durch Tausende Elektriker gekommen. Der Protest richtete sich gegen geplante Lohnkürzungen um 35 Prozent. Sieben große Baufirmen des Landes wollen aus dem bisher gültigen Tarifsystem aussteigen. Insbesondere jüngere Generationen werden davon betroffen sein, da deren Ausbildung durch das geplante Modell massiv verschlechtert wird. Die Aktion am Mittwoch zielte speziell auf das Unternehmen Balfour Beatty. In dessen Belegschaft gab es eine Urabstimmung, bei der 80 Prozent aller befragten Arbeiter für einen Streik stimmten. Daraufhin zog das Unternehmen vor Gericht und erwirkte eine gerichtliche Verfügung.
Britische Antigewerkschaftsgesetze machen legale Streiks sehr kompliziert, teilweise unmöglich. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren deshalb zu wilden Streiks in verschiedenen Branchen, zum Beispiel bei der Post, vor allem aber in der Bauindustrie. Auf den 7. Dezember hatten sich landesweit koordinierte Basiskomitees vorbereitet. Ob legal oder nicht, allen war klar, daß es an diesem Tag zu einem landesweiten Streiktag gegen Balfour Beatty kommen würde.
In London setzte die Polizei Hundestaffeln gegen Arbeiter ein, die eine Baustelle an der U-Bahnstation Blackfriars blockierten. Es gab Rangeleien, schließlich wurde auch die Straße besetzt. Berichten zufolge ging an diesem Tag kein Elektriker auf diese Baustelle. Solidarität gab es unter anderem von führenden Vertretern der Transportarbeitergewerkschaft RMT und vom National Shop Stewards Network.
In Glasgow besetzten 150 Elektriker zeitweilig die Firmenzentrale von Balfour Beatty. In Yorkshire wurde eine Ölraffinerie blockiert, die Nachtschicht trat in den Streik. In Manchester wurden drei der vier Eingangstore zur Großbaustelle am Rathaus blockiert, anschließend stürmten die Elektriker eine Stadtratssitzung.
Der Aktionstag der Elektriker kommt genau eine Woche nach dem Generalstreik im öffentlichen Sektor, an dem sich bis zu drei Millionen Menschen beteiligt hatten. In den britischen Medien werden die Kämpfe der Elektriker seit Wochen totgeschwiegen. Dennoch haben die Kämpfer in der Bauindustrie bereits Erfolge erzielt. Sieben Firmen verloren aufgrund der dauernden Unterbrechungen durch Streiks und Besetzungsaktionen bereits einige Bauaufträge. Außerdem gibt es auf einigen Baustellen nun neugewählte Vertrauensleute. Gerade dies war immer ein Problem in diesem Industriezweig. Tausende gewählte Vertrauensleute stehen auf schwarzen Listen der Unternehmen und finden deshalb keine Arbeit. Statt dessen gibt es vielerorts von den Unternehmern eingesetzte Vertrauensleute, die deren Interessen vertreten. Die Streikbewegung der Elektriker hat hier erste Breschen geschlagen. Die Offensive der Unternehmen ist ins Stocken geraten.
Für die nächste Zeit ist eine Ausweitung der Aktionen auf andere Baukonzerne geplant. Die Gewerkschaft UNITE startete eine Wiederholung der Urabstimmung. Das Ergebnis der Abstimmung wird aber erst am 6. Januar zur Verfügung stehen.
Unterdessen gehen auch in anderen Bereichen die Arbeitskämpfe weiter. So kündigten die 2500 Beschäftigten des Unilever-Konzerns für den heutigen Freitag einen Streik gegen Angriffe auf ihre Betriebsrenten an. Der Konzern will diese Renten um 40 Prozent kürzen. Es wäre der erste Ausstand bei Unilever auf britischem Boden.
Hinter dem Verschweigen der Aktionen durch die britische Presse steckt das Interesse des Staates und der Wirtschaft, einen Zusammenschluß zwischen öffentlichem und privatem Sektor unter allen Umständen zu verhindern. Doch gerade dies wird immer wahrscheinlicher. Im öffentlichen Sektor wächst bereits der Druck, den Generalstreik zu wiederholen und auf privat Beschäftigte auszuweiten. Der schottische Regionalrat der UNISON-Gewerkschaft verfaßte eine Resolution, in welcher der britische Gewerkschaftsbund zur Organisation eines weiteren Generalstreiks am 25. Januar aufgefordert wird. Ähnliches wurde bereits auch in Ortsgruppen anderer Gewerkschaften laut. Der Widerstand gegen Cameron und seine Freunde in Industrie und Finanz rollt an.
Quelle: www.jungewelt.de vom 09.12.11
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