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Herdprämie macht doof. Von Ralf Wurzbacher

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Kinderbetreuung zu Hause findet nicht selten vor der Glotze stat
Kinderbetreuung zu Hause findet nicht selten vor der Glotze statt
Foto: dpa
Als wäre das Gezänk innerhalb der Koalition um das Betreuungsgeld nicht schon groß genug, wird das Projekt nun auch noch von der Wissenschaft zerpflückt. Die Schelte durch Experten ist an sich nichts Neues, zuletzt erst hatte die OECD gegen das Vorhaben gewettert. Nur diesmal kommt die Abfuhr im Regierungsauftrag. Der vierte nationale Bildungsbericht warnt ausdrücklich vor der Umsetzung der Pläne, weil damit die Ziele beim Krippenausbau in punkto Finanzen und Qualität konterkariert würden. Die vom Bund und der Kultusministerkonferenz (KMK) bei namhaften Fachleuten bestellte Studie wird im Zweijahresrhythmus veröffentlicht und am Freitag offiziell vorgelegt.

Die zentrale Botschaft ging schon am Mittwoch durch die Presse. In dem Report, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitierte, heißt es: Der Ausbau der Kindertagesstätten, die Einlösung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige sowie die dringend notwendigen qualitativen Verbesserungen in Kinderkrippen und Kindergärten stellten den Staat jetzt schon vor erhebliche finanzielle Herausforderungen. Im Falle zusätzlicher Leistungen – wie dem Betreuungsgeld – bestehe die Gefahr, daß keines der angestrebten Ziele zufriedenstellend erreicht werden kann. Nach den Regierungsplänen sollen ab dem kommenden Jahr zunächst 100 Euro monatlich für Einjährige und in den Folgejahren 150 Euro für Ein- und Zweijährige fällig werden, wenn die Eltern ihre Kleinen auf eigene Faust zu Hause betreuen.

Die Wissenschaftler verweisen auf eine Reihe von Untersuchungen, die den Nutzen frühkindlicher Erziehung in Betreuungseinrichtungen belegten. Kinder, die vor ihrer Einschulung mindestens drei Jahre lang eine Kita besuchten, verfügten demnach in der vierten Schulklasse beim Lesen und beim Textverständnis in der Regel über einen Lernvorsprung von einem Jahr. Erhebliche Lernvorsprünge fänden sich »auffällig« auch bei Kindern aus »problematischen Elternhäusern« oder aus Migrantenfamilien. Der quasi regierungsamtliche Verriß durch die nationalen Bildungsberichterstatter verschafft den Kritikern neuen Rückenwind. »Die Liste an fachlich fundierter Kritik am Betreuungsgeld wird immer länger«, stichelte gestern die Vizefraktionschefin der Grünen im Bundestag Ekin Deligöz. Zwei Drittel der Bevölkerung, die Mehrheit der Familien- und Sozialverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeber wendeten sich gegen die »Kita-Fernhalteprämie«.

Danach sieht es aber nicht aus. Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU), deren Partei die »Reform« auf Gedeih und Verderb durchsetzen will, deutete das Expertenurteil gestern kurzerhand nach ihrem Gutdünken um: »Der Bericht hebt zu Recht die zentrale Funktion von Eltern heraus«, meinte sie. Das Betreuungsgeld sei deshalb »eine Investition in Bildung und daher unentbehrlich im Bildungssetting«. Von der FDP stammt der Vorstoß, das Gesetz im Bundestag zu beschließen, die Verwendung der Gelder jedoch den Ländern zu überlassen. Noch unsinniger ist der Kompromißvorschlag vom Obmann der Unionsfraktion im Familienausschuß, Markus Grübel (CDU). Den Stuttgarter Nachrichten vom Mittwoch sagte er: »Ich halte es für sinnvoll, ein Wahlrecht zwischen der Barauszahlung des Betreuungsgeldes und einem Gutschein für den Abschluß einer Riester-Rente einzuführen.« Die Finanzwirtschaft wird es mit Freuden vernommen haben.

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.06.12

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 21. Juni 2012 um 08:46 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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