Die Bundesrepublik verfügt über 19 offiziell bekannte Geheimdienste (16 Landesämter und ein Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst). Ihr Ursprung liegt im Gründungszweck des Staates: Laut erster Präambel des Grundgesetzes Revision der Niederlage des faschistischen Deutschland von 1945 und Wiederherstellung der Grenzen von 1937. Die seit Ende der 40er Jahre angestrebte, offiziell 1956 gegründete Bundeswehr sollte – möglichst mit Atomwaffen ausgestattet – dabei eine entscheidende Rolle spielen. Staatsräson war: »Lieber tot als rot.« Kriegsverbrecher, Judenmörder, Gaswagenerfinder standen dementsprechend auf den Lohnlisten von Armee, Sicherheitsbehörden und Justiz.
1990 war der »Endsieg« erreicht, die Einrichtungen blieben. Die vergrößerte Bundesrepublik verzeichnete bei der Zerschlagung Jugoslawiens 1990/1991 einen ersten »Sieg« (Helmut Kohl) und nahm mit Hilfe von SPD und Grünen 1999 an einem illegalen NATO-Luftkrieg teil. Kanzler Gerhard Schröder bezeichnete 2002 die »Enttabuisierung des Militärischen« als eine der wichtigsten Leistungen seiner Amtstätigkeit.
Die flankierende Enttabuisierung des Neofaschismus hatte zu diesem Zeitpunkt längst stattgefunden. Antisemitismus, Neonazismus und Gewalt gegen Ausländer waren in der veröffentlichten Meinung längst zu einem ausschließlichen Erbteil der DDR erklärt worden. Es bedurfte nicht des Todes zweier Neonazis und Bankräuber am 4. November 2011 in Eisenach, um zu der Feststellung zu gelangen: Die deutschen Geheimdienste halten sich mindestens eine neofaschistische Partei, sie haben seit 1990 systematisch Neonazitrupps in Ostdeutschland aufgebaut – nicht zuletzt, um Linke zu bekämpfen, deren Kraft zu absorbieren und ihre Ideen zu tabuisieren. Wenn von etwa 140 Mitgliedern des »Thüringer Heimatschutzes« bis zu 40 kurz- oder langfristig Geheimdienstmitarbeiter waren, dann ist das Bekanntwerden dieser Fakten bemerkenswert, aber höchstens ein kleines Bruchstück der Wahrheit.
Immer noch ist von »Pannen« oder »Wegsehen« der Behörden die Rede. Es handelt sich um Nebelwerfen und Für-Dumm-Verkaufen angesichts der Tatsache, daß der Verteidigungsminister ein halbes Jahr lang seine Kenntnis von der MAD-Akte zu Uwe Mundlos dem Parlament vorenthielt. Die Frage nach einem »tiefen Staat« ist scheinheilig. Es ist der »normale« Staat der Bundesrepublik, der hier so handelt, wie er konzipiert wurde.
Am vergangenen Wochenende fand im sächsischen Freiberg der »Tag der Sachsen« statt. Fast eine halbe Million Besucher wurde gezählt. Im Festumzug am Sonntag nahmen wie im Vorjahr die »Militärfreunde Sachsen« teil. Sie paradierten in Fahrzeugen der Wehrmacht und trugen deren Uniformen. Berichtet wird, daß ein Wegweiser mit der Aufschrift »Moskau« zu sehen war. Fröhliche Enttabuisierung des Faschismus überall.
Quelle: www.jungewelt.de vom 14.09.12
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