Wolfgang Huste Polit- Blog

Terror in Hellas. Im Gefolge von Krise und Austeritätsdiktat erstarken die Faschisten in Griechenland. Motor der Gewalt gegen Migranten und Linke ist die Organisation »Chrysi Avgi«. Von Thomas Eipeldauer

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Wenn Neuankömmlinge vor ihm stehen, zeigt Yunus Mohammadi ihnen eine Karte von Athen. Darauf sind rote Linien eingezeichnet, die umrandeten Gebiete sollten Ausländer meiden. Früher habe er in Afghanistan dem Roten Kreuz ebensolche Karten zur Verfügung gestellt, erzählt der Präsident der Vereinigung der Afghanen in Griechenland der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Vorstellbar war es für ihn nicht, daß er mitten in Europa erneut solche Orientierungshilfen würde anfertigen müssen.

Innerhalb der eingezeichneten No-Go-Areas treiben die faschistischen »Bürgerwehren« ihr Unwesen, Banden junger Männer, deren einziges Ziel Gewalt und Terror gegen alles ist, was ihrer Ansicht nach nicht nach Hellas gehört: Ausländer, Muslime, Linke. Die Überfälle folgen immer demselben Muster: Gruppen schwarzgekleideter Vermummte, bewaffnet mit Flaschen, Knüppeln, Eisenstangen, jagen meist einzelne Menschen.

Der Motor des Anstiegs rassistischer und antilinker Gewalttaten ist die Organisation »Chrysi Avgi«, »Goldene Morgendämmerung«. Vor der Krise und dem von der EU-Troika aufgenötigten Kaputtsparen des Landes lag die Neonazitruppe um ihren Chef Nikolaos Michaloliakos in der Wählergunst weit unter der Ein-Prozent-Marke. Mittlerweile sehen Umfragen sie bei über zehn Prozent. Ihre schwarze Hemden tragenden Schlägergarden sind um ein Vielfaches größer und präsenter geworden. Ihr Programm ist klassisch faschistisch: Blut-und-Boden-Ideologie, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Haß auf alles »Nichtgriechische«, außenpolitischer Expansionsdrang, Führerprinzip, militaristisches Säbelrasseln, Hitler und Alfred Rosenberg als Referenzfiguren.

Und der Staat? Die enge Verbindung von Polizei und Neofaschisten, vor allem in Athen, ist längst kein Geheimnis mehr. Unter Polizisten erreicht »Chrysi Avgi« signifikant bessere Wahlergebnisse. Er denke, es seien nun »mehr als 50, 60 Prozent der Polizisten, die uns folgen, vielleicht mehr, ihre Zahl wächst jeden Tag«, brüstet sich Ilias Panagiotaros, Eigentümer eines Hooliganshops und Parlamentsabgeordneter der Nazipartei.

Dennoch hat »Chrysi Avgi« kaum eine Chance, stimmenstärkste Partei zu werden, und auch in den Betrieben ist ihr Einfluß eher gering. Eine Machtergreifung über Wahlen oder Streiks ist ihr auf mittlere Frist sicher nicht möglich. Plausibel ist aber, daß ihre Strategie eine andere ist: durch zunehmende Gewalt das Eingreifen des Staates, im äußersten Fall des Militärs, zu provozieren.

Im Interview mit der britischen BBC spricht Ilias Panagiotaros Klartext: Das Land sei reif für »einen neuen Typ von Bürgerkrieg. Auf der einen Seite werden Nationalisten wie wir und Griechen, die unser Land so haben wollen, wie es einst war, stehen – und auf der anderen Seite werden illegale Immigranten und Anarchisten und all jene stehen, die Athen und Griechenland schon mehrfach zerstört haben.«

Doch in Griechenland sind zugleich zumindest potentiell auch die Mittel vorhanden, um der Morgendämmerung einen raschen Sonnenuntergang zu bereiten: Sollten sich die Kräfte auf der Linken – KKE, SYRIZA, Antarsya und die Linksradikalen – auf einen gemeinsamen Kurs einigen können, würde man schwarze Hemden mit runenähnlichen Buchstaben wohl wieder seltener im Stadtbild Athens zu Gesicht bekommen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.12.12

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 07. Dezember 2012 um 15:52 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Die politische bzw. soziale Situation in Giechenland zeigt abscheckend auf, was uns in Deutschland blüht (und in anderen Ländern), wenn die Faschisten und Rassisten noch stärker, noch aggressiver, wie gehabt in der Öffentlichkeit auftreten. „Wehret den Anfängen!“. Überall und täglich!

    Comment: Wolfgang Huste – 07. Dezember 2012 @ 15:56

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