Wolfgang Huste Polit- Blog

Erfolgreich verdrängt. Hunderte protestierten in Berlin gegen Zwangsräumung einer fünfköpfigen Familie. Miete war bereits nachgezahlt. Gerichtsvollzieherin war als Polizistin verkleidet. Von Claudia Wangerin

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Nach 35 Jahren in der Lausitzer Straße 8 in Berlin-Kreuzberg und dem gescheiterten Versuch einer Zwangsräumung im Oktober mußte Ali Gülbol am Donnerstag morgen doch die Wohnungsschlüssel seiner Familie an eine Gerichtsvollzieherin übergeben. Er leistete keinen Widerstand, bezeichnete die Räumung aber als Unrecht. »Ich wurde wie ein Krimineller behandelt.« Dabei habe er die vom Eigentümer geforderten Mietnachzahlungen inzwischen geleistet und werde nun in die Obdachlosigkeit abgeschoben. Als der 41jährige Malermeister mit seiner Frau Necmiye die heute fünfköpfige Familie gegründet hatte, waren sie 1999 in eine neue Wohnung im selben Haus gezogen, in dem er bereits mit seinen Eltern gewohnt hatte.

Nach einer Mietsteigerung um 100 Euro hatten Ali und Necmiye Gülbol zunächst nicht den erhöhten Betrag gezahlt, dann eine Nachzahlung nicht fristgemäß überwiesen. Hauseigentümer André Franell kündigte daraufhin die Wohnung. In deren Modernisierung hatte die Familie viel Arbeit und Geld gesteckt. Mit dem Vorbesitzer war vereinbart, sie später zu kaufen. Die Miete sollte bis dahin nicht steigen. Franell erwarb das Haus 2006 bei einer Zwangsversteigerung.
Hunderte Demonstranten, teils Nachbarn, protestierten am Donnerstag gegen die Vollstreckung des Räumungstitels vom August 2012. Einige versuchten, mit einer Sitzblockade die Räumung zu stoppen. 100 Polizisten waren vor dem Hauseingang in der weiträumig abgesperrten Lausitzer Straße, weitere 400 in der Umgebung im Einsatz. Sie hatten bereits um 6.00 Uhr das Haus »gesichert«, zu dem sie sich über den Hinterhof Zugang verschafften, während sich 50 bis 100 Blockierer vor dem Eingang versammelt hatten. Die Gerichtsvollzieherin traf gegen 9.00 Uhr ein – sie hatte sich eine Polizeimütze aufgesetzt und eine Polizeiweste übergezogen. Ein Polizeisprecher wollte dies auf jW-Anfrage nicht kommentieren.

Rund 1000 Menschen beteiligten sich nach der Räumung an einer Spontandemonstration, gegen die Polizisten einschritten und mehrere Personen festnahmen. Von Beamten waren Sprüche wie »Ich hab keinen Bock mehr« und »Scheiß drauf, wir nehmen jetzt einfach irgendwen fest« zu hören. Im Polizeibericht hieß es später, die Proteste seien »überwiegend friedlich« verlaufen. »Dennoch mußten Polizeibeamte kurzzeitig Pfefferspray einsetzen«. Zehn seien »leicht verletzt« worden, »konnten aber im Dienst verbleiben«. Der Berliner Linken-Abgeordnete Hakan Tas kündigte an, die aus seiner Sicht unverhältnismäßige Polizeiaktion zum Thema im Abgeordnetenhaus zu machen. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Berlin erklärte, mit der Blockade stehe die Berliner Mieterbewegung an einem Wendepunkt: »Protest schlägt um in konkreten Widerstand.«

Quelle: www.jungewelt.de vom 15.02.13

 

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 15. Februar 2013 um 00:08 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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