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Apotheke für Arme. Pharmariese Bayer will entgegen der Entscheidung eines Patentprüfungsausschusses indischem Unternehmen Produktion eines erschwinglichen Krebsmedikaments untersagen. Von Hilmar König

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Indiens Patentprüfungsausschuß in Chennai hat in der vergangenen Woche ein Urteil aus dem Jahr 2012 bekräftigt: Danach darf der einheimische Arzneimittelhersteller Natco in Hyderabad weiter das von ihm unter Pflichtlizenz produzierte Krebsmedikament Nexavar vertreiben. Dabei handelt es sich um ein generisches Erzeugnis, für das die deutsche Bayer AG ein Patent besitzt. Dieses gilt in ­Indien bis zum Jahre 2020. Doch auf der Basis von Regelungen der Welthandelsorganisation (WTO) erteilte Indiens Generaldirektor für Patente, Design und Handelsmarken im Frühjahr 2012 der Firma Natco eine Sondergenehmigung, die sogenannte Pflichtlizenz. Das ist möglich, weil Bayers Originalprodukt für die meisten indischen Patienten unerschwinglich ist und auch nicht ausreichend angeboten werden konnte. Eine Monatsdosis von 120 Tabletten des Medikaments kostet bei Bayer 280000 Rupien, bei Natco hingegen 8800 Rupien. Selbst das ist für sehr viele Inder weit mehr als ein Monatslohn.Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat die Bestätigung aus Chennai vorbehaltlos begrüßt. Oliver Moldenhauer, ihr Medienkoordinator in Deutschland, erklärte: »Die Entscheidung stärkt Zwangslizenzen als wichtiges Instrument zum Schutz der öffentlichen Gesundheit … Patente machen lebenswichtige Medikamente für Patienten in armen Ländern oft unbezahlbar, während die Konkurrenz durch Generikahersteller schnell und nachhaltig für deutlich niedrigere Preise sorgt.« Nun komme es darauf an, daß Indien und andere ärmere Länder das Instrument der Zwangslizenzen stärker einsetzen. Dann könnten bald auch neuere HIV- bzw. AIDS-Medikamente von Generikaproduzenten zu einem Bruchteil des Originalpreises hergestellt werden. Für bedürftige Patienten in Indien und anderen Entwicklungsländern sei das eine gute Nachricht.

Das Wertvolumen des indischen Arzneimittelmarktes wird auf mindestens 13 Milliarden Dollar geschätzt. 90 Prozent aller Medikamente sind Generika, die nicht nur für den Eigenbedarf hergestellt, sondern auch im Ausland vermarktet werden. Deshalb spricht man auch von der indischen »Apotheke der Armen«. Sie versorgt sowohl etliche Gesundheitsprogramme in Entwicklungsländern als auch zahlreiche Hilfsorganisationen mit kostengünstigen generischen Pharmaka. Mehr als 80 Prozent der AIDS-Medikamente, mit denen Ärzte ohne Grenzen weltweit 220000 Patienten behandelt, sind relativ billige Nachahmerpräparate aus Indien.

Der Patentprüfungsausschuß in Chennai hatte sich um eine ausgewogene Entscheidung bemüht und die Lizenzgebühren, die Natco an Bayer zahlt, von sechs auf sieben Prozent der Verkaufserlöse erhöht. Doch der deutsche Pharmariese will vor ein Gericht in Mumbai ziehen und das Chennai-Urteil anfechten. Ein Firmensprecher erklärte laut Times of India, man sei entschlossen, das Patent für Nexavar zu schützen und »weiterhin rigoros unsere intellektuellen Eigentumsrechte im Rahmen des indischen Rechtssystems zu verteidigen«.

An anderer Stelle heißt es in dem Statement, die Herausforderungen des indischen Gesundheitssystems hätten wenig oder gar nichts mit Patenten für Pharmazeutika zu tun. Vielmehr sei eine der Haupthürden der Mangel an adäquaten Gesundheitsdiensten und Infrastruktur, um Medikamente an die Patienten zu bringen, die sie am dringendsten brauchen. Eine solche Einstellung dürfte die Fronten eher verhärten. Aus der Firma Natco war zu hören, in Chennai sei eine vernünftige und detaillierte Entscheidung getroffen worden, die vor jedem Gericht Bestand habe.

Die Pharmamultis argumentieren, in ihre Preise seien eben auch die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten eingeflossen. Deshalb sollten Pflichtlizenzen nur in Katastrophenfällen ausgestellt werden. Sie beschweren sich besonders über Indien, das ihrer Einschätzung nach Patentrechte häufig unterläuft. Internationale Hilfsorganisationen halten dagegen, indische Generika seien schlichtweg Lebensretter in vielen Entwicklungsländern.

Quelle: www.jungewelt.de vom 11.03.13
Dieser Beitrag wurde am Montag, 11. März 2013 um 10:36 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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