Wolfgang Huste Polit- Blog

»Grundgesetz gilt nicht für uns«. Ein Flüchtling hat sich für die Schließung eines Lagers eingesetzt. Jetzt bekommt er Probleme. Ein Gespräch mit Miloud Lahmar Cherif Interview: Gitta Düperthal

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Miloud Lahmar Cherif aus Algerien ist in der Flüchtlingsorganisation »The voice« aktiv. Er und seine Frau haben Probleme mit der Ausländerbehörde Schmalkalden-Meiningen

Vergangenes Jahr haben Sie sich als einer der Sprecher der Flüchtlingsinitiative Zella-Mehlis (Thüringen) für die Schließung des dortigen Lagers eingesetzt. Wegen öffentlichen Drucks mußte die Ausländerbehörde Schmalkalden-Meinungen es Ende 2012 schließen. Seither macht Ihnen die Behörde Probleme …
Seit Ende vergangenen Jahres bekomme ich von der Behörde ständig Briefe, in denen mir und meine Frau Olesia mit Abschiebung gedroht wird. Aufgrund des ständigen Drucks ist Olesia psychisch erkrankt, sie leidet unter Panikattacken. Besonders belastet sie, daß die Behörde droht, uns getrennt abzuschieben, obwohl wir seit 2008 verheiratet sind: Olesia stammt aus der Ukraine, ich aus Algerien. Im März hat sie meine Frau erneut per Post aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Mich erreichte bereits Ende 2012 ein Schreiben, in dem hieß es, ich soll bei der »Beschaffung eines Identitätspapiers mitwirken« und mich mit der algerischen Botschaft in Verbindung setzen. Was bedeutet, daß man beabsichtigt, mich nach Algerien zurückzuschieben. Olesia mußte am Montag einen Termin im Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Hildburghausen vereinbaren. Weil wir nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, gilt der im Grundgesetz garantierte Schutz der Familie für uns nicht. Wir haben keine Rechte: Unsere Würde ist antastbar.

Wegen Schimmel, Feuchtigkeit, kaputter Heizungen sowie Sanktionen der Behörde gegen die dort lebenden Flüchtlinge ist das Lager jetzt geschlossen. Hängen Ihre Probleme mit Ihrem Engagement dafür zusammen?
Das weiß ich nicht. Aber seitdem häufen sich jedenfalls Schreiben, die mich unter Druck setzen. Am Freitag hat das Amtsgericht Meiningen mir Erzwingungshaft angedroht, weil ich 62 Euro nicht gezahlt habe. Nächste Woche soll ich die Haft antreten. Der Grund war, daß ich den Landkreis Schmalkalden-Meiningen 2010 ohne Erlaubnis der Behörde verlassen hatte. Das Gericht hat das auf Antrag des Landratsamts verfügt. 2011 hatte das Amt bereits einen solchen Antrag nach öffentlichen Protesten zurückgezogen. Damals hatte ich die Strafzahlung verweigert und öffentlich erklärt: »Meine Freiheit steht nicht zum Verkauf – die Residenzpflicht gehört abgeschafft!« Im Schreiben der Behörde hieß es: »Der Fachbereichsleiter Ordnung und Sicherheit, Herr Bernhardt, habe sich entschlossen, in Ihrem Fall auf die Anwendung des Zwangsmittels »Erzwingungshaft zur Durchsetzung der gegen Sie bestehenden rechtskräftigen Forderung zu verzichten.« Daran scheint man sich nicht zu erinnern. Innerhalb einer Woche muß ich zahlen – oder in den Knast; man hat mir mitgeteilt, die geforderten 62 Euro selbst dann obendrein aufbringen zu müssen. Knallharte Linie.

Weder die neue Leiterin der Behörde Susanne Seum noch die zuständige Fachbereichsleiterin Manuela Kühhirt waren am Dienstag für eine Auskunft gegenüber junge Welt zu erreichen …
Mir hatte die Behördenmitarbeiterin mitgeteilt, daß sie nach der Schließung des Lagers Zella-Mehlis viel Zeit habe. Die will man offenbar nutzen, um politische Aktivisten zu verfolgen. Die Behörde hat begonnen, mir das Leben schwer zu machen, nachdem ich an der Universität llmenau mein Vorfachstudium Deutsche Techniksprache mit guten Resultaten abgeschlossen hatte.Während meiner Klausuren begann der amtliche Terror. Ich bin weiterhin als Student immatrikuliert. Im Herbst will ich ein Informatikstudium aufnehmen.

Stehen Sie mit den Problemen allein da?
Keineswegs, Treffen von Aktivisten finden statt, um sich mit mir und Olesia zu solidarisieren. Sie wollen flexibel reagieren, falls das Gespräch mit der Ausländerbehörde nicht positiv verläuft, zu dem wir am Mittwoch, 17. April, um 10 Uhr geladen sind: Studierende der Uni Ilmenau, Aktivisten der Flüchtlingsorganisation »The Voice«, des Flüchtlingsrats Thüringen, etc.. Die Behörde will bei diesem Termin auch über »Ausreise-Angebote« reden – ja, Sie haben richtig gehört, so nennt man das, wenn man uns nötigen will, ins Herkunftsland zurückzukehren.

Quelle: www.jungewelt.de vom 10.04.13

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 10. April 2013 um 17:03 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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