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Braune rufen zur Lynchjusitz. Sachsen-Anhalt: Nach Anschlagsdrohung hetzen Neonazis massiv gegen Linke. Innenminister ­fordert Fluthelfer auf, potentielle Saboteure anzuzeigen. Von Susan Bonath

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Die »Deichfront« in den überfluteten Teilen Ostdeutschland gerät nach einer vermeintlichen Drohung mit Anschlägen auf die Elbeschutzwälle zum Politikum – mögliche Saboteure werden links verortet. Und Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht ist in Aufruhr. Er hat angekündigt, die Dämme nun verstärkt aus der Luft und vom Boden aus überwachen zu lassen. Helfer und Deichwachen forderte der CDU-Politiker zudem auf, »jegliche Erkenntnisse über Auffälligkeiten« sofort an Krisenstäbe und Polizei weiterzuleiten. Neonazis nutzen dies und die Elbeflut derweil, um ihre menschenverachtenden völkischen Ideologien zu verbreiten. Nicht nur, daß sie den »nationalen Heimatschutz« ausgiebig propagieren und dafür bereits den Dank von Magdeburgs SPD-Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) ernteten. Mittlerweile rufen NPD-Kader im Internet zur Selbstjustiz gegen »linkskriminelle« Deichsaboteure auf.

Hintergrund ist ein mysteriöses Schreiben, dessen Urheber bislang nicht identifiziert werden konnten. Auf der Internetplattform Indymedia, wo jeder Berichte publizieren kann, tauchte es am Wochenende kurzzeitig auf, wurde jedoch wieder entfernt. Unbekannte »bekennen« sich darin dazu, drei Deiche in Nordsachsen und Sachsen-Anhalt zerstört zu haben. Gleichzeitig kündigen sie weitere Sabotageaktionen an Elbdämmen an. Sie wollten »Deutschland leiden lassen« und »die Städte fluten«, heißt es es in diesem Brief. Auch wenn bisher niemand dessen Schreiber, der sich »germanophobe Flutbrigade« nennt, identifizierte, nimmt Innenminister Stahlknecht »die Drohung ernst«, wie er der Nachrichtenagentur dpa sagte. Er werde »alles tun, um die Deiche zu schützen«.

In welchem politischen Spektrum er den Absender vermutet, ließ Stahlknecht offen. Die Neofaschisten taten dies nicht. In einer auf der Internetseite der NPD Sachsen-Anhalt publizierten Mitteilung legte Parteimitglied Michael Grunzel fest: Das seien Linksextremisten, kriminelle Antifaschisten, die alle Deutschland haßten. Das mysteriöse Schreiben ist somit ein »gefundenes Fressen« für die braunen Kameraden, denen das Leben von Migranten oder Andersdenkenden bekanntlich überhaupt nichts wert ist. So hetzte Grunzel dann auch weiter: Jeder Deichsaboteur, auch jeder potentielle, dürfe seiner Ansicht nach »von jedermann festgenommen und der Polizei übergeben werden«. Und nicht nur das, er »vergleicht« zudem: Einem sich der Festnahme widersetzenden und flüchtenden Dieb dürfe zwar »nicht hinterhergeschossen werden«. Doch »wie sich der rechtliche Rahmen bei Tätern gestaltet, die vorsätzlich Millionenwerte zerstören wollen und dabei Menschenleben aufs Spiel setzen, sollte keiner weiteren Frage bedürfen«, ließ er unter der Rückendeckung seines NPD-Verbandes durchblicken.

Die Linke Jugend- und Hochschulgruppe Magdeburg bewertete das »Bekennerschreiben« am Montag als »alles andere als seriös«. So werde darin beispielsweise von »Germanophobie«, einem für rechte Kreise üblichen Duktus gesprochen. »Dieser Begriff taucht in linken Strukturen schlichtweg nicht auf«, resümiert die Gruppe. Sie vermutet: »Das war möglicherweise ein gezielter politischer Akt, um die Linke zu kriminalisieren.«

Auf den Hochwassernews-Seiten im sozialen Netzwerk Facebook hat das »Bekennerschreiben« derweil einen rechten Online-Mob zum Wüten gebracht. Kommentatoren lassen sich dort unter anderem über die kreativste Mordmethode für Deichschädlinge aus; sie überlegen etwa: »Gleich eine Kugel durch den Kopf!«, oder: »…einfach mal ertränken«. Für einen weiteren Kommentator gehört »das autonome Drecksvolk in die Gaskammer oder erhängt«.

Es sei nicht verwunderlich, so die Hochschulgruppe, wenn sich nach dem Aufruf der Neonazis nun Bürgerwehren zum Deichschutz nach NPD-Vorbild gründeten. Die Aufforderung Stahlknechts an Fluthelfer, »jegliche Erkenntnisse« an Stäbe und Polizei weiterzuleiten, biete Neonazis zudem ein fatales Podium für Lynchjustiz gegen Linke.

Quelle: www.jungewelt.de vom 11.06.13
Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 11. Juni 2013 um 00:51 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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