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In Zugzwang gebracht. Die Schwarze Pädagogik in den Kinder- und Jugendheimen der Brandenburger Haasenburg-GmbH war für Behörden jahrelang kein Problem. Jetzt ziehen sie erste Konsequenzen. Von Jana Frielinghaus

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Monatelang eingesperrt, isoliert, gedemütigt, zur Unselbständigkeit dressiert, mit Psychopharmaka ruhiggestellt – und mißhandelt: Das ist es, was Kinder und Jugendliche aus schwierigen familiären Verhältnissen offenbar seit vielen Jahren in drei geschlossenen Heimen der Haasenburg GmbH in Brandenburg erleiden. Vorwürfe gegen den privaten Betreiber der Einrichtungen in Jessern, Neuendorf (Landkreis Dahme-Spreewald) und Müncheberg (Märkisch Oderland) gibt es – zumindest gegenüber der Aufsichtsbehörde – schon seit 2006. Dem Inhaber der GmbH, Christian Dietz, geborener Haase, gehören unter anderem noch Fitneßstudios und Flug- und Fuhrunternehmen. Die Heime werfen Millionenprofite ab (im ZDF-Magazin »frontal 21« vom 24.4.2012 wurden Gewinne in Höhe von »3,1 Millionen Euro nach Steuern« belegt).

Ein am 1. Juni vergangenen Jahres veröffentlichter Bericht derjungen Welt über die Erfahrungen von Betroffenen und Vorwürfe von Fachleuten schreckte noch niemanden auf. Erst, als die tageszeitung das Thema in ihrer Ausgabe vom 15./16. Juni 2013 auf die Titelseite hob, kam Bewegung in die Angelegenheit. Die Zeitung zitierte aus »Tausenden Seiten« interner Protokolle und belegte, daß nicht nur stundenlanges Festhalten und Auf-den-Boden-Drücken mittels schmerzhafter Griffe durch mehrere Personen oder das Fixieren auf einer Liege, sondern auch die Zwangsverabreichung von Psychopharmaka und Neuroleptika in den Heimen der GmbH an der Tagesordnung waren, bei denen es sich mitnichten um psychiatrische Einrichtungen handelt.

Obwohl nach Änderung der Betriebserlaubnis durch das Landesjugendamt infolge von Berichten ehemaliger Mitarbeiter im Jahr 2010 insbesondere das Fixieren mit Gurten verboten war, gehörte es nach Angaben von Betroffenen weiterhin zum Alltag. Und wie die brandenburgische Bildungsministerin Martina Münch (SPD) am 4. Juli einräumte, hat das Landesjugendamt die Einhaltung der Auflagen seither genau einmal unangemeldet kontrolliert. Ganze drei Mitarbeiter sind dort für die Überwachung von landesweit 400 Einrichtungen zuständig. Eine Beschäftigte der Kontrollbehörde erhielt laut taz vom Mittwoch bereits 2006 einen ausführlichen Bericht eines ehemaligen Mitarbeiters über katastrophale Zustände. Passiert ist daraufhin wenig. Ein weiterer Mitarbeiter wurde laut taz nach einer Meldung von Mißständen an das Amt fristlos entlassen, weil die Behörde sich außerstande sah, seine Anonymität zu wahren.

Die vielen seit Mitte Juni erschienenen Medienberichte haben Behörden und Politik in Zugzwang gebracht. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Cottbus, die zuvor nach jW-Informationen mindestens zwei jungen Frauen beschieden hatte, ihre Beschwerden hätten keine Aussicht auf Erfolg, in acht Fällen – wegen Körperverletzung, Mißhandlung Schutzbefohlener und Nötigung. Die Geschäftsführer der GmbH würden auf Grund von Medienberichten gar der Beihilfe zu Mord und Folterungen beschuldigt, erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Neu untersucht werden auch zwei mutmaßliche Suizide von Insassen in den Jahren 2005 und 2008.

Am 28. Juni berief Ministerin Münch eine Expertenkommission zur Aufklärung der Vorwürfe gegen die GmbH ein. Am 4. Juli durchsuchten 50 Polizisten und vier Staatsanwälte die Haasenburg-Einrichtungen sowie ein Bürogebäude und stellten zahlreiche Akten sicher. Zeitgleich tagte im Potsdamer Landtag der Bildungsausschuß des Parlaments auf Antrag der Linksfraktion und der Grünen. Gleichwohl wirkt die in Brandenburg mitregierende Linkspartei etwas phlegmatisch, was ihr Agieren in der Angelegenheit betrifft. Der jugendpolitische Sprecher der Fraktion im Landtag, Torsten Krause, äußerte sich nach der taz-Veröffentlichung Mitte Juni »schockiert« und verlangte »zügige« und »vorurteilsfreie« Aufklärung. Dabei dürfte der Artikel für ihn so überraschend nicht gewesen sein. Der Märkischen Oderzeitung (Dienstagausgabe) sagte der Linke-Abgeordnete, bereits zu Jahresbeginn seien »Beschwerden ehemaliger Insassen« an ihn »herangetragen« worden. Auf jW-Nachfrage räumte Krause ein, die Hinweise seien von Genossen der Hamburger Linksfraktion gekommen (von dort stammen viele der internierten Kinder). Was seine Fraktion außer internen Gesprächen mit Experten seither unternommen hat, wollte der 31jährige nicht verraten. Er fordert aber die »unverzügliche« Entziehung der Betriebserlaubnis für den Betreiber und die Schließung der Heime, »sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 11.07.13
Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 11. Juli 2013 um 11:15 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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