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Rasender Mob in Hellersdorf. Nichtorganisierte Bürger und Nazis machen in Berlin gegen eine Unterkunft für Flüchtlinge mobil. Von Martin Peters

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German Angst« gilt im Ausland als geflügeltes Wort, teilweise auch als fester Begriff für eine besonders unangenehme Eigenart vieler Deutscher: der Angst als konstituierender Lebenseinstellung. Dazu zählt auch die Angst vor dem Fremden. Am Dienstag konnte man in Berlin-Hellersdorf einen besonderen Eindruck von dieser Haltung empfangen. »Die sollen sich dahin verpissen, wo sie hergekommen sind!«, »die können wir bei mir in den Keller stecken!«, »die sollte man alle vergasen!« und ähnliche Aussagen waren an diesem Tag zu hören.

Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf hatte zur Bürgerversammlung geladen – und zwei Hundertschaften Polizei zum Schutz der Besucher aufgeboten. Thema war eine Notunterkunft für rund 200 syrische Flüchtlinge, die im Juli im ehemaligen Max-Reinhardt-Gymnasium in der Carola-Neher-Straße in Wuhletal eröffnet und in den kommenden Monaten zu einer festen Gemeinschaftsunterkunft ausgebaut werden soll (jW berichtete). Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD), ein Vertreter vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (­LAGeSo) sowie Vertreter des lokalen Polizeiabschnitts versuchten, Verständnis für die Situation der Flüchtlinge zu schaffen und Sicherheitsbedenken zu zerstreuen. Rund 800 Menschen waren gekommen – zumeist allerdings nicht um zu diskutieren, sondern um niederzubrüllen. »Nein zum Heim!« schallte es immer wieder aus der Menge, unter ihnen, feixend und grinsend, Kader von »Pro Deutschland«, »Die Freiheit« und NPD. Die Kernbelegschaft des »Nationalen Widerstands Berlin« und NPDler aus den Berliner Bezirken waren zugegen, um die Stimmung für ihre Zwecke zu nutzen. Während das Mikrofon bei NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke noch rechtzeitig abgedreht werden konnte, durfte dessen Lebensgefährtin Maria Fank, Landesvorsitzende der NPD-Unterorganisation »Ring Nationaler Frauen«, ungehindert statistische Zahlenspiele zum Thema Zuwanderung zum besten geben.

Allerdings waren die Faschisten vor Ort gar nicht vonnöten, um eine derartige Haßstimmung zu verbreiten. Den Bürgern wäre das wohl auch ohne das Zutun der Rechten gelungen. So waren zwischen den Aussagen der Nazis und denen vieler ganz gewöhnlicher Deutscher während der Versammlung kaum Unterschiede zu spüren. Geeint zeigten sie sich in der irrationalen Angst vor den Fremden, die angeblich bald die Atmosphäre im Viertel prägten. Auf die Frage, was sie am meisten fürchte, wenn das Heim eröffne, entgegnet eine Mittvierzigerin: vergewaltigt zu werden, da ihr wasserstoffblondes Äußeres »Asylanten« besonders anspreche.

»Das ist doch kein Dialog. Das ist eine regelrechte Haßstimmung. Wir haben ehrlich gesagt mehr Angst vor diesen Schreihälsen, als vor denen die hierher kommen«, sagte eine Frau der örtlichen evangelischen Gemeinde im Gespräch mit jW. Im Gegensatz zu den anwesenden Antifas, die die rassistischen Äußerungen lautstark konterten, äußerten sich antirassistische Anwohner oft nur auf Nachfrage. »Man muß darüber nachdenken, wie die Flüchtlingsströme entstehen. Da spielen deutsche Großmachtinteressen in Syrien und in der islamischen Welt eine Rolle«, so Klaus-Jürgen Dahler. Dahler wohnt im Kiez und arbeitet für die Flüchtlingsberatungsstelle der Linkspartei. »Ich werde die Flüchtlinge hier unterstützen. Soviel steht fest.«

Die NPD-Tarnorganisation »Bürgerinitiative Marzahn/Hellersdorf« hatte zu der Veranstaltung mobilisiert. Vor dem Eingang wurden »Nein zum Heim!«-T-Shirts verkauft, die bereits via Facebook vorbestellt werden konnten. Andere wiederum hatten sich eigene Shirts mit der Aufschrift »22.–26.8.1992« bedrucken lassen. Gemeint ist der Zeitraum des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen.

Das Geschrei der Nazis haben die Stadtoberen möglicherweise als Dialogangebot mißdeutet: Laut eigener Aussage vom Dienstag wurde der »Bürgerinitiative« durch den Bezirksbürgermeister ein Runder Tisch zugesagt.

Quelle: www.jungewelt.de vom 11.07.13
Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 11. Juli 2013 um 11:25 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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