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Tickende Bombe. Inhaftierter Neonazi bedroht seit Monaten aus dem Knast heraus die Rote Hilfe. Von Reimar Paul

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Der derzeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rosdorf bei Göttingen einsitzende Waffenfan und Neonazi Mario M. hat die Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe massiv bedroht. In einem der jetzt bekannt gewordenen Briefe aus dem Knast vom 23. Januar an die »linken Spasemacken« kündigte er an, nach seiner Haftentlassung wieder von »echten Schußwaffen« Gebrauch machen zu wollen. Er werde wohl »auf .45er Colt satteln, mit fiesen ›Hohl-Spitz-Smileys‹, die pilzen am Mann immer so herrlich auf!« Diese Waffe könne man auch »super mit ›Knallquecksilber‹ füllen – echt geil.« Hohlspitzgeschosse verursachen stärkere Verletzungen als konventionelle Munition. Knallquecksilber ist giftig und zerfällt schon bei geringer mechanischer oder thermischer Belastung. Die Rote Hilfe hat ihre Bundesgeschäftsstelle in Göttingen, nur wenige Kilometer vom Knast im Ortsteil Rosdorf entfernt.

Ein weiteres der an die Rote Hilfe gerichteten Schreiben war nach deren Angaben mit dem einschlägig bekannten Zahlen-Code »14 / 88 – Oier Messer« unterzeichnet. »14« bezieht sich auf die »14 Words«, das rassistische »Glaubensbekenntnis« des US-amerikanischen Nazis David Lane. »88« steht für »Heil Hitler«. Mit »Oier« bringt Mario M. offenbar sein Selbstverständnis als rechter Oi-Skinhead zum Ausdruck. »Die martialisch klingende Unterschrift ›Messer‹ ist nicht nur ein Bestandteil seines Nachnamens, sondern auch das Eingeständnis, daß eine ›Nacht der langen Messer‹ durchaus zu seinen Aktionsformen im Umgang mit dem politischen Feind zu zählen ist«, so die Rote Hilfe in einer Pressemitteilung.

M. wurde 2009 unter anderem wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte in einer Göttinger Stripteasebar mit einer Pumpgun auf den Inhaber des Lokals geschossen und anschließend gemeinsam mit zwei Kumpanen Molotow-Cocktails gegen das Gebäude geworfen. In der Wohnung des früheren Bundeswehrausbilders stießen Beamte auf ein ganzes Waffenarsenal – beschlagnahmt wurden neben der Pumpgun eine Maschinenpistole, ein Scharfschützengewehr, Messer und Munition.

Weil M. ein Schreiben an das Landes­kriminalamt »mit deutschem Gruß« beendete, verurteilte ihn das Amtsgericht Göttingen im Dezember 2011 zu weiteren zwei Monaten Haft ohne Bewährung. Unklar ist derzeit jedoch, wie lange M. noch im Gefängnis bleiben muß. Die Knastjahre hätten ihn »nur stärker gemacht«, schreibt M. dazu. »Wer mir auf den Sack gehen sollte, der wird sein blaues Wunder erleben. Ready to rumble … Fragen stelle ich nicht mehr. Lieber tot als rot!«

Die Rote Hilfe nimmt die Ankündigungen ernst und hat einen Anwalt eingeschaltet. Er soll unter anderem herausfinden, wie die Briefe aus dem Knast direkt an die Nazigegner gelangen konnten. Die Leiterin der JVA Rosdorf, Regina Weichert-Pleuger, sagte dazu gegenüber einer Lokalzeitung, daß der Briefverkehr von Strafgefangenen grundsätzlich nur einer Sichtkontrolle unterzogen würde, um sicher zu gehen, daß nichts herein oder heraus geschmuggelt werde. Eine Kontrolle der Inhalte könne nur dann von der Gefängnisleitung angeordnet werden, wenn ein konkreter Verdacht vorliege.

Die Antifaschistische Linke International (A.L.I.) hält die Drohungen von M. gegen die Rote Hilfe ebenfalls für realistisch. Zwar scheine M. derzeit nicht in der Neonaziszene organisiert zu sein, er gelte aber als »unberechenbar und gewaltbereit«. Kritik üben beide Organisationen an der Göttinger Staatsanwaltschaft. Sie scheine nicht willens, »einen äußerst gefährlichen, nazistischen Waffennarr davon abzubringen, Menschen aus linken Zusammenhängen ernsthaft zu bedrohen«. Daß die Ermittlungsbehörde sehr wohl ein Verfahren gegen M. wegen Beleidigung und Bedrohung eingeleitet hat, komme viel zu spät, meint die A.L.I. Schließlich wisse die Staatsanwaltschaft »spätestens seit Mitte April« von den Briefen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 17.07.13
Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 17. Juli 2013 um 11:14 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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