Wolfgang Huste Polit- Blog

Onkel Tom. Asylbewerber als billige Kofferträger. Von Rüdiger Göbel

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Man mag es nicht glauben, in Sachen Rassismus und Lohndumping hat Schwäbisch-Gmünd einen derzeitigen Tiefpunkt im Land erreicht. Im Ostalbkreis in Baden-Württemberg »dürfen« Asylbewerber jetzt Kofferträger spielen, Lokalpresse und Unionspolitiker feiern den Irrsinn als Integration. Die dazu gelieferten Bilder (kurzlink.de/Gmuender-Tagespost) erinnern eher an »Onkel Tom« von Harriet Beecher Stowe. 1,05 Euro die Stunde bekommen die fleißigen Helfer. Statt Ketten gibt’s einen weißen Strohhut (»gegen die Sonne«) und ein signalrotes T-Shirt.

Die Rems-Zeitung schwärmt vom »multikulturellen Servicebetrieb am Bahnhof«. »Flüchtlinge helfen am Bahngleis« hat die Gmünder Tagespost ihren euphorischen Bericht über die weitestgehend rechtlosen Billigjobber überschrieben. Weil der städtische Bahnhof für sieben Millionen Euro saniert werde – unter anderem sollen zwei neue Aufzüge für Barrierefreiheit sorgen – führt ein Treppengerüst aus Metall von Gleis eins auf zwei und vier. Das sei vielen Gmündern »ein Dorn im Auge«, so das Blatt am Dienstag. Denn mit Koffern oder gar Fahrrädern und Kinderwägen stelle der Übergang für viele eine Herausforderung dar.

Oberbürgermeister Richard Arnold hatte sich der »Herausforderung« angenommen und nun der Presse neun Asylbewerber – sie kommen aus Nigeria, Kamerun, Pakistan und Afghanistan – am Bahnhof vorgeführt. »Sie stehen den Fahrgästen wochentags von 6.15 Uhr bis 18.30 Uhr zur Verfügung, am Wochenende von 9 bis 11 Uhr und von 17 bis 19 Uhr«, liefert die Gmünder Tagespost die Servicezeiten mit. Die »Arbeiter« hätten sich freiwillig melden können und »verdienen« 1,05 Euro pro Stunde, das sei der gesetzliche Maximallohn für Asylbewerber. OB Arnold erwarte daher von den Fahrgästen ein Trinkgeld. Die Koffer-Fahrrad-Kinderwagen-Träger »zeigen gleich, daß Verlaß auf sie ist« (Gmünder Tagespost). »Helfer« »Kazim aus Afghanistan« sagt »in flüssigem Deutsch: »Ich freue mich total auf die Arbeit.«

Der CDU-Politiker sieht »viel Potential im Projekt«, so das Blatt: »Wir haben in Gmünd viele Flüchtlinge, und es werden stetig mehr. Da setzten sich die Bürger natürlich mit dem Thema auseinander. Es ist toll, wenn das durch eine witzige und tolle Aktion geschieht, die beiden Seiten was bringt«, erklärt Arnold. Sein Parteifreund, Landrat Klaus Pavel sekundiert: »Wir brauchen solche Projekte. Es ist toll, daß Flüchtlinge eingebunden sind. So kann sich gegenseitig geholfen werden und es können Sympathien entstehen.« Buckeln also, damit das Flüchtlingsheim nicht abgefackelt wird, generöses Trinkgeld statt normaler Job. Was als »Ausblick« daherkommt, sollte durchaus als Drohung verstanden werden: Das Projekt in Gmünd sei landesweit das erste seiner Art und könne somit auch als Vorbild dienen für andere Städte, heißt es schon. Das hat schon einmal funktioniert: Bei der Einführung der sogenannten Chipkarte für Flüchtlinge. Fortan gab es »Sachleistungen« statt Bargeld. Mittlerweile müssen auch Hartz-IV-Bezieher zu den Tafeln, bundesweit, nicht nur in Deutsch-Südwest.

Quelle: www.jungewelt.de vom 23.07.13

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 23. Juli 2013 um 23:51 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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2 Comments

  1. Sorry, aber mit Verlaub ist dies absoluter Schwachsinn und populistisches Gestänker, ohne auch nur eine Kleinigkeit von Ahnung zu haben und die Situation, Voraussetzung und auch Intergründe zu kennen!
    Solche Berichterstattung ist nichts als Aufhetzung und Propaganda von Unwissenden!

    Comment: Peter Gärtner – 26. Juli 2013 @ 15:41

  2. Ulla Jelpke, MdB, schreibt: Ich bekomme gerade viele Mails und auch hier auf FB viele Kommentare zu meiner Pressemitteilung und dem Bericht in der Süddeutschen über „die Kofferträger“ in Schäbisch Gmünd. Ich nehme die Gedanken und Einwürfe zu meiner Position ernst. Da ich in der Tagespresse nur sehr knapp wiedergegeben worden bin, möchte ich gerne ausführlicher darlegen, was genau mich an der Gmünder Initiative abstößt.

    Einige meinen, mir nahelegen zu müssen, einmal persönlich mit Flüchtlingen zu sprechen. Hier sei vorweggenommen, dass ich seit Jahrzehnten genau dies tue, in Berlin, in meinem Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen, in Aufnahmezentren, Abschiebeknästen, in etlichen Herkunftsländern. Was die Nöte von Flüchtlingen angeht, habe ich einen tiefen Einblick aus den vielen, vielen Gesprächen, die ich mit ihnen geführt habe.

    Elende Situation wird ausgenutzt

    Durch mein jahrzehntelanges Engagement in der Flüchtlingsarbeit weiß ich, wie sehr sich Flüchtlinge ihre Integration in die Gesellschaft wünschen. Ich weiß auch durch zahllose Gespräche mit Flüchtlingen, wie verzweifelt sie sind, wenn sie immer wieder auf Ablehnung, Ausgrenzung und Feindseligkeit stoßen. Und ich weiß, dass das Arbeitsverbot eines der größten Integrationshindernisse ist.

    Ich bitte diejenigen, die meine Ablehnung der „Kofferträger“-Initiative empört, sich einmal zu fragen: Was sagt es über den Zustand einer Gesellschaft aus, wenn Flüchtlinge froh darüber sind, für einen Euro pro Stunde Koffer schleppen zu dürfen? Was sagt es aus, wenn dieses Kofferschleppen zum Maßstab von „Integration“ wird?

    Ich weiß, dass viele Langzeitarbeitslose sich nach einer regelmäßigen Tätigkeit sehnen, und sei sie noch so schlecht bezahlt. Und ich weiß, dass Häftlinge im Knast lieber arbeiten, als in der Zelle die Zeit totzuschlagen. Aber sollten wir deshalb Unternehmer ermuntern, im Namen der Integration die Produktion in Knäste zu verlagern?
    Es ist doch so: Flüchtlinge leiden in Deutschland unter einer solchen Vielzahl von Schikanen, dass sie systematisch in einen Zustand der Hoffnungslosigkeit und Depression getrieben werden.
    Sie unterliegen der Residenzpflicht, auch wenn diese in der Mehrzahl der Bundesländer lockerer gehandhabt wird – noch immer ist es Flüchtlingen verboten, sich im Bundesgebiet frei zu bewegen. Teilweise werden sie in Sammelunterkünften untergebracht und bekommen Lebensmittelpakete statt Bargeld. So nimmt man ihnen die Möglichkeit, ihre Nahrung selbst einzukaufen, und damit nimmt man ihnen auch noch das letzte Stückchen Selbstständigkeit. Es ist ihnen im ersten Jahr ihres Aufenthaltes komplett verboten, arbeiten zu gehen, danach können sie nur arbeiten, wenn keine Deutschen oder EU-Bürger für die Arbeit gewonnen werden. Von rassistischen Vorurteilen, denen sie im Alltag begegnen, will ich jetzt gar nicht reden.

    Jedenfalls werden Flüchtlinge nach allen Regeln der Kunst fertig gemacht, und dann wird ihnen das Koffertragen als „Ausweg“ angeboten. Hier von „Freiwilligkeit“ zu reden, verkennt, dass die Bereitschaft der Kofferträger aus ihrer Not heraus erzwungen wurde. Oder würden sie bei Leuten, die Flaschen sammeln, weil die Rente nicht reicht, oder Lebensmittelabfälle aus dem Container fischen, weil sie sonst nichts zu essen haben, auch sagen, sie handelten ja „freiwillig“? Flüchtlinge stehen in Deutschland nicht vor dem Hungertod, aber sie befinden sich in einer existenziellen und existenzbedrohenden, sozialen und psychologischen Zwangslage. Aus der muss man versuchen, ihnen rauszuhelfen, durch ernsthafte Integrationsangebote.

    Aber: Integration ist eine Aufgabe, die die nicht nur Flüchtlinge bewältigen „müssen“, sondern ebenso die Mehrheitsgesellschaft. Es geht nur gemeinsam. Integration findet auf Augenhöhe statt, sie lässt sich nicht auf Ausbeutung, dem Ausnutzen von Zwangslagen und dem rassistischen Asylbewerberleistungsgesetz aufbauen.

    Schwäbisch Gmünd, wurde mir mitgeteilt, habe eine hohe Bereitschaft, Flüchtlinge zu integrieren. Das wird sich ja hoffentlich nicht darin erschöpfen, sich von ihnen die Koffer tragen zu lassen. Die Gemeinde, kommunale Kulturprojekte, Sport- und Musikvereine, die Feuerwehr, Nachbarschaftsinitiativen usw. können ganz praktische Integrationsarbeit leisten, ohne jeden rassistischen und ausbeuterischen Beigeschmack. Das würde ich sehr begrüßen. Was gesetzgeberischen Änderungsbedarf auf Bundesebene angeht, habe ich schon seit langem Forderungen etwa nach Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes aufgestellt, die leider von der Partei des Herrn Bürgermeisters Arnold blockiert werden.

    Comment: Wolfgang Huste – 29. Juli 2013 @ 18:36

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