Wolfgang Huste Polit- Blog

Kritische Anmerkungen zum Begriff „Demographischer Wandel“. Von Wolfgang Huste

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  • Der Begriff „demographischer Wandel“ ist in aller Munde. Aber was steckt hinter diesem Begriff? Ich versuche, in einfachen Worten diesen Begriff kritisch zu hinterfragen.  Angeblich beruht das Hauptproblem auf der Tatsache, dass wir in Deutschland zu wenige Jugendliche und zu viele alte Menschen haben. Würde diese These stimmen, dann müssten wir zumindest in den Maghrebländern, also in Nordafrika (u.a. in Algerien, Tunesien, Marokko) ein blühendes Sozialwesen vorfinden, denn dort beträgt das Durchschnittsalter zwischen 28 und 29 Jahren (Quelle im Internet unter den folgenden Schlagwörtern: „Altersstruktur Durchschnittsalter in den Ländern Staaten Wikipedia“). Dem ist aber nicht so! Obwohl wir keine nennenswerten Rohstoffvorkommen wie Erdöl, Erdgas, Gold, Bauxit (für die Aluminiumgewinnung), keine Phosphat-, Kupfer- und Diamantenminen haben, auch keine „seltenen Erden“ , sind wir in zumindest in den nordeuropäischen Ländern – insbesondere in Deutschland – deutlich besser dran, was den allgemeinen Wohlstand und das Sozialwesen angeht. Noch ist dem so, obwohl auch bei uns immer brutaler der Sozialstaat abgebaut wird und immer mehr Menschen verarmen, insbesondere im Alter. In den übrigen europäischen Staaten sieht es ähnlich aus. In erster Linie hat das was mit Kapitalismus zu tun. Der Kapitalismus basiert auf Ausbeutung, Unterdrückung und Ungleichheit, das ist sein eigentliches Wesen. Im Kapitalismus leben die meisten Menschen weit unter ihren tatsächlichen Möglichkeiten!
    Gleichzeitig wird die allgemeine Umverteilung von unten nach oben von der herrschenden Elite, von konservativen Parteien, forciert. Es sind also  andere Faktoren, die das Rentenproblem bestimmen als die Altersstruktur bzw. das Fehlen von Rohstoffen. Tatsache ist auch, dass unser BIP (Bruttoinlandprodukt) jährlich steigt. In den letzten Jahren fällt dieses Wachstum (relativ) gering aus (der Zuwachs liegt bei ca. 1,6% im Durchschnitt pro Jahr). Stellen wir uns mal den Reichtum unserer Gesellschaft wie eine große Torte vor. Wir erfahren also, dass die Torte größer wird. Sie „wächst“ langsam, aber sie wächst. Gleichzeitig nimmt auch die Einwohnerzahl von Deutschland ab (wenn wir ca. 20 Jahre zurückblicken, dann kann man diese Tendenz deutlich erkennen). Mit anderen Worten: Die Torte ist ständig größer geworden. Dazu kommt noch, dass sich immer weniger Menschen diese Torte teilen müssen. Die Stücke müssten eigentlich für jeden immer größer werden. Dem ist aber nicht so. Ganz im Gegenteil: Die „Tortenstücke“ wurden und werden im Laufe der Jahre immer kleiner. Die einen bekommen große Sahneteilchen- die anderen eher die Krümel.
    Tatsache ist auch, dass in Deutschland (und in anderen nordeuropäischen Staaten) die Produktivkräfte (dazu gehören unter anderem: Sehr gut ausgebildete Menschen, eine hoch entwickelte Wissenschaft, ein ebenso hoch entwickelter Standard der Technologie, der Produktion, des Maschinenbaus, des Ingenieurswesens, der Verwaltung usw.) in Europa, insbesondere in den nordischen Ländern, also auch in Deutschland, um ein Vielfaches besser entwickelt sind als z.B. in den Maghrebländern. Das liegt nicht daran, dass wir Nordländer „fleißiger“ und die anderen „fauler“ sind (insbesondere Rechtsradikale und Rassisten vertreten diese krude Ansicht- oder andere „schlichte Gemüter“)-  es liegt daran, dass der Norden – insgesamt betrachtet – objektiv auf Kosten des Südens lebt (konkreter: Die Kapitalbesitzer, die Spekulanten, die Banken leben von diesem von ihnen selbst „produzierten“ Ungleichgewicht).  Sie sind reich, weil die anderen arm sind. Dazu kommt, dass in diesen Ländern die Korruption viel stärker und brutaler blüht als bei uns. Dazu kommt auch, dass in diesen Ländern die herrschende Elite sich noch viel unverschämter bereichert (auf Kosten der Allgemeinheit) als es bei uns der Fall ist. Es sind also andere Gründe, dass die einen immer reicher werden- und die anderen immer ärmer. Die Gründe sind – vereinfacht dargestellt – wie folgt: Obwohl der von der Gesellschaft gebackene „Kuchen“ ständig wächst, obwohl die Produktivkräfte bei uns enorm entwickelt sind, obwohl die Bevölkerungszahl abnimmt- klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Mittlerweile befinden sich rund 900 000 Millionäre und Milliardäre in Deutschland. Auf der anderen Seite der „Barrikade“ nimmt die Armut immer weiter zu, insbesondere in den größeren Städten. Das ist, wie schon von mir gesagt, kein schicksalhaft hinzunehmendes Naturereignis wie Ebbe und Flut, wie ein Vulkanausbruch oder wie ein Erdbeben, sondern das Ergebnis einer asozialen Politik, die die Reichen entlastet/begünstigt und die Armen belastet, was in dem neoliberalen Mantra gipfelt: „Verzichtet, akzeptiert die „Sparpolitik“ und den allgemeinen Sozialabbau, damit es uns allen später besser geht“. Die wollen uns den Sozialabbau sogar als eine positive „Reform“ verkaufen! Ich sage: Verschont uns mit solchen „Reformen“! Hier wird nicht gespart, hier wird  brutalst gekürzt, bis hin zur kommunalen Ebene. Diese Kürzungspolitik hat nichts mit Sparen zu tun. Denn nicht die Allgemeinheit hat davon einen Vorteil- sondern nur eine Minderheit auf Kosten der Allgemeinheit! Oder drastischer formuliert: Wer Frieden will, sollte zuerst die Köpfe seiner Mitmenschen einschlagen (?). Wer Wohlstand haben will, muss auf armutsfeste, flächendeckende Mindestlöhne, auf armutsfeste Renten usw. verzichten (?). Kapiert ihr diese Logik? Nein? Ich auch nicht! Deshalb: Kämpfen wir gemeinsam und solidarisch dafür, dass die „Torte“ gerecht(er) aufgeteilt wird! Lassen wir uns nicht spalten! Es ist genug für alle da- es ist nur falsch bzw. ungleich verteilt.
Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 02. Oktober 2013 um 17:10 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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3 Comments

  1. Lieber Wolfgang – ein sehr interessanter Ansatz!
    Klingt logisch und kohärent. Danke dafür! Ich möchte da gerne anschließen.
    Die Frage ist doch, warum die Menschen weniger Kinder bekommen? Der Punkt fehlt mir in deinen Ausführungen ein wenig… denn die Altersverteilung der Bevölkerung hat ja maßgeblich mit dem zunehmenden Anteil an älteren Menschen und dem sinkenden an jüngeren zu tun. Auch dafür gibt es eine Erklärung, die meiner Meinung nach in der Übernahme des herrschenden Diskurses „Wir müssen sparen – Kinder kosten Geld – spart euch die Kinder“ durch die „Beherrschten“ begründet liegt bzw. in der real schlechten Situation der Menschen, die nicht vom Kapitalismus profitieren, weswegen sie keine/wenige Kinder in eine solche Welt setzen wollen.
    Eine Frage ist nun: Würde ein Wiederanstieg der Geburtenzahlen zu einem Druck auf das kapitalistische System führen? Denn damit müsste das System wieder mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, damit es nicht zur steigenden Unzufriedenheit kommt. Denn in schrumpfenden kapitalistischen Gesellschaften (ohne bessere Umverteilungsmechanismen von oben nach unten) bekommen die einen zwar mehr Arbeit (wenn die Produktionsverhältnisse gleich bleiben) aber die anderen mehr Reichtum. Das ist – wenn überhaupt – nur ein sehr minimalistischer Begriff von sozialer Gerechtigkeit, wie man ihn bei FDP (& CDU) findet. Deutschland schrumpft sich gesund…

    PS: Es handelt sich meines Erachtens nach nicht um das im allgemeine Sprachgbrauch übliche „Durchschnittsalter“ (im Magreb), sondern um den Median, was bedeutet, dass die Hälfte der Menschen jünger und die andere Hälfte älter ist. Das Durchschnittsalter (also das arithmetische Mittel), ist sehr wahrscheinlich höher, da beim Median nicht unterschieden wird, ob jemand 30, 60 oder 100 ist, solange er/sie oberhalb des Median-Mittelwert liegt. Nur damit keine großen Augen kommen (http://www.un.org/esa/population/publications/WPA2007/SummaryTables_new.pdf)

    Comment: Jota – 02. Oktober 2013 @ 18:49

  2. Ja, Du hast Recht. Den Aspekt habe ich ebenfalls gesehen, hier nur nicht erwähnt. Ich danke Dir für Deine Ergänzung. In der Tat überlegt man es sich mehrfach, ob man bereit ist, eine Familie zu gründen, wenn man weiß: Die Erwerbsarbeitsplätze sind unsicher, die Entlohnung wird schlechter, die Erwerbslosigkeit droht und damit die Verarmung. Man weiß, dass man bei einem Stundenlohn unter 10 Euro in die Altersarmut kommt. Auch steigen die Lebensmittelpreise, die Mieten und viele andere Dinge. Kein Wunder, dass immer mehr junge Paare auf Nachwuchs verzichten, zumal die Ausbildung von Kindern teuer ist- und gleichzeitig auch ein allgemeines Armutsrisiko. Als Mitglied des Kinderschutzbundes weiß ich, dass selbst in meinem Kreis, der noch (!) als relativ „wohlhabend“ angesehen werden kann, ebenfalls Kinderarmut existiert. Sie sind arm, weil ihre Eltern arm sind.

    Comment: Wolfgang Huste – 02. Oktober 2013 @ 20:48

  3. Wolfgang
    seit der Einführung des Rentensystems ist die Produktivität des einzelnen Arbeitnehmers durch die verschiedenen betrieblichen Maßnahmen (Intensivierung; Arbeitsteilung; Rationalisierung etc) stetig gestiegen. Einen immensen Schub hat die Produktivität durch die Miniaturisierung, die mittlerweile fast alle unsere Lebensbereiche durchdringt, erhalten.
    Gesteigerte Produktivität bedeutet aber auch gesteigertes Kapital, das nur geringfügig durch die Tarif-Auseinandersetzungen nach unten verteilt wurden. Hinzu kommen die Lohnkürzungen, die die Sozialdemokraten in Zusammenarbeit mit den Grünen vor ca 20 Jahren durchführten.
    Daraus läßt sich schließen, daß das Verhältnis von Produzierenden zur Zeit Bismarcks und den Nicht-Produzierenden (Kinder, Rentner) auf die heutige Zeit angewendet so nicht mehr stimmen.

    Comment: Axel Brix – 03. Oktober 2013 @ 07:45

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