Wolfgang Huste Polit- Blog

Was hat das Entropiegesetz mit Parteiprogammen zu tun? Von Wolfgang Huste

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Wir wissen: Eine Kugel in Bewegung, auf einer geraden Ebene, kommt zur Ruhe, wenn sie keinen Impuls von außen bekommt. Kochendes Wasser kühlt sich ab, wenn man die Herdplatte abstellt. Ein Pendel kommt ebenfalls zur Ruhe, wenn es von außen keinen Impuls, keinen Antrieb bekommt. Wenn ich im Physikunterricht richtig aufgepasst habe, hat das was mit dem Entropiegesetz bzw. mit der Thermodynamik zu tun. Mir fällt auch folgendes auf, etwas, was auf dem ersten Blick nichts mit dem Entropiegesetz zu tun hat, sondern weit eher mit Politik: Viele Parteien, die sich vor 1950 gründeten, hatten oftmals innerhalb ihres Gründungsparteiprogrammes recht fortschrittliche, teilweise nicht nur soziale, sondern hier und da sogar sozialistische Inhalte und Ziele. Sogar die konservative CDU hatte in ihrem Ahlener Programm antikapitalistische Inhalte formuliert , was natürlich als taktischer Kotau vor der Arbeiterschaft zu verstehen war und ist. Die Arbeiterschaft wollte mit dem Faschismus und Militarismus nichts mehr zu tun haben. Sie hatte zumindest eine Ahnung davon, dass Faschismus und Militarismus bzw. die Kriege „irgendwie“ in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Kapitalismus stehen.

Vergleicht man die ersten Parteiprogramme einer Partei mit den darauf folgenden, dann kann man immer feststellen: Sie wurden hier und da „entschärft“, in ihrer Aussage abgeschwächt- in Richtung einer Anpassung an den Status quo, an die oftmals zitierte „Realität“ (die man im weitesten Sinne als unveränderlich zu akzeptieren hat). Sehr anschaulich erkennt man den Prozess der politischen Abschwächungen, wenn man die jeweiligen Parteiprogramme der SPD in ihrer chronologischen Reihenfolge aufmerksam durchliest. Die Reihenfolge sieht bei den SPD-Parteiprogrammen so aus:

Eisenacher Programm, Gothaer Programm, Erfurter Programm, Görlitzer Programm, Heidelberger Programm, Godesberger Programm, Berliner Programm und das aktuelle Hamburger Programm. Die „Tendenz“ ist eindeutig: Sie geht von einer ursprünglich antikapitalistischen, pro sozialistischen bzw. sogar kommunistischen Ausgangslage kontinuierlich in Richtung einer ideologisch neoliberalen und konservativen Ausrichtung. Was vormals eine Partei in Bewegung war, wird zur Partei des Stillstandes, des Konservatismus, sogar der Reaktion (da denke ich nicht nur an Sarrazin, an Gasprom-Schröder)!
Als sich DIE LINKE ein neues Parteiprogramm gab, gehörte ich zu denjenigen, die folgende These vertraten und immer noch vertreten: „Das Programm muss (!) scharf links formuliert werden. Wir dürfen da keinesfalls die Schere im eigenen Kopf bedienen. Das Programm muss (!) antikapitalistisch, konsequent antimilitaristisch, antifaschistisch, antirassistisch, sozialistisch, emanzipatorisch, pro ökologisch und pro feministisch sein!“ (Die Reihenfolge meiner Stichwörter sind von mir ungewichtet zu verstehen). Denn wenn wir uns schon ganz am Anfang dem Status quo beugen und den vielen (künstlich fabrizierten) Sachzwängen, wenn wir in erster Linie die „Realpolitik“ aufs Schild heben und politische Visionen und Utopien in übler Helmut Schmidt’scher Manier als „Spinnereien“ abqualifizieren, dann werden wir sehr schnell da enden und politisch elendlich verenden, wo die neoliberalen Sozialabbauerparteien heute stehen. Ich werde wohl mit meiner Einschätzung Recht behalten, dass ein Folgeprogramm unseres jetzt gültigen Parteiprogrammes sich im Sinne des Entropiegesetzes „entschärfen“, verwässern wird- zumindest hier und da, in einigen „Essentials“, die dann doch „angetastet“ werden, obwohl diese und jene programmatische Aussage lange Zeit – zumindest bei der Mehrheit unserer Mitglieder – als Tabu galt. Dafür wird nicht nur die innerparteilich Strömung des FdS sorgen, sondern viel mehr der Druck von außen, der sogenannten „politischen Mitte“ und der Wunsch einiger „höherer“ ParteifunktionärInnen, „Karriere“ machen zu wollen- in einem bürgerlichen Sinne. Und das klappt, sarkastisch gesprochen, besser mit einem Parteiprogramm, das mit dem der Grünen und der SPD „kompatibel“ ist und auch eine gewisse Beliebigkeit in der Interpretation dieser oder jener Aussage zulässt. Nicht ohne Grund lautet diesbezüglich mein Motto: „Pluralismus ist nicht identisch, darf nicht identisch sein mit einer Vielfalt in der Einfalt!“. Sehe ich das falsch? Meine Lebenserfahrung wird mir Recht geben, oder – so hoffe ich! – auch nicht. Quintessenz: Bleiben wir uns und unserer (dezidiert sozialistischen, antikapitalistischen?) Programmatik treu! Stoppt den innerparteilichen Revisionismus überall da, wo er auftaucht! DIE LINKE benötigt für ihre Weiterentwicklung frische, widerständige und kämpferische, inner- und auch außerparteiliche Impulse, keine Stagnation, keine Depression, erst Recht nicht den programmatischen Rückschritt! Werden wir eine Partei in Bewegung für die Bewegung!

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 19. Dezember 2013 um 16:22 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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