Wolfgang Huste Polit- Blog

Todesursache Armut. Mit niedrigem Einkommen steigen die Gesundheitsrisiken und sinkt die Lebenserwartung. Ein Kongreß macht das Problem öffentlich. Von Michael Merz

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Arme sterben früher. Und Menschen ohne ausreichend Geld in der Tasche haben darüber hinaus häufiger und länger unter schweren Krankheiten zu leiden als andere. Das sind Binsenweisheiten. Doch aktuelle Ergebnisse einer Studie des Robert Koch-Instituts (RIK) in Verbindung mit Daten des sozioökonomischen Panels des Deutschen Institus für Wirtschaftsforschung (DIW) belegen nun erneut den Zusammenhang zwischen finanzieller Ausstattung und Gesundheit. Konkret: Die mittlere Lebenserwartung ist in der Bevölkerungsgruppe mit dem niedrigsten Einkommen bei Männern um fast elf Jahre, bei Frauen um mehr als acht Jahre verringert gegenüber der am besten gestellten Gruppe. Das Risiko einer schweren Krankheit, wie etwa eines Herzinfarkts oder einer psychischen Beeinträchtigung, ist für sie doppelt bis dreimal so hoch.

Diese alarmierenden Zahlen wurden am Mittwoch anläßlich der Eröffnung des Kongresses »Armut und Gesundheit«, der am Donnerstag und Freitag in der Technischen Universität Berlin stattfindet, präsentiert. »Bisher gab es den eindeutigen Trend in Großbritannien und Frankreich, die Datenlage in Deutschland war nicht so gut«, erklärte der RKI-Wissenschaftler Thomas Lampert. Der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes, Rolf Rosenbrock, rechnet damit, daß sich die Lage noch verschlimmern wird. Grund: Die Einkommensschere geht in Deutschland kontinuierlich weiter auseinander. »Die Krankheits- und Sterbedaten folgen mit einer gewissen Verzögerung, einer Inkubationszeit vergleichbar, dieser Entwicklung«, so Rosenbrock.

Die Ursachen für die mit der Armut zusammenhängenden gesundheitlichen Risiken seien »multidimensional«, wie Lampert sagte. Sie hingen zusammen mit Arbeitsbedingungen, der Entwicklung der prekären Beschäftigungsverhältnisse, der Lebenswirklichkeit unterhalb der Grenzen zur Armut, den Wohnverhältnissen. Selbst arme Kinder haben schon einen schlechteren Gesundheitszustand als reichere Gleichaltrige, litten etwa verstärkt unter Adipositas, trieben weniger Sport. »Es ist wichtig, so früh wie möglich Maßnahmen zu ergreifen«, so Lampert.

»Voraussetzung für politisches Handeln ist politisches Wahrnehmen«, erklärte Rosenbrock. Alle Hoffnungen der zum Kongreßauftakt referierenden Wissenschaftler und Politiker ruhen nun auf der Ankündigung der großen Koalition, endlich ein Bundesgesetz zur nichtmedizinischen Prävention und Gesundheitsförderung zu verabschieden. Dafür sollen, laut Rosenbrock, mehr als drei Viertel der geplanten Ressourcen für Interventionen in Lebenswelten aufgewandt werden. Das Umfeld in Kita, Schule, Betrieb oder Seniorenheim zu verändern und zur Partizipation zu ermutigen, halten viele für ein wichtiges Mittel, um gegenzusteuern. Das »Interagieren im Sozialraum« nannte Rosenbrock als Beispiel. Kurse für Erwerbslose seien nur begrenzt wirksam, es müßten hingegen Anreiz- und Beteiligungsstrukturen geschaffen werden.

Dabei ist man sich der Unzulänglichkeiten der Möglichkeiten bewußt. »Prävention kann die Ungleichheit nicht abschaffen, nur einen geringen Teil kompensieren«, so Rosenbrock gegenüber jW. Zum vierten Mal wird nun bereits für ein solches Gesetz Anlauf genommen. Immer wieder habe es bisher »wichtigere« gesundheitspolitische Themen gegeben. »Der Entwurf aus der letzten Legislaturperiode war unzureichend«, sagte Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), Hamburger Gesundheitssenatorin, am Mittwoch.

Etwa 2000 Teilnehmer werden in insgesamt 90 Veranstaltungen während des Kongresses »Armut und Gesundheit« über nachhaltige Gesundheitspolitik diskutieren. Ein Anstoß.

Quelle: www.jungewelt.de vom 13.03.14
Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 13. März 2014 um 15:31 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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