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Kein Geld für Strom. Neuer »Rekord«: Konzerne nahmen im vergangenen Jahr 352.000 Haushalte vom Netz. Energiekosten für Verbraucher haben sich seit 2002 verdoppelt. Von Susan Bonath

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Kochen, Heizen, Lebensmittel kühlen, Wäsche waschen: Strom gehört zur Grundversorgung. Doch diese wird für immer mehr Menschen in Deutschland unbezahlbar. Wegen offener Rechnungen haben Lieferanten im vergangenen Jahr knapp 352.000 Haushalten den Strom abgeklemmt, so vielen wie noch nie. Das geht aus dem neuen Monitoringbericht der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes für das Jahr 2014 hervor. Über diesen berichtete am Sonntag nachmittag zuerst Spiegel online. Das noch nicht veröffentlichte Dokument soll am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet werden.

Laut Bericht waren 2014 rund 40.000 deutsche Privathaushalte mehr von zeitweiliger Stromabschaltung betroffen als 2011. Das ist ein Anstieg um etwa 13 Prozent. Vor drei Jahren wurde 312.000 Familien die Energieversorgung gekappt, ein Jahr später 322.000 und 2013 bereits 345.000. Insgesamt, so offenbart das Papier weiter, verschickten die Stromanbieter im vorigen Jahr 6,3 Millionen »blaue Briefe«, in denen Privatabnehmern eine Stromabschaltung angedroht wurde. Laut Gesetz dürfen Lieferanten die Versorgung unterbrechen, wenn Verbraucher mit mindestens 100 Euro im Zahlungsrückstand sind. Die Konzerne müssen diese Konsequenz mindestens vier Wochen vorher androhen.

Eine Ursache für den zunehmenden Energieentzug ist der rasante Anstieg der Preise. Die gut 40,2 Millionen Privathaushalte mussten 2014 mit über 29 Cent pro Kilowattstunde (kWh) mehr als das Doppelte für Strom berappen als noch 2002. Dieser Wert liegt um rund 45 Prozent über dem EU-Durchschnitt (20,5 Cent). Nur in Dänemark müssen die Bürger nach Angaben des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) geringfügig mehr zahlen als in der Bundesrepublik. Haushalte in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens kamen 2013 mit acht bis 10,2 Cent je Kilowattstunde am günstigsten weg. In Frankreich lagen die Preise für private Abnehmer vor zwei Jahren bei rund 14,7 Cent, also nur halb so hoch wie in Deutschland.ie deutsche Großindustrie wird dagegen massiv geschont. Mit 6,37 Cent pro Kilowattstunde musste sie 2014 weniger als ein Viertel dessen zahlen, was den Privatverbrauchern abverlangt wurde. Die hiesigen Konzerne lagen damit auch weit unter dem EU-Durchschnitt von 9,37 Cent. Grund dafür ist vor allem die ihnen per Gesetz eingeräumte Möglichkeit, sich von den in den letzten Jahren stark gestiegenen Abgaben und Umlagen befreien zu lassen.

Nach Berechnungen des nordrhein-westfälischen Dienstleisters »EnergieAgentur.NRW« verbraucht ein Singlehaushalt im Schnitt monatlich 166,7 Kilowattstunden Strom. Dafür werden derzeit rund 48 Euro fällig. Alleinstehenden Beziehern von Hartz IV und Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, die oft alte Geräte benutzen müssen, billigte die Bundesregierung jedoch gerade 33,35 Euro für »Wohnen, Energie und Instandhaltung« zu. Dieser Posten ist im aktuellen Regelsatz von 399 Euro enthalten. Seit Einführung von Hartz IV ist diese Beihilfe um knapp 16 Prozent gestiegen. Die Energiepreise kletterten dagegen seit 2005 um mehr als 70 Prozent.

Der Paritätische Gesamtverband sprach am Montag mit Blick auf die Stromsperren von einem »beschämenden Ausdruck sozialer Kälte«. Die Bundesregierung müsse »umgehend dafür sorgen«, dass Leistungsbezieher ihre Rechnungen bezahlen könnten. »In einer modernen Gesellschaft muss das Abschalten von Strom bei armen Menschen als barbarisch bezeichnet werden«, rügte der Verbandsvorsitzende Ulrich Schneider. Gerade bei Alten, Kranken oder Familien mit kleinen Kindern sei eine solche Praxis untragbar. Auch die Linkspartei kritisiert seit Jahren die wachsende »Energiearmut«.

Ein Ende des Preisanstiegs ist nicht in Sicht. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa bei Vergleichsportalen hatte ergeben, dass mehrere Konzerne im kommenden Jahr durchschnittlich gut drei Prozent mehr verlangen wollen (siehe jW vom Montag). Im Mittel müssten vierköpfige Familien mit 40 Euro mehr an jährlichen Energiekosten rechnen, hieß es.

Quelle: www.jungewelt.de vom 17.11.2015

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 17. November 2015 um 12:57 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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