Nehmet den Armen Von Rainer Balcerowiak
Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist die Streichung des Elterngeldes für Langzeiterwerbslose »systematisch richtig«
Mit der Betonung eines kleinen, aber feinen Unterschiedes begann Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Mittwoch in Berlin seine Pressekonferenz. Während das Bundeskabinett das Haushaltsbegleitgesetz am Morgen »beschlossen« habe, sei das Kernbrennstoffsteuergesetz lediglich »zustimmend zur Kenntnis genommen worden«. Schließlich soll letzteres noch als Verhandlungsmasse in die Gespräche mit den Energiekonzernen über den Preis einer Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke eingebracht werden.
Insgesamt will die Regierung mit dem Gesetz sowie weiteren Etatkürzungen die Verschuldung des Bundes in den kommenden vier Jahren gegenüber ursprünglichen Etatansätzen um 80 Milliarden Euro reduzieren. Es gehe, so Schäuble, um die Schaffung »nachhaltig-solider Rahmenbedingungen durch wachstumsfreundliche Defizitbegrenzung«.
Die Kritik, das »Sparpaket« gehe überproportional zu Lasten ärmerer Bevölkerungsteile, wies der Minister zurück. Man habe sich um »strikte Ausgewogenheit« gemüht. So sei beispielsweise die Streichung des – ohnehin extrem niedrigen – Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher für die Betroffenen zwar »schmerzlich«, aber dennoch systematisch richtig«, auch im Sinne der »Stärkung des Lohnabstandsgebotes«.
Auch andere Einschnitte haben es in sich. So werden für Langzeiterwerbslose künftig keine Rentenversicherungsbeiträge mehr bezahlt. Die befristeten Zuschüsse beim Übergang vom Arbeitslosengeld I in die Grundsicherung und die Heizkostenkomponente beim Wohngeld entfallen ersatzlos. Nicht im Gesetz enthalten, aber für die Haushaltsplanung vereinbart wurden ferner pauschale Kürzungen von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und III sowie bei der Arbeitsförderung. Allein diese beiden Posten sollen mittelfristig zu Minderausgaben von acht Milliarden Euro pro Jahr führen.
Auf der anderen Seite will die Bundesregierung auch Einnahmen erhöhen, beispielsweise durch ein Luftverkehrssteuergesetz und den Abbau von Vergünstigungen für bestimmte Industriezweige bei der Strom- und Energiesteuer. Allerdings haben die Lobbyverbände dieser Branchen bereits heftigen Widerstand bis hin zur Verfassungsklage angekündigt, und auch Schäuble räumte ein, daß ein derart komplexes Gesetz »in der Regel nicht so aus den parlamentarischen Beratungen herauskommt, wie es eingebracht wurde«. Erhebliche Probleme wird es selbst bei den angekündigten Einsparungen im »Verteidigungshaushalt« geben. Selbst beim »kostengünstigsten« Szenario für die künftige Ausstattung der Bundeswehr werde bis 2014 eine Finanzierungslücke von mehreren Milliarden Euro entsteht berichtete am Mittwoch die Leipziger Volkszeitung unter Berufung auf interne Berechnungen des Verteidigungsministeriums.
Oppositionsparteien und Sozialverbände übten am Donnerstag scharfe Kritik am Haushaltsbegleitgesetz. Die Regierung schlage «brutal bei Arbeitslosen, Alleinerziehenden und Familien zu«, erklärte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel in Dessau. Von »beispielloser Zwei-Klassen-Politik und einem fatalen Signal für die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt« sprach Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes, und forderte eine »Totalrevision« des Sparpaketes: »Solange Deutschland eine Steueroase für Erben, Vermögende und Spekulanten darstellt, kann von sozialer Gerechtigkeit keine Rede sein«.
Quelle: www.jungewelt.de vom 02. September 2010
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Arbeit soll sich lohnen, der Abstand zu den Transferleistungen soll größer werden, damit da ein Arbeitsanreiz ist? Dann sollten zumindst armutsfeste Tarfilöhne, ein armutsfester Mindestlohn gezahlt werden – statt unsittliche Dumpinglöhne! Auch hier gilt: Rückwärts nimmer- vorwärts immer!
Comment: Wolfgang Huste – 02. September 2010 @ 16:52