Offenbar hat die schwarz-gelbe Koalition alle Hemmungen verloren. Nun wurde bekannt, daß sie zu allen Geschenken für die Atomlobby auch noch überlegt hat, die Endlager für Strahlenmüll zu privatisieren. Das wäre wirklich der Gipfel der Verantwortungslosigkeit. Privatrechtlich organisierte und am Profit orientierte Unternehmen sollen für die Verwahrung von hochradioaktiven Abfällen sorgen, die für Jahrtausende sichergestellt sein muß.
Natürlich wird sofort abgewiegelt. »Konkrete Pläne« gebe es nicht. Aber wenn im nächsten Monat das Atomgesetz im Schweinsgalopp durch den Bundestag gebracht wird – zum 1. Januar 2011 soll es schon in Kraft treten –, wird man noch einmal genau hinschauen müssen, ob sich die Regierung nicht eine entsprechende Möglichkeit eröffnet. Der Nutzen für Atomlobby und Regierung läge auf der Hand: Hin und wieder kommt es nämlich durchaus vor, daß in den zuständigen Behörden wie dem Bundesamt für Strahlenschutz unbequeme Beamte sitzen, die im falschen Moment auf Paragraphen und Fakten pochen. Die könnten künftig per Privatisierung entmachtet werden, weil dann die Fachaufsicht entfiele.
Daß fachliche Einwände bei der Suche nach einem geeigneten Endlager keine Rolle spielen, hat die Geschichte der Erkundung des Gorlebener Salzstocks ohnehin bereits hinlänglich bewiesen. Aus den inzwischen veröffentlichten Akten ist klar ersichtlich, was den Kritikern der Atompolitik schon immer klar war: Anfang der 1980er fiel die Wahl auf Gorleben allein aus politischen Gründen. Die strukturschwache Region am Rande der alten Bundesrepublik schien dem seinerzeitigen christdemokratischen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Ernst Albrecht, wie geschaffen. Von der konservativen Bevölkerung wurde kein Widerstand erwartet.
Albrecht hatte sich gründlich verkalkuliert. Größere Teile der örtlichen Bevölkerung gingen auf die Barrikaden und bekamen viel Unterstützung aus den Städten. Der Widerstand gegen die von einer Allparteienkoalition betriebene Atompolitik war zwar in der Gesellschaft noch nicht mehrheitsfähig, aber dennoch hartnäckig. Die geplante Wiederaufarbeitungsanlage mußte aufgegeben werden – erst in Gorleben und einige Jahre und viele Demonstrationen später im bayerischen Wackersdorf –, und der Bau des Endlagers verzögerte sich um Jahrzehnte. Verhindert wurde übrigens auch, das ist inzwischen fast in Vergessenheit geraten, der Bau mindestens eines Dutzend weiterer Atomkraftwerke.
Heute ist die Ablehnung der Atomkraft eine Mehrheitsposition in der Gesellschaft, und um so mehr stellt sich die Frage, ob Angela Merkel sich mit ihrer zynischen Politik nicht noch heftiger verkalkuliert hat als einst Ernst Albrecht. Die Proteste gegen »Stuttgart 21« und die große Anti-AKW-Demo vom Wochenende lassen erahnen, daß die Tage des bloßen Aussitzens à la Helmut Kohl vorbei sind.
Quelle: www.jungewelt.de vom 22.09.10
« Ausbau in Gorleben soll ohne Beteiligung der Öffentlichkeit fortgesetzt werden. Salzstock ist ungeeignet. – Am Mittwoch, 29. September, findet in ganz Europa ein Aktionstag gegen Sozialabbau, gegen eine allgemeine Umverteilung von „unten nach oben“ statt. Der DGB organisiert an diesem Tag Busfahrten zur Zentralkundgebung in Brüssel, auch in Rheinland- Pfalz. »
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