Wolfgang Huste Polit- Blog

Krieg gegen Bürger. Von David Schecher, Stuttgart

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Bei der Absperrung von Teilen des Stuttgarter Schloßgartens für Bauarbeiten zum Bahnhofs­projekt »Stuttgart 21« ist es am Donnerstag zu schweren Übergriffen von Polizisten auf Gegner des Vorhabens gekommen. Augenzeugen sprechen von einem »brutalen« Schlagstockeinsatz gegen Schüler, Rentner und sogar Müttern mit Kleinkindern. »Es gibt mehrere hundert Verletzte«, sagte Elke Edelkott von der Initiative »Parkschützer« am Donnerstag nachmittag gegenüber junge Welt. Die Polizei setze Reizgas gegen die mehreren tausend vollkommen friedlichen Demonstranten ein, so Edelkott.

Seit gestern vormittag befindet sich der Schloßpark im Belagerungszustand. Die Polizei hatte am Donnerstag morgen begonnen, ein für die Bauarbeiten vorgesehenes Gelände freizuräumen. Am Abend sollten dort die ersten von insgesamt 300 Bäumen gefällt werden. Dennoch gelang es Schülern und »Parkschützern«, auf das Gelände zu gelangen und den Baumaschinen den Weg zu versperren. Beamte versuchten daraufhin, Aktivisten von Bäumen zu zerren, wurden aber von Demonstranten da­ran gehindert. Als sich gegen Mittag abzeichnete, daß immer mehr Menschen in den Park strömten, wurde das Vorgehen der Einsatzkräfte zunehmend härter. Viele Demonstranten mußten an schnell errichteten Erste-Hilfe-Stationen von Sanitätern behandelt werden, darunter auch Kinder und Senioren.

»Es ist entsetzlich, was sich hier für Szenen abspielen«, so Matthias von Herrmann, Pressesprecher der »Parkschützer« in einer gestern verbreiteten Erklärung. Grünen-Chef Cem Özdemir forderte angesichts des Großeinsatzes der Polizei die baden-württembergische Landesregierung und die Bahn auf, »den Konflikt um ›Stuttgart21‹ nicht weiter zu eskalieren« und sprach von einer »brutalen Bulldozer-Politik«. Die Strategie von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), »mit gezielten Provokationen die ›Stuttgart-21‹-Gegner zu emotionalisieren, um sie anschließend möglichst kriminalisieren zu können, ist offenkundig und zynisch«, sagte Özdemir. Der Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, Ulrich Maurer, forderte den Rücktritt von Innenminister Heribert Rech (CDU): »Wer versucht, angemeldete Schülerdemos mit Schlagstöcken, Reizgas und Wasserwerfern aufzulösen, hat mit der Demokratie gebrochen und muß als Innenminister seinen Hut nehmen«, so Maurer.

Ein Ende der Proteste war zunächst nicht abzusehen. Zwei Demonstranten hätten sich nach Angaben der Projektgegner in Röhren einbetonieren lassen, drei Menschen seien an einem Baum angekettet, um die geplanten Baumfällarbeiten zu verhindern. Um die Demonstranten in Stuttgart zu unterstützen, hätten am Donnerstag nachmittag fünf Aktivisten den Balkon der Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin besetzt.

Gegen »Stuttgart 21« gibt es seit Wochen heftigen Widerstand aus der Bevölkerung. Bei dem Vorhaben soll der Kopfbahnhof der Landeshauptstadt für 4,1 Milliarden Euro in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgestaltet werden. Außerdem ist geplant, die Strecke von Wendlingen nach Ulm zur ICE-Trasse auszubauen. Kosten: 2,9 Milliarden. Die Kritiker des derzeit größten Infrastrukturprojektes in Eu­ropa rechnen mit weit höheren Kosten, sprechen von Geldverschwendung und warnen vor den ökologischen Folgen und möglichen Sicherheitsgefahren durch die Tunnelarbeiten.

Quelle: www.jungewelt.de vom 01.10.10

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 01. Oktober 2010 um 11:01 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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2 Comments

  1. Zur Info:
    Mit Knüppeln, Wasserwerfern und Reizgas lässt die baden-württembergische
    Landesregierung das Prestigeprojekt „Stuttgart 21“ gegen friedliche
    Bürger/innen durchprügeln.
    Fordern Sie den Rücktritt des Innenministers und
    einen sofortigen Baustopp!
    http://www.campact.de/bahn/ml4/mailer

    Comment: rene – 01. Oktober 2010 @ 19:57

  2. Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union,
    vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative
    Berlin, 11. Oktober 2010

    Polizeieinsatz gegen Stuttgart 21-Demo zeigt erneut: Polizeikennzeichnung
    dringend notwendig

    Anlässlich des Polizeieinsatzes gegen die Proteste am 30. September 2010
    in Stuttgart fordert die Humanistische Union die Innenminister des Bundes-
    und der Länder auf, sich für eine gesetzliche Normierung der Ausweis-
    und Kennzeichnungspflicht von Polizeibediensteten einzusetzen.
    Bei der Räumung des Stuttgarter Schlossgartens durch die Polizei waren
    über 100 Demonstranten durch den Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken
    und Pfefferspray verletzt worden.

    „Die Übergriffe einzelner Polizisten können voraussichtlich wieder nicht
    aufgeklärt werden“, beklagt Helga Lenz, Mitglied des Bundesvorstandes der
    Humanistischen Union. „Sei es, weil die Beamten durch Schutzkleidung oder
    Masken vermummt, also nicht identifizierbar waren, oder weil sich ihre
    Kollegen aus falsch verstandenem Corpsgeist oder Angst vor persönlichen
    Konsequenzen nicht trauen, einen Kollegen anzuzeigen.“

    In Deutschland gibt es bis heute keine generelle und für alle Bereiche
    der Polizeiarbeit verbindliche Kennzeichnungspflicht für
    Polizeibedienstete. Eine solche Kennzeichnung würde aber helfen,
    Polizisten im Falle rechtswidriger Übergriffe zu identifizieren und zur
    Verantwortung zu ziehen. Die Polizei ist mit weitreichenden Befugnissen
    ausgestattet, die für Bürgerinnen und Bürger auch einen Eingriff in ihre
    Grundrechte bedeuten können, sie unterliegt jedoch nur unzureichenden
    Kontrollmechanismen. Die Nachprüfbarkeit der Ausübung von
    Polizeibefugnissen auf ihre Rechtmäßigkeit ist aber notwendige
    Voraussetzung für einen Rechtsstaat.

    „Die Einführung einer adäquaten Kennzeichnungspflicht garantiert die
    individuelle Zuordnung staatlichen Handelns. Sie ermöglicht die
    Aufklärung und vermindert widerrechtliches Handeln einzelner Polizisten.
    Zudem trägt sie zur nachhaltigen Vertrauensbildung zwischen Bürgern und
    Polizei bei“, erklärt Helga Lenz. „Gerade in Konfliktsituationen wie
    derzeit in Stuttgart, sollte es auch im Interesse der Polizei selbst
    liegen, den Bürgerinnen und Bürgern nicht als Teil einer anonymen
    Staatsmacht entgegenzutreten.“

    Die Kennzeichnung von Polizei- und Zollbeamten – mit Namen oder zum
    Beispiel mit eindeutig zuordenbaren Ziffern und Buchstaben – ist ein
    weiteres Instrument, um Transparenz und Kontrolle der Exekutive zu
    fördern, so wie auch ein Polizeibeauftragter in Bund und Ländern, dessen
    Einrichtung die Humanistische Union fordert.

    Für Rückfragen steht Ihnen Martina Kant, Bundesgeschäftsführerin der
    Humanistischen Union, unter der Tel. (030) 204 502 56 oder unter
    info@humanistische-union.de zur Verfügung.

    Der Mustergesetzentwurf der Humanistischen Union für einen
    Polizeibeauftragten für die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt ist
    abrufbar unter:
    http://www.humanistische-
    union.de/fileadmin/hu_upload/doku/2010/gepolizeibeauftragter_20100702_inte
    rnet.pdf

    Weitere Informationen zum Thema Kontrolle der Polizei finden Sie unter:
    http://www.humanistische-union.de/shortcuts/polizeikontrolle


    Humanistische Union e.V.
    – Bundesgeschäftsstelle –
    Greifswalder Straße 4
    10405 Berlin

    Tel: 030 – 204 502 56
    Fax: 030 – 204 502 57

    Comment: Wolfgang Huste – 12. Oktober 2010 @ 01:03

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