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Mit den Beschlüssen der Bundesregierung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bezüglich der Regelsätze bei den sogenannten Hartz IV-Maßnahmen haben sich die HardlinerInnen in der Sozialpolitik durchgesetzt. Das Klima der sozialen Kälte wird durch die permanente Eiszeit für die Betroffenen ersetzt.
Mit der aktuellen „Erhöhung“ um 5 Euro und um ca. 5,50 Euro im nächsten Jahr wird sich die finanzielle Situation der BezieherInnen des ALG II kaum ernstlich verbessern.
Vermeintliche Regelsatzerhöhung
Die erste Stufe ermöglicht den Langzeitarbeitslosen eine rasante Steigerung des Lebensniveaus mit 16,5 Cent mehr pro Tag. Da aber die „Erhöhungen“ der letzten Jahre unter der Preissteigerungsrate lagen, dürfte die aktuelle „Verbesserung“ des Arbeitslosengeldes II nicht einmal dem Leistungsniveau des Jahres 2005 entsprechen. Und die neuen Berechnungen des Hauses von der Leyen orientieren sich nicht mehr an den unteren 20?% der Einkommenspyramide, sondern an den unteren 15 Prozent… und unterlaufen so de facto das Urteil des BVG.
Wie üppig die Leistungen im Regelsatzkatalog sind mag ein kleines Beispiel belegen. Der monatliche Posten für die Gesundheitspflege umfasst 15,55 Euro. Zieht mensch hiervon – auf den Monat berechnet – den Anteil für die Praxisgebühr ab und setzt bescheidene 5 Euro für die Medikamentenzuzahlung ein, verbleiben 6,42 Euro d.?h. 42 Cent pro Tag. Da wird der Erwerb eine Schachtel Aspirin und einer Wundsalbe zum fiskalischen Großunternehmen. Die Teilnahme am öffentlichen Personennahverkehr soll mit 76 Cent pro Tag realisiert werden. Wohnen, Energie und Wohninstandhaltung schlagen mit 30,24 Euro zu Buche, die nicht einmal die Energiekosten abdecken, die im nächsten Jahr deutlich steigen werden. Wahrscheinlich um die Topgewinne der vier Großen im Energiesektor von 27 Milliarden Euro in diesem Jahr zu maximieren. Und mit 4,6 Cent für Bildung täglich wird aus dem Heer der Langzeiterwerbslosen eine ganze Generation von zukünftigen NobelpreisträgerInnen hervorgehen. Die Erhöhung des Regelsatzes gehört ins Reich der Mystifikation.
Falsche Debatte
Die Linkspartei beteiligt sich an der Debatte auf einem weitgehend systemimmanenten Niveau. Selbst in ihren Diskursen werden die Langzeiterwerbslosen, die BezieherInnen des ALG II, zu Hartz4lern. Da steht dann die Höhe des Regelsatzes, für die Betroffenen natürlich äußerst wichtig, im Focus des Interesses. Die Agenda 2010 als neokapitalistisches Projekt mit Vorbildcharakter für die gesamte Europäische Union gerät aus dem Blickfeld. Der Antikapitalismus verkommt leicht zur Rhetorik. Und mit Blick auf eine potenzielle Regierungsbeteiligung wird auch die Partei Die Linke sozialpolitisch handzahm. Die möglichen Regierungspartner sind ja gerade die Zauberlehrlinge, die Hartz IV auf den Weg gebracht haben. Das Resultat ist dann bestenfalls Hartz IV light!
In der ARD-Sendung Hart – aber fair wies Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, darauf hin, dass die Regelsatzhöhe von 364 Euro bereits seit 2008 existiert. Absender: das Bundesfinanzministerium. Hausherr damals: Peer Steinbrück (SPD)! Wenn das mal kein Zufall ist. In der gleichen Sendung wies Oskar Lafontaine darauf hin, dass die Segnungen der Bundesregierung großzügig berecht kapp 1 Milliarde Euro kosten… denen Einsparungen in diesem Bereich von 3 Milliarden Euro entgegenstehen!
Wohin die Reise gehen soll, signalisiert der Mann fürs Grobe, Horst Seehofer, wenn er verkündet, dass im Umgang mit den Hartz IV-Empfängerinnen in Deutschland „noch nicht die letzte Tapferkeit entwickelt“ ist. Die dahinter stehende sozialdarwinistisch begründete Philosophie des Sozialrassismus ist längst in breiten Kreisen gesellschaftsfähig geworden.
Welcher Widerstand?
Die zu neuem Leben erweckte Anti-Atom-Bewegung, der Massenprotest gegen Stuttgart und einzelne Demonstrationen des Sozialprotestes führen zu einer gewissen Euphorie. Die Begeisterung für alles Neue, besonders, wenn es in Bewegung gerät, ist ein Markenzeichen linker Debatten in diesem Land. Da gerät aus dem Blickfeld, dass mit der Agenda 2010 eine reale Parallelgesellschaft entstanden ist, die sich im festen Armutssegment der Tafeln, Altkleiderkammern etc. etabliert hat. Wer dazu noch einen Migrationshintergrund hat, lebt ganz unten, in jeder Hinsicht hart am Limit. Sie werden sich immer weniger von der parlamentarischen Linken und der äußersten Linken vertreten sehen.
Dann werden im Kontext der sichtbaren Rechtsentwicklung in breiten Teilen der Gesellschaft der extremen Rechten Tür und Tor geöffnet, die als Partei der Hoffnungslosen und mit ihren rassistischen Scheinlösungen optimale Rahmenbedingungen vorfindet.
Es waren Die Grünen, die zusammen mit der Atomlobby den Atomkompromiss ausgehandelt hat und es war die Sozialdemokratie, die Mutter von Hartz IV ist. Wir verstehen uns als Teil einer antagonistischen Linken, die in letzter Instanz die Systemfrage stellt. Daher unterstützen wir die Zusammenführung aller Formen dieses im Wesentlichen außerparlamentarischen Protestes und Widerstandes. Die Bauern aus dem Wendtland mit ihren Traktoren in Stuttgart sind ein ermutigendes Signal!
Und vergessen wir nicht: Kein Mensch ist Hartz IV!
Quelle: www.scharf-links.de vom 07.11.10
« Kreis Germersheim hat Demonstrationen gegen Atommülltransporte verboten. LINKE wollen trotzdem protestieren! – Studie weist auf Nachteile der Ein-Euro-Jobber hin. Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind schlechter als ohne diese Maßnahme. »
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