Wer aus einem Staat kommt, in dem Judenmörder und Nazibonzen es bis zu Bundeskanzler, Staatssekretär, Richter und General bringen konnten, kann beim Kampf gegen Linke an eine lange Tradition anknüpfen. Vor allem an die alten Methoden. Am Mittwoch prangte auf der auflagenstärksten Zeitung Berlins, dem Springerblatt B.Z. – in Großbuchstaben vor einem Porträt der Linksparteivorsitzenden Gesine Lötzsch in Großbuchstaben: »Stasi-Skandal bei Linke-Chefin«. Ihr Büroleiter sei »als hauptamtlicher Mitarbeitet des MfS enttarnt«. Der etwas magere Sachverhalt dazu: Der Leiter des Bundestagsbüros von Gesine Lötzsch, Klaus Singer, leistete zwischen 1978 und 1981 Wehrdienst im DDR-Wachregiment »Feliks Dzierzynski«, das dem MfS unterstand– allerdings ausschließlich mit militärischen Protokollaufgaben und Bewachung von wichtigen DDR-Einrichtungen betraut war. Die B.Z. – im Volksmund als »Schweine-B.Z.« bekannt – macht daraus, Singer sei »hauptamtlicher MfS-Mitarbeiter« gewesen. Halluzinationen dieser Art über Mandatsträger und Mitarbeiter der Linkspartei waren in der Vergangenheit schon öfter aufgetaucht.
Die Luftnummer des rechten Kampfblatts könnte als gängige antikommunistische Blödelei abgetan werden, steigerte sich Autor Gunnar Schupelius gemeinsam mit dem in solchen Fällen unvermeidlichen Hubertus Knabe nicht in wahren Furor. Er macht sich über die Familie Singers her und schreibt: »Der Vater, Rudi Singer, war Vorsitzender des Staatlichen Rundfunkkomitees der DDR. ›Dieses Komitee sorgte im Auftrag der SED für die Gleichschaltung der öffentlichen Meinung‹, stellt der Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, fest. Für Knabe gehörten die Singers zur ›sozialistischen Aristokratie der DDR‹.«
Zu »den Singers« sei hier festgehalten: Rudi Singer wurde 1915 in Hamburg geboren, schloß sich 1932 während seiner Lehre zum Exportkaufmann dem Kommunistischen Jugendverband und 1933 der KPD an. Im Mai 1933 kam er erstmals in Gestapohaft, 1934 in das KZ Fuhlsbüttel, im Mai 1937 wurde er wegen Widerstandstätigkeit zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, danach ausgewiesen, in der Schweiz interniert. 1944/45 gründete er u.a. zusammen mit dem Theaterregisseur Wolfgang Langhoff die Bewegung »Freies Deutschland« in der Schweiz. Seine beiden Eltern wurden 1942 in Auschwitz ermordet. Er arbeitete nach der Befreiung zunächst in Bayern als Journalist und siedelte vor der drohenden Verhaftung 1951 in die DDR über, wo er von 1966 bis 1971 Chefredakteur des Neuen Deutschland war, danach bis 1980 Vorsitzender des Rundfunkkomitees.
Daß Antifaschisten, die vom deutschen Faschismus verfolgt worden waren, in der Adenauer-Bundesrepublik erneut mit Haft bedroht wurden, ist nicht neu, gehört zur glorreichen Geschichte dieses Rechtsstaates. Zumal wenn die Schergen der 50er Jahre dieselben waren wie in den 30er und 40er Jahren, was oft zutraf. Neu ist allerdings das Verfahren, ihre Angehörigen in Sippenhaftung zu nehmen. Diese Errungenschaft des Jahres 2011 überbietet den seinerzeitigen Kampf gegen den »Kommunismus«. Schuppelius und Knabe schaffen es zweifellos noch bis zu den Enkeln.
Quelle: www.jungewelt.de vom 20.01.11
« Blinde Sanktionswut der Hartz IV-Jobcenter gegen schwangere Frauen? – Verkehrspläne der Regierung gehören in den Reisswolf. Presseerklärung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag »
No comments yet.
Sorry, the comment form is closed at this time.