Wolfgang Huste Polit- Blog

Aufschwung der Ackermänner

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In der Bundestagsdebatte am Donnerstag zum von Wirtschaftsminister Rainer Brüderele gegebenen Jahreswirtschaftsbericht führte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, u. a. aus:

Auch wenn Sie sich noch so sehr in die Tasche lügen: Dieser Wirtschaftsaufschwung, für den sich diese Regierung hier seit inzwischen zwei Stunden selbst feiert, findet für die große Mehrheit der Menschen in diesem Land schlicht nicht statt. Was wir jetzt haben, ist ein Aufschwung für die Ackermänner, die wieder nach Herzenslust zocken können. Das ist ein Aufschwung für die Konzerne, die sich schon wieder dumm und dämlich verdienen und trotzdem nicht investieren, und es ist natürlich ein Aufschwung für die Multimillionäre, deren Vermögen in den letzten zwei Jahren explodiert ist, vor allen Dingen auch im Krisenjahr 2009. (…)

Wenn in den letzten zwei Jahren in Deutschland 366000 Industriearbeitsplätze abgebaut werden, davon allein im Jahr 2010 136000, ist das für diese Regierung ein Jobwunder. Wenn die Maschinenbaubranche in Deutschland derzeit 17 Prozent weniger produziert als vor der Krise und die realen Nettolöhne pro Arbeitnehmer sich unterhalb des Niveaus des Jahres 2000 bewegen, dann feiern Sie das als den größten Wirtschaftsaufschwung der bundesdeutschen Geschichte. Das ist doch absurdes Theater, was Sie hier vorspielen, schlechtes, absurdes Theater.

Die Gefahr ist natürlich groß, daß es noch erheblich schlimmer kommt. (…) Ab Mai dieses Jahres gibt es in Europa die Arbeitnehmerfreizügigkeit. In eine solche Situation mit einem deregulierten Arbeitsmarkt wie dem deutschen zu gehen ohne Mindestlohn und mit einem boomenden Leiharbeitssektor, der mit seinen perspektivlosen Hungerlohnjobs schon jetzt immer mehr reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängt, ist doch ein Himmelfahrtskommando! Oder es ist eine bewußt kalkulierte neue Runde brutalen Lohndumpings. Wenn es Ihnen darum geht, erzählen Sie uns aber bitte nicht mehr, wie es im Jahreswirtschaftsbericht steht, daß Sie erwarten, daß der Konsum in diesem Jahr wahnsinnig zulegen wird.

Da fragt man sich schon: Wo soll denn dieser plötzliche Konsumrausch eigentlich herkommen? Von den Beschäftigten, die Anfang des Jahres schon wieder weniger Netto vom Brutto haben? Von den Rentnerinnen und Rentnern, deren Kaufkraft seit Jahren sinkt, weil ihre Renten, wenn sie überhaupt steigen, in geringerem Umfang als die Inflation steigen? Von den lächerlichen fünf Euro pro Monat mehr für Hartz-IV-Empfänger, die Sie ihnen längst schon wieder zehnfach aus der Tasche gezogen haben? (…)

So wie ich Sie, Herr Brüderle, bei Ihrer Regierungserklärung und die Vertreter der Regierungsparteien hier erlebt habe, hatte ich das eine oder andere Déjà-vu-Erlebnis. Die Art und Weise, wie Sie die wirtschaftliche Realität wegreden, wie Sie Instabilität und Krisenanfälligkeit wegreden und den Leuten heile Welt vorspielen, erinnert mich sehr an die letzten Ausgaben der DDR-Nachrichtensendung Aktuelle Kamera. Man kann sich nur wünschen, daß die Menschen Ihnen dafür bei den anstehenden Wahlen eine angemessene Quittung verpassen werden.

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.01.11

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 21. Januar 2011 um 11:00 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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