Wolfgang Huste Polit- Blog

Untragbares Risiko. Die Lügen der Atomwirtschaft. Von Wolfgang Pomrehn

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Die Lüge ist die häßliche Schwester der Macht und des Profits, doch um langfristig zu wirken, muß sie diskret eingesetzt werden. Nun gibt es eine Branche, die hat mit der Diskretion ihre besonderen Schwierigkeiten, da ihre Technik die Lüge zwingend verlangt: die Atomindustrie. Wer derart riskante Anlagen betreibt, kann gar nicht anders, als die Öffentlichkeit systematisch hinters Licht zu führen. Das kennen wir von den hiesigen Atomkraftwerksbetreibern oder auch aus Schweden, wo Vattenfall in seinem AKW Forsmark 2006 eine Beinahe-Kernschmelze vertuschte, und das erleben wir gerade aufs neue vom japanischen Atomkonzern Tepco, der die Öffentlichkeit auch zwei Wochen nach dem Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima nur sehr zögerlich, bruchstückhaft und oft irreführend informiert.

Jahrzehntelang haben die Freunde der Atomkraft den Menschen weismachen wollen, ein schwerer Unfall in einem AKW sei statistisch gesehen nur alle 10000 oder gar nur alle 100000 Jahre möglich. Wenn er doch eintrete, sei der Reaktorsicherheitsbehälter, in dem sich der Kessel mit den Brennstäben befindet, so ausgelegt, daß er selbst bei dem größten anzunehmenden Unfall, dem GAU, noch standhalten würde.

Was letzteres angeht, so zeigt derzeit Fukushima einmal mehr: Die Sicherheitsbehälter sind nicht in der Lage, im Fall der Fälle das nukleare Inventar zurückzuhalten. Selbst die internationale Lobbyorganisation der Atomkraft, die Internationale Atomenergieorganisation IAEO in Wien, spricht seit Donnerstag davon, daß die von den drei Havariereaktoren freigesetzte Radioaktivtät inzwischen die Ausmaße von Tschernobyl erreicht hat.

Doch wie sieht es mit dem statistischen Risiko aus? Ist ein Reaktorunfall tatsächlich so unwahrscheinlich wie behauptet? Derzeit sind weltweit 447 Atomreaktoren in Betrieb, 125 weitere wurden bereits stillgelegt. Macht zusammen 572 Reaktoren, denen mit Harrisburg, Tschernobyl und den drei Reaktoren in Fukushima fünf schwerste Reaktorunfälle gegenüberstehen, bei denen es zur Kernschmelze kam.

Die Wahrscheinlichkeit eines Reaktorunfalls mit Kernschmelze ist also bisher fünf zu 572 oder knapp ein Prozent. Nun frage sich jeder, ob er sein Kind allein über die Straße laufen läßt, wenn es in einem von hundert Fällen überfahren werden könnte. Oder ob er ein Schiff mit löchrigen Rettungsbooten und vermoderten Schwimmwesten besteigt, von dem er weiß, daß es mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,87 Prozent sinken wird. Natürlich nicht.

Aber der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Vorstände von RWE, E.on, EnBW und Vattenfall, die Unionsparteien und die Liberalen, sie alle meinen, wir sollen zum Wohle eines Konzerngewinns von weiteren 100 bis 200 Milliarden Euro ein 0,87prozentiges Risiko tragen, daß in der Nachbarschaft von Hamburg, Frankfurt/Main, München oder Stuttgart ein AKW hochgeht, wie derzeit in Fukushima. In den nächsten Monaten muß sich zeigen, ob die Gesellschaft das tatsächlich noch will.

Quelle: www.jungewelt.de vom 26.03.11

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 26. März 2011 um 12:45 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Ich habe mal versucht, das gesamte Ausmass der Japan-Atomkatastrophe und was sie fuer Europa bedeutet hier uebersichtlich zusammenzufassen:
    http://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=208864
    Dort auch Hinweise zum Umgang mit radioaktiv verseuchtem Wasser.

    Comment: CrisisMaven – 26. März 2011 @ 14:15

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