In den USA knirschen die Menschen allerorten mit den Zähnen, und ihr Blutdruck steigt in dem Maße, wie die Benzinpreise nach oben klettern. Damit verbunden steigen auch die Preise aller Dienstleistungen und Waren, weil die Hersteller und Händler ihre gestiegenen Transportkosten an die Verbraucher weitergeben.
Die Amerikaner dürstet es nach Öl, und so erheben sie drohend ihre Fäuste gegen arabische Potentaten und sehen sich in wilden Träumen als Eroberer von Wüstengebieten, die diesen lebenswichtigen Rohstoff unter US-Kontrolle bringen. Leider weiß der Durchschnittsbürger in den USA nicht, daß weniger als zwanzig Prozent der Ölimporte aus dem Nahen und Mittleren Osten kommen und daß die Gründe für die meisten Preissteigerungen viel eher in reiner Spekulation auf den Weltmärkten und in der Panikmache zu suchen sind, die die Medien mit ihren Berichten über die Unruhen in Nordafrika und in den arabischen Ländern betreiben.
Was hat aber tatsächlich die größte Unruhe in dieser Region in den letzten zwanzig Jahren ausgelöst? Richtig: der Irak-Krieg! Er hat den Ölpreis ständig nach oben schnellen lassen. Vor Beginn des Krieges im März 2003 hat das Faß Rohöl rund 30 US-Dollar gekostet. Im Frühjahr 2008 waren es bereits 126 US-Dollar und heute sind es immer noch 108 US-Dollar pro Faß. Allein in den letzten Jahren hat der US-Konzern Exxon Mobil mit seinen Benzinverkäufen mehr Gewinne eingefahren als jeder andere Konzern in der Geschichte des Kapitalismus. Im Jahr 2010 waren es allein 30 Milliarden US-Dollar, die der Mineralölkonzern als Reingewinn verzeichnen konnte.
In diesem Zusammenhang gab Exxon-Präsident Rex W. Tillerson der Journalistin Maria Bartiromo von USA Today kürzlich ein lesenswertes Interview. Darin erklärte er, Exxon habe keinerlei Nachschubprobleme auf dem Ölmarkt. »Was sich im Preis widerspiegelt«, so Tillerson, »ist die Unsicherheit im Hinblick auf das, was eventuell in den kommenden Monaten oder Jahren passiert, wenn es dann zu Lieferengpässen kommen sollte.«
Laut Tillerson gibt es heute also keine Probleme bei der Versorgung mit Erdöl, aber es könnte in ein paar Monaten oder Jahren welche geben – also erhöhen die Mineralölkonzerne heute schon einmal die Preise! Übersetzt in Ebonics, das afroamerikanische Englisch, klänge das so: »We go get mo’ money, mo’ money, no matter what, sucker!« (Wir wollen einfach immer mehr Kohle machen, egal wie, Trottel!)
Zu diesem Zweck werden Kriege geführt und Zehntausende, ja sogar Hunderttausende Menschen getötet. Die Verfassung wird geschreddert, die Wirtschaft zugrunde gerichtet, und unsere Schulen verwahrlosen. Politiker sind Huren des Kapitals in Maßanzügen – redlich arbeitende Prostituierte mögen mir diesen Vergleich verzeihen! Der Terrorismus ist eine Schimäre, er wird als Instrument eingesetzt, um die ökonomischen Triebkräfte zu verschleiern, die dahinterstecken, wenn es darum geht, Öl als den wichtigsten Rohstoff dieser Welt zu kontrollieren und unter seine Herrschaft zu bringen. Der Wahnsinn hinter all dem hat Methode – mir einem Wort: Profit.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.04.11
Drei von vier Bürgern in Deutschland wollen den gesetzlichen Mindestlohn. Nach einer repräsentativen Umfrage von Infratest-dimap im Auftrag der Gewerkschaften ver.di und Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) verlangen 76 Prozent der Befragten seine sofortige Einführung, um verschärftem Lohndumping als Konsequenz der ab 1.Mai geltenden erweiterten »Arbeitnehmerfreizügigkeit« in Europa zu begegnen. Rückendeckung für die Forderung lieferte eine am Freitag veröffentlichte Studie des Schweizer Prognos-Instituts für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Danach würde ein allgemeiner Mindestlohn nicht nur die Situation von Millionen prekär Beschäftigten nachhaltig verbessern, sondern dem Staat obendrein Mehreinnahmen von etlichen Milliarden Euro bescheren.
Im Fall eines Entgelts pro Arbeitsstunde von mindestens von 8,50 Euro könnten nach Berechnungen des namhaften Forschungsunternehmens für die öffentlichen Haushalte jährlich mehr als sieben Milliarden Euro zusätzlich herausspringen. Die Summe setzt sich zusammen aus einem Mehraufkommen aus direkten Steuern und Sozialbeiträgen von jeweils 2,7 Milliarden Euro sowie Einsparungen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro bei den Sozialleistungen – wie etwa Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Wohngeld. Die Zahl derer, die mit 8,50 Euro dann einen höheren Stundenlohn als bisher erhalten, beziffert das Institut mit fünf Millionen Personen, die aktuell mit weniger als 8,50 Euro bezahlt werden. Insgesamt würde sich das Erwerbseinkommen der privaten Haushalte um 14,5 Milliarden Euro erhöhen. Infolge der damit verbundenen Impulse beim Konsum könnten Bund, Länder und Gemeinden mit weiteren 700 Millionen Euro an indirekten Steuern rechnen. Bei einem Mindestlohn von zwölf Euro kalkuliert Prognos mit einem fiskalischen Nutzen von rund 25 Milliarden Euro.
»Dumpinglöhne belasten die öffentlichen Haushalte, und der Staat subventioniert faktisch die Lohndrückerei der Unternehmen, indem er für die gesellschaftlichen Folgekosten aufkommt«, bemerkte dazu Rudolf Hickel, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Bremen, am Freitag gegenüber junge Welt. Die Bundesregierung sträubt sich bislang beharrlich gegen die Festlegung einer gesetzlich verbindlichen Lohnuntergrenze und ist damit international ziemlich isoliert. Von den 27 EU-Mitgliedsländern gibt es nur in Deutschland und Zypern keinen solchen Schutz.
Nach besagter infratest-dimap-Erhebung stößt ein Mindestlohn inzwischen sogar bei konservativen und liberalen Parteigängern auf großen Zuspruch. So plädieren selbst von den FDP-Anhängern 76 Prozent »stark oder sehr stark« dafür, das Instrument umgehend einzuführen. Unter Unionswählern sind es 63 Prozent, bei der SPD-Anhängerschaft 88 Prozent und in Reihen der Grünen-Wählerschaft 81 Prozent. Von den der Linkspartei zugeneigten Befragten sprachen sich 100 Prozent dafür aus. Der Ökonom Hickel ist immerhin »vorsichtig optimistisch, daß bei der Regierung ein Umdenken einsetzt«, glaubt aber nicht an ein Einlenken der Wirtschaft. »Es geht hier um knallharten Verteilungskampf.«
Die Linke macht sich für einen Mindestlohn von zehn Euro stark. Flankiert werden müßte dessen Einführung allerdings von der Beseitigung aller prekären Arbeitsverhältnisse etwa in Form von Leiharbeit und Minijobs, wie Michael Schlecht von der Bundestagsfraktion Die Linke am Freitag im jW-Gespräch ausführte. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind derzeit rund 1,4 Millionen Menschen darauf angewiesen, ihr Einkommen mit staatlichen Mitteln aufzubessern. »Die Aufstockerei kostet den Staat jährlich zehn Milliarden Euro«, monierte Schlecht, der zugleich Chefvolkswirt beim ver.di-Bundesvorstand ist. »Damit hat ein Viertel der ganzen Hartz-IV-Kosten nur damit zu tun, die eigentlichen Sozialschmarotzer zu alimentieren – nämlich die Unternehmen, die ihre Beschäftigten mit Hungerlöhnen abspeisen.«
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.04.11
Der hessische Hochtaunuskreis hat für seine beiden Krankenhäuser mit der Hannover Leasing GmbH & Co. KG einen Public-Private-Partnership-Vertrag geschlossen. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte blind zu, Die Linke wollte für etwas Transparenz sorgen und wurde bedroht. Der Landkreis haftet 25 Jahre für die Risiken des Investors, der hessischen Landesbank und der BayernLB. Gefälligkeitsberater und der Niedrigstlohnausbeuter Dussmann helfen bei der Sicherung der Rendite.
Montag, 7. Februar 2011, 17 Uhr: Hochtaunuskreis, Landkreisamt. Landrat Ulrich Krebs (CDU) hat die 71 gewählten Mitglieder des Kreistages zusammengerufen. Sie sollen darüber beschließen, ob die YOLANDE Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. VermietungsKG den Zuschlag für das beste Angebot zum Neubau und zum 25jährigen Betrieb der beiden Hochtaunus-Kliniken in Homburg vor der Höhe und Usingen bekommt. Der Landrat läßt den Abgeordneten die »Abschließende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (aWU) im PPP-Projekt Neubauten der Hochtaunus-Kliniken gGmbH« verteilen.
Das Dokument mit Finanzkauderwelsch und eng gefüllten Zinstabellen, Zahlungsströmen, Barwertermittlungen und Busineßplan hat 67 Seiten. Auf Seite 32 könnten die Abgeordneten, wenn sie die Stelle finden würden und Zeit hätten, den Satz lesen, auf den es ankommt: Sie sollen das Angebot des »bestplazierten Bieters«, von YOLANDE also, annehmen: »Die rechnerische Effizienzbetrachtung ergibt für das vorliegende Angebot gegenüber der konventionellen Beschaffung insgesamt Einsparungen von rund 126,2 Millionen Euro. Dies entspricht über den Lebenszyklus der Immobilie wirtschaftlichen Effizienzen von rund 26,58 Prozent. Somit stellt die PPP-Variante das deutlich wirtschaftlichere Beschaffungsverfahren dar.«
Von YOLANDE haben die Abgeordneten noch nie etwas gehört. Außerdem ist hinter den Kulissen schon beschlossen: Angebot annehmen!
Politposse im Kreistag
Gleich zu Beginn der Sitzung berichtet die Kreistagsvorsitzende Madeleine Funke (CDU) in unheilschwangerem Tonfall, daß die Linke die gesamten Unterlagen einem externen Gutachter zur Prüfung gegeben habe. Das verstoße gegen die »Selbstverpflichtung, sensible Daten geheimzuhalten«. Was für eine geheimnisvolle, ungeschriebene »Selbstverpflichtung« das sein soll, brauchen die als christlich firmierenden Landkreisherrscher nicht zu erklären. Landrat Krebs zieht nach und droht in Richtung der beiden verlorenen Kreistags-Linken: Wenn wegen dieses Vertrauensbruchs der PPP-Vertrag scheitere, komme auf Die Linke möglicherweise eine Schadenersatzzahlung in Millionenhöhe zu. Außerdem sei der Gutachter der Linken ein »ATTAC-Aktivist«.
Da kommt heftiger Unmut auf in den Reihen von CDU, FDP, SPD, Freier Wählergemeinschaft und beim »Republikaner«. Doch Bernd Vorlaeufer-Germer von der Linken, als ihm notgedrungen das Rederecht nicht vorenthalten werden kann, zitiert tapfer und ausführlich aus dem Gutachten. In der Sitzungspause wird er von einigen Selbstverpflichtungsdemokraten angepöbelt.
Ungeduldig drängeln die Blockflötenparteien zur sofortigen Annahme des YOLANDE-Angebots. Aber sie müssen erst noch ertragen, daß die SPD-Fraktion unbedingt vorher »große Bedenken« äußern muß. SPD-Fraktionschef Manfred Gönsch, nachdem zwei Genossen den Saal verlassen haben, warnt: Es sei keinesfalls sicher, daß YOLANDE der günstigste Bieter sei– aber dann stimmt der brave Sozialdemokrat doch dem bedenklichen Angebot zu. Die SPD-Abgeordnete Petra Fuhrmann, auch Mitglied des Landtags, muß noch eine persönliche Erklärung loswerden: Sie kritisiert eindringlich, daß die entscheidenden Unterlagen erst kurz vor der Sitzung vorlagen und nicht richtig geprüft werden konnten– aber auch sie stimmt brav dem ungeprüften Angebot zu.
Nur die zwei Linken lehnen prinzipiell ab, die Grünen wegen mangelnder Transparenz. Dabei hat sich die Abgeordnete Fuhrmann mit ihrer Kritik arg getäuscht. Denn die entscheidenden Unterlagen wurden nicht zu spät, sondern überhaupt nicht vorgelegt. Der Vertrag, den die Geschäftsführerin der Hochtaunus-Kliniken gGmbh, Dr. Julia Hefty (CDU), aufgrund der Entscheidung im Kreistag mit YOLANDE unterzeichnen durfte, wurde keinem Abgeordneten vorgelegt. Der Vertrag blieb und bleibt geheim.
Beraten, kassieren, abhauen
Die erste Fassung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung mit Datum vom Februar 2010 wurde vom Beratungsunternehmen Andree Consult GmbH erstellt. Als weiteren Berater hatte Landrat Krebs Deutschlands zweitgrößte Wirtschaftskanzlei, Noerr/Stiefenhofer/Lutz (seit 2010 Noerr LLP), hinzugezogen. Die beiden Firmen sind nicht neutral und unabhängig, sondern PPP-Lobbyisten. So sind sie z.B. beide Mitglied in der wichtigsten Lobbyorganisation, dem Bundesverband Public-Private-Partnership.
Sie empfahlen die PPP-Variante, schon bevor sie die Vergleichsdaten hatten. Anstelle konkreter Zahlen behalfen sie sich mit »xx, x«: »Die rechnerische Effizienzbetrachtung ergibt für die vorliegenden Angebote ein gegenüber der konventionellen Beschaffung um zirka xx, x Millionen Euro niedrigeren Barwert und somit über den Lebenszyklus der Immobilie wirtschaftliche Effizienzen von xx, x Prozent. Somit stellt die PPP-Variante das deutlich wirtschaftlichere Beschaffungsverfahren dar.« Alles klar?
Die endgültigen 26,58 Prozent »Effizienzvorteil« zugunsten der PPP-Variante gaben die Berater erst in der abschließenden Fassung am 4. Februar 2011 preis – wobei die Genauigkeit bis zwei Stellen hinter dem Komma wohl im umgekehrten Verhältnis zur empirisch fundierten Datengrundlage steht.
Doch dann heißt es im unscheinbaren Abschnitt »Haftungsausschluß« auf Seite 37: »Künftige Ereignisse sind ungewiß.« Erstaunlich, was diese hochbezahlten Berater alles wissen. Man könnte diese Allerweltsweisheit auch als Hinweis auf das wissenschaftliche Niveau von Andree Consult auf sich beruhen lassen.
Doch dieser Satz steht nicht zufällig da. Er hat es in sich. Denn er bedeutet, daß ihre Prognose von 26,58 Prozent Effizienzvorteil und ihre sonstigen Aussagen nur »Meinungsäußerungen« sind. »Die Andree Consult GmbH haftet daher nicht für Schäden, die darauf beruhen, daß Entscheidungen auf in diesem Bericht erstellte Prognosen gestützt werden.« Die Berater handeln nach dem Motto: Beraten, kassieren, sich aus dem Staub machen. Und darauf stützen die christlich-liberalen Hochtaunus-Blockflöten ihre »verantwortliche« Entscheidung!
Der Hochtaunuskreis ist nach dem durchschnittlichen Einkommen der Bürger der reichste Landkreis in Deutschland. Vor einigen Jahren wurde (deswegen) mehr Einkommenssteuer zurückgezahlt als eingenommen wurde. Und der reiche Landkreis ist hoch verschuldet – eine ideale Brutstätte für CDU und FDP. Mit ihrem Fußvolk, der Freien Wählergemeinschaft (FWG) und dem Republikaner, beherrschen sie ungestört und mit selbstgefälliger Routine die Reichenprovinz.
Am 20. März 2008 gab die Landesregierung, vertreten durch Arbeitsminister Jürgen Banzer (Vorsitzender der CDU im Hochtaunuskreis), dieser Region eine Fördermittelzusage über 70 Millionen Euro: Damit sollten die Kliniken renoviert werden, und zwar unter der Bedingung eines PPP-Projekts. Die Marktmechanismen wurden außer Kraft gesetzt, ohne genaue Prüfung wurde eine frühzeitige Entscheidung zugunsten der PPP-Variante durchgedrückt.
Die Fördermittel sind zudem Teil einer Milchmädchenrechnung. Denn die 70 Millionen werden im Landeshaushalt fehlen und auch im Hochtaunuskreis zu »Sparmaßnahmen« führen. Die von den selbstverpflichteten Geheimdemokraten CDU, FDP, SPD und Grüne in Hessen durchgedrückte »Schuldenbremse« sichert das zusätzlich ab.
Diese Bevorzugung und das Ausbluten des Landeshaushalts ließen sich die angeblichen Marktbefürworter zusätzlich etwas kosten: Sie ließen sich von der Wirtschaftskanzlei Noerr in dem gut honorierten Gutachten bestätigen, daß die Subvention nicht gegen die EU-Vorschriften verstößt, die solche Unterstützungen eigentlich verbieten.
Subventionen und Bürgschaften
Für den Fall, daß die Kliniken gGmbH während der 25 Jahre nicht mehr die Miete an YOLANDE zahlen kann, übernimmt der Landkreis Ausfallbürgschaften gegenüber zwei maroden Landesbanken. Diese mischen bei PPP bekanntlich vorn mit, hier sind es die hessische Landesbank (Helaba) und, mit einem geringeren Anteil, die BayernLB. Die Bürgschaft über 179 Millionen Euro umfaßt nicht nur die regulären Mieten, sondern auch eine »etwaige Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung«, die beispielsweise »wegen einer vorzeitigen Beendigung des Projektvertrages Bau oder wegen Unterschreitung des vertraglich vereinbarten Finanzierungsvolumens« entstehen kann.
So zeigt sich auch hier, daß die PPP-Methode widersprüchlich ist: »Die leeren öffentlichen Kassen« dienen einerseits als Begründung dafür, daß man auf PPP ausweichen müsse. Gleichzeitig aber tragen die »leeren öffentlichen Kassen« das gesamte finanzielle Risiko!
Aber was bedeutet hier noch die Unterscheidung zwischen privat und staatlich? Der »private« Investor Hannover Leasing ist ja eine Tochterfirma der »staatlichen« hessischen Landesbank. Gegenwärtig unterwirft die Europäische Union die Landesbanken einem verstärkten Streßtest. Sie müssen zusätzliche Sicherheiten beibringen. Auch die Helaba zittert. Die Landesregierung muß ihre marode Landesbank stützen, kann und will aber selbst nicht so recht. Also soll auch der Hochtaunuskreis mit seinen Bürgschaften einspringen. Der verschuldete Gemeindeverband sichert nicht nur den Investor Hannover Leasing und seine Anleger ab, sondern hilft auch noch der überschuldeten Landesbank, die über ihre Tochterfirma Hannover Leasing mit Hilfe von PPP den Haushalt des Hochtaunuskreises ruiniert.
Die angebliche Notwendigkeit einer solchen Garantie steht übrigens auch im Widerspruch zum Busineßplan. Darin heißt es, daß die Hochtaunus-Kliniken »in der Lage sein werden, die vertraglich vereinbarte PPP-Rate aus eigener Kraft dauerhaft zu leisten«. Warum dann aber die Bürgschaft? Offensichtlich glauben die Befürworter ihren Behauptungen selbst nicht.
Wenn die Geheimdemokraten schon mal dabei sind, die gelobte staatsfreie Privatwirtschaft zu subventionieren und auf Kosten der Steuerzahler vor allen Risiken des freien Marktes zu bewahren, dann können sie gleich noch ein bißchen mehr tun. Deshalb soll der Landkreis zusätzlich auch eine Ausfallbürgschaft über 17 Millionen für die gleichzeitig neu zu bauende Privatklinik übernehmen. Sie hat nichts mit dem öffentlichen Versorgungsauftrag (wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung im Hochtaunuskreis) zu tun. Deshalb bezieht sich die 70-Millionen-Euro-Förderung des Landes Hessen nicht auf diese Gebäude. Warum dann aber eine öffentliche Bürgschaft für die Privatklinik der Chefärzte?
Und wenn die ungestörte liberal-christliche Herrschaft in der reichen hessischen Provinz sowieso schon dabei ist, ihre Klientel zu begünstigen, dann kann man den Staat auch noch weiter schädigen. Wie heißt es doch im Gefälligkeitsgutachten von Andree Consult: »Steuerauswirkungen wurden nicht berücksichtigt.« Diese unscheinbare Formulierung deutet nur für den Eingeweihten ein Geheimnis an, jedenfalls etwas, das öffentlich auch im Kreistag nie diskutiert wurde: Für jedes PPP-Projekt legt der Investor einen »steuersparenden« Immobilienfonds auf, auch im Hochtaunuskreis.
YOLANDE verkauft die Zahlungsverpflichtungen der Kliniken aus dem Projektvertrag Bau an Helaba und BayernLB (Forfaitierung oder Forderungsverkauf). So muß die Kliniken gGmbH die Zahlungen nicht an YOLANDE, sondern an die Banken leisten; deshalb die Bürgschaft. Gleichzeitig verzichtet die Kliniken gGmbH das Recht, »auf jedwede gegenwärtigen oder zukünftigen Einreden und Einwendungen«.
Die Kliniken gGmbH kann also bei Schlechtleistung des Investors nicht die Miete mindern. Die Banken bekommen somit eine Garantie dafür, daß alle Zahlungen vollständig und pünktlich geleistet werden. Die Garantieforderung der Bank ist auch dann zu erfüllen, wenn der Kliniken gGmbH gegen den Investor »Mängelbeseitigungs-, Selbstvornahme-, Minderungs-, Aufwendungsersatz-, Schadenersatz- oder sonstige Gegenansprüche aus dem Projektvertrag Bau (…) zustehen«. Der Landkreis schwächt seine Position zusätzlich dadurch, daß die Banken die aufgekauften Forderungen an andere Finanzinstitute weiterverkaufen können. Der riskante Weg, dem Investor mit Hilfe von Forfaitierung und Einredeverzicht kommunalkreditähnliche Bedingungen zu verschaffen, wäre nicht nötig, wenn der Landkreis selbst den Kredit aufnimmt und als Bauherr auftritt.
Private Bürokratie
Statt der heftig kritisierten staatlichen Bürokratie wird eine privatrechtliche aufgebaut, bei der der Staat (hier in Gestalt des Hochtaunuskreises) als Komplize auftritt. Diese Bürokratie ist noch intransparenter: Bei Streitigkeiten darüber, ob der Investor und seine Subunternehmer ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen, sollen die Vertragspartner möglichst nicht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten beschreiten. Vielmehr gibt es eine private, nichtöffentliche Streitschlichtung. Zwingend ist dies für Streitwerte unter einer Million Euro. Erst wenn der Streitwert darüber liegt, ist der Gang zu den Gerichten möglich. Auf Antrag einer der beiden Parteien muß ein öffentlich bestellter und vereidigter Schiedsgutachter benannt werden. Können sich die Parteien nicht einigen, entscheidet der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt/Main. Dies bedeutet: 1. Die Öffentlichkeit bleibt ausgeschaltet. 2. Die private Investorenseite ist im Vorteil, da die IHK bekanntlich die Interessen der privaten Wirtschaft vertritt und nicht die der öffentlichen Hand.
Zusätzlich zur privaten Streitschlichtung soll ein eigens zu gründender fünfköpfiger Vertragsbeirat über die Vertragserfüllung wachen und Streitigkeiten beilegen. Er tagt ebenfalls nicht öffentlich. Damit werden der Kreistag und seine Ausschüsse ausgeschaltet. Auch hier hat der Präsident der IHK Frankfurt/Main das letzte Wort, wenn sich die Parteien nicht über die Benennung des Vorsitzenden einigen können. Wenn es im Beirat zum Patt kommt, gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Somit ist auch hier die öffentliche Hand im Nachteil.
Die Erfüllung der vertraglichen Leistungen des Investors wird nach einem Malussystem bewertet: Wie werden die vereinbarten Reaktions- und Behebungszeiten bei der Beseitigung von Mängeln eingehalten? Wie gut sind die Nutzungsflächen verfügbar? Wie zufrieden sind die Nutzer? Bei Nichteinhaltung der Reaktionszeiten u.ä. wird ein Abzug (Malus) an der monatlichen Miete fällig. Die konkrete Höhe unterliegt einem komplizierten Berechnungsmodell. Das Malussystem gilt für die Bereiche Betrieb und Reinigung. Das erfordert einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Für die öffentliche Seite ist dies nachteilig, denn die Grundlage für die Bewertung ist der vierteljährlich erstellte Service-Level-Bericht: Er wird vom Investor geschrieben. Der Geprüfte prüft sich also selbst.
Das große Tabu im Kreistag ist die Rendite des Investors und der Anleger. Darüber diskutieren die Geheimdemokraten (öffentlich) nie, denn beim »All inclusive«-PPP-Angebot ist neben Planung, Bau und Betrieb die Finanzierung allein Sache des Investors.
Der Investor YOLANDE ist eine der vielen Tochterfirmen von Hannover Leasing. Und Hannover Leasing ist eine der vielen Tochterfirmen der hessischen Landesbank (Helaba). Hannover Leasing mit Sitz in Pullach bei München führt die Geschäfte von YOLANDE und wirbt für ihre »Fondsprodukte«, die das Geld der Anleger in Infrastrukturprojekte investieren, mit dem Slogan: »Home Run für Ihr Portfolio«.
Die verfallene Infrastruktur der USA ist das Hauptgeschäftsgebiet. Aber auch in den verschuldeten Staaten Europas sieht man neue strahlende Möglichkeiten. Angegeben wird eine »Zielrendite von 12 bis 14 Prozent pro Jahr vor Steuern«. Den Anlegern bleibt überlassen, ihre Investitionen auch steuermindernd geltend zu machen. In Hessen hat Hannover Leasing schon ein anderes PPP-Projekt, die »Schule des lebenslangen Lernens« in Dreieich. Den Anlegern, die sich hier schon ab 15000 Euro am Immobilienfonds (für das »Haus des Lebenslangen Lernens«) beteiligen können, wird eine jährliche Ausschüttung und ein Steuervorteil versprochen.
Personalabbau in Aussicht
Das bisherige Personal aus Service, Hauswirtschaft, Bettenzentrale und Werkstatt wird dem Investor »beigestellt«, bleibt also im Arbeitsverhältnis mit der Kliniken gGmbH. Das öffentliche Dienstrecht gilt weiter. Laut PPP-Vertrag wird das Personal »nach Möglichkeit in dem bisherigen Umfang« eingesetzt und »mit den bislang bei der Kliniken gGmbH übernommenen Aufgaben« betraut werden. Den beigestellten Arbeitern können aber auch abweichend davon »andere Aufgaben und Tätigkeitsbereiche« zugewiesen werden. Obwohl diese Personalbeistellung keine gewerbsmäßige »Arbeitnehmerüberlassung« ist, verpflichtet sich die Kliniken gGmbH »dennoch, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu beantragen«.
Den Sinn dieser Erlaubnis haben die Blockflöten im Kreistag vielleicht gekannt oder auch nicht. Er erschließt sich durch die nachträglich von Hannover Leasing veröffentlichte Mitteilung an die Anleger: Als Bau- und Betreiberfirma hat YOLANDE den niederländischen Baukonzern Royal BAM Group geholt. Deren Nachunternehmer ist Dussmann Service Deutschland GmbH, der größte deutsche Betreiber von Reinigungs-, Gebäude-, Sicherheits- und Cateringdiensten. Dussmanns Markenzeichen sind Tarifflucht und Niedrigstlöhne. Auf eine Anfrage der Linken antwortete der Landrat nach Abschluß des PPP-Vertrags: »Die Gefahr von Tarifsteigerungen wurde beim Verbleib im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TvÖD) als höher eingeschätzt als in privatwirtschaftlichen Tarifen. Auch ist es seitens des privaten Partners im Falle von Tarifsteigerungen besser möglich, diese über Personalabbau zu kompensieren.«
Von Werner Rügemer erscheint Ende Mai das Buch: »Heuschrecken« im öffentlichen Raum. Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage, transcript Verlag, Bielefeld 2011, 204 Seiten, 18,80 Euro
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.04.11
Der Feind steht links – an dieser Maxime hat sich für die Springer-Presse seit dem Kalten Krieg nichts geändert. Und als »links« wird alles verortet, was links vom Bürgerblock aus CDU und FDP steht – von den Autonomen über Linkspartei und Grüne bis zur SPD.
Pünktlich zum 1. Mai schreibt das auflagenstärkste Berliner Springer-Blatt BZ Gewalt förmlich herbei. Während linksradikale Demonstrationsaufrufe zwar in Anlehnung an die arabischen Revolutionen einen »Tag des Zorns« verkünden, sich aber zugleich konkret gegen kapitalistische Ausbeutung, steigende Mieten und die Verdrängung ärmerer Menschen aus ihren Vierteln wenden, übt sich die BZ in Vorverurteilungen von Demonstrierenden. Dabei sind ihr keine Haßpredigt und kein Superlativ zuviel: »Bald ist wieder 1. Mai – und so traurig wie erwartbar wird Kreuzberg brennen«, weiß die BZ schon zwei Wochen vor diesem Datum zu einem Zeitpunkt, an dem selbst die Polizei noch keine Aussagen über mögliche Gewalt treffen will.
»Wie der linksextreme Untergrund in Berlin organisiert ist«, will das Blatt in einer »großen BZ-Serie« jeweils auf Doppelseiten enthüllen. Journalistische Sorgfaltspflicht ist nicht gefragt. Da müßte man erwähnen, daß selbst der Berliner Verfassungsschutz einen Rückgang »linksextremer Gewalt« um die Hälfte feststellt. Doch bei der BZ zählen nur Sensation, Spekulation und wilde Verschwörungstheorien über »die linksextreme Mafia« und »das geheime Netzwerk der linken Chaoten und ihrer Helfer«. Die Artikel über die »Krawallmaschinerie« werden garniert mit Berichten über einen am Rande der linken Szene agierenden Autobrandstifter und einen Angriff Unbekannter mit Molotowcocktails auf eine Polizeiwache, mit Bildern von vermummten Steinewerfern. Dazu werden »Drahtzieher der linken Szene« vorgestellt, namentlich und zum Teil mit Fotos, als handle es sich um die Hintermänner- und frauen der zuvor geschilderten Gewalttaten. Die »Beweislage« ist BZ-typisch dünn: Ein Buchhändler wird beschuldigt, »linksradikale Schriften im Angebot« zu haben. Einem Rechtsanwalt wird angelastet, daß er linke Angeklagte verteidige und mit der Antirepressionsorganisation Rote Hilfe sympathisiere.
Besonderen Wert legt die BZ auf die »Paktiererei« vermeintlicher Linksextremer mit Parlamentariern: Einem meiner wissenschaftlichen Mitarbeiter wird neben seiner Mitgliedschaft in der Roten Hilfe vorgeworfen, kurzfristig Anmelder der diesjährigen Maidemonstration gewesen zu sein. Einer Bundestagsabgeordneten der Linken wird vorgeworfen, daß sie an einer antifaschistischen Demonstration in Dresden »in vorderster Reihe« mitmarschierte und auf ihrer Website einen Link zur »teils vom Verfassungsschutz beobachteten« VVN-BdA habe. Einer Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses wird vorgeworfen, daß Antifaschismus zu ihren Schwerpunktthemen gehört und sie »auf einschlägigen Seiten gerne zitiert« würde. Ein SPD-Bezirksabgeordneter wird aufgelistet, weil er Mitglied im »Netzwerk Selbsthilfe e.V.« ist, das einmal eine Antifa-Broschüre mit Demonstrationstips unterstützte. Eine ehemalige Baustadträtin soll mit Hausbesetzern in Kontakt stehen. Staatsgelder für Extremismus– diese Gefahr sieht die BZ auch im Falle der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der VVN-BdA 5000 Euro für eine Ausstellung über Arbeiterwiderstand gegen Hitler spendete. Gipfel der Paktiererei: Das vom Land Berlin geförderte Projekt »Reach Out« gegen Rechtsextremismus verweist im Internet auf Antifa-Chroniken, die wiederum zu Websites von Antifa-Gruppen verlinkt sind, die wiederum Links zu vom Verfassungsschutz als »demokratiefeindlich« eingestuften Organisationen enthalten. Kontaktschuld nennt man sowas. Strafbar ist das nur in Diktaturen.
Stichwortgeber mancher »Enthüllungen« scheint die Antiantifa-Rubrik der extrem rechten Zeitung Junge Freiheit zu sein. Hier wurden mehrere der von der BZ betrachteten linken Aktivisten und Projekte kurz zuvor behandelt. Daß die Springer-Presse und die Junge Freiheit des öfteren Brüder im Geiste sind – insbesondere bei der versuchten Kriminalisierung antifaschistischen Engagements – ist nichts Neues. Die BZ-Serie macht die Antiantifa-Recherchen des Rechtsaußenblattes salonfähig.
Der politische Zusammenhang ist offenkundig: So wie die BZ gegen Linke hetzt, so hat Bundesfamilienministerin Kristina Schröder den Kampf gegen vermeintlichen linken Extremismus schon lange zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht. Sie hat das Prinzip der Kontaktschuld gar zur Bundespolitik gemacht: Projekte gegen Rassismus und Rechtsextremismus erhalten nur noch staatliche Gelder, wenn sie sich verpflichten, sämtliche ihrer Kooperationspartner auf Verfassungstreue zu überprüfen – und zwar mit Hilfe des Verfassungsschutzes als gleichsam unfehlbarer Instanz. Kooperationen mit der VVN-BdA oder der Linkspartei sind nur noch nach staatlicher Einzelfallprüfung möglich.
So wie heute gegen Antifaschisten und angebliche linke »Drahtzieher« gehetzt wird, hetzte Springer auch gegen die APO und die Studierendenbewegung, die 1968 gegen Notstandsgesetze und Vietnamkrieg auf die Straße gingen. Die Folge waren unter anderem die Schüsse des Neofaschisten Bachmann auf Studentenführer Rudi Dutschke, an deren Spätfolgen er starb. Rudi Dutschke und die APO hatten eine passende Antwort auf die Springer-Hetze: Enteignet Springer! Diese Losung hat nichts von ihrer Aktualität verloren.
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.04.11
In ihrem Wahlprogramm haben sich die Grünen in Rheinland-Pfalz gegen den Bau der Moselbrücke ausgesprochen. Jetzt suchen sie gemeinsam mit Koalitionspartner und Brücken-Befürworter SPD nach einem Kompromiss.
Dazu erklärt die Landesvorsitzende der LINKEN Rheinland-Pfalz, Elke Theisinger-Hinkel: Es war von vornherein klar, dass die Grünen in Rheinland-Pfalz ihre Wahlversprechen relativieren, sobald sie am Tisch der Regierungskoalition sitzen dürfen. Es wird ihnen nicht gelingen, das umweltzerstörende und überflüssige Mega-Projekt der vormaligen SPD-Alleinregierung zu stoppen – mindestens 330 Millionen Euro Steuergelder soll der Hochmoselübergang kosten. Um drei Ministerien in Mainz zu ergattern, nehmen sie den Vorwurf der Doppelzüngigkeit in Kauf, die Machtfrage ist ihnen wichtiger als Antworten auf die wirklichen Probleme der Bürgerinnen und Bürger.
Die SPD wird, um die Grünen nicht vollends dem Gesichtsverlust auszusetzen, im Gegenzug den Bau der Rheinbrücke erst mal verschieben, ehe auch hier die Bürgerinnen und Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Der von Rot-Grün angekündigte Baustopp für das Moselprojekt war ein Illusionistentrick – nach wie vor wird dort weitergebaut.
Die SPD treibt den künftigen Regierungspartner mit Hinweisen auf angebliche finanzielle Sachzwänge und die nach Ansicht der LINKEN kontraproduktive Schuldenbremse vor sich her und in eine ausweglose Situation: Die Grünen werden entweder weiterhin Zugeständnisse auf Kosten ihrer Glaubwürdigkeit machen – oder die Koalition mit der machtarroganten SPD wird zerbrechen.
Quelle: Landesvorstand DIE LINKE Rheinland-Pfalz
Die Metallerinnen und Metaller beim Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer im pfälzischen Frankenthal haben sich zu 94,49 Prozent für einen Streik ausgesprochen. Im Laufe der kommenden Woche wird der IG Metall-Vorstand entscheiden, wann der unbefristete Arbeitskampf beginnt.
„Die Stimmung bei den Kollegen im Betrieb ist sehr gut“, freut sich Betriebsratsvorsitzender Michael Gasbarri. Die Motivation vor Ort sei überwältigend. Die ersten Planungen laufen bereits. Die ersten Plakate sind fertig. Großzelte und Toilettenwagen müssen besorgt, Essen, Kaffee und Kuchen bereit gestellt werden. Und vor allem die Bevölkerung soll einbezogen werden. Am Sonntag, auf der 1. Mai-Kundgebung, wollen die Beschäftigten den Frankenthalern erklären, worum es bei dem Streik geht.
Auch IG Metall-Bezirksleiter Armin Schild ist mit dem Ergebnis der Urabstimmung zufrieden. „Mit diesem eindeutigen Votum der stimmberechtigten Gewerkschaftsmitglieder wird der Geschäftsleitung vor Augen geführt, was die Beschäftigten in Frankenthal wollen: Sie kämpfen um jeden einzelnen Arbeitsplatz und die IG Metall garantiert ihnen dabei volle Unterstützung“, sagte Schild. „Wir werden so lange kämpfen, bis unsere Forderungen eines Sozialtarifvertrages erfüllt sind.“
Der Urabstimmung waren monatelange Verhandlungen zwischen Gewerkschaft, dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung vorausgegangen. Die Gespräche wurden am Donnerstag vor Ostern ohne Ergebnis beendet.
Die Pläne des KBA-Vorstands sehen in Frankenthal zwei neue GmbHs vor, eine für eine mechanische Fertigung und eine für Technologie. Die Produktion der Falzapparate – das Herzstück am Standort Frankenthal – soll innerhalb der nächsten fünf Jahre an den KBA-Standort Würzburg verlagert werden.
Der Verlust der Arbeitsplätze wäre ein Schlag für die Familien und die gesamte Region, sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Frankenthal, Günter Hoetzl. „Die Belegschaft hat mit dem Urabstimmungsergebnis eindrucksvoll gezeigt, dass sie die Zerschlagung eines Traditionsunternehmens mit Weltmarktrang nicht hinnehmen wird. Solide Maßarbeit hat ihren Wert und darf nicht einfach verlagert werden, das muss die Unternehmensleitung erkennen – wenn sie das nicht anerkennt, werden wir es ihnen zeigen.“
Quelle> IG Metall vom 29.04.11
Berlin. Am Mittwoch abend protestierten rund 50 Antifaschisten in Berlin-Neukölln gegen einen Brandanschlag in Greifswald. Eine weitere Demonstration war für Donnerstag abend in Greifswald angekündigt.
Die Brandanschläge in der Nacht zum Mittwoch richteten sich gegen das Internationale Kultur- und Wohnprojekt (IKuWo), ein Treffpunkt der linken und alternative Szene in der Hansestadt, sowie gegen die Bewohner eines Bauwagenplatzes in Alt-Ungnade. Dort brannte ein Heuhaufen. Ein Bauer, der zufällig in der Nähe war, bemerkte den Brand und konnte Schlimmeres verhindern. Vor dem IKuWo-Gelände wurde ein Pkw, in dem sich schlafende Personen befanden, in Brand gesetzt. Auch hier ist es nur dem Zufall zu verdanken, daß das Feuer rechtzeitig bemerkt wurde. In der Nähe der Tatorte wurden rechte Parolen entdeckt. Antifaschisten sehen die Anschläge als Vorboten des 1. Mai. Da haben Neonazis einen Aufmarsch in Greifswald angemeldet, der direkt zu einem Flüchtlingsheim führen soll. Um das zu verhindern, treffen sich Nazigegner um 9 Uhr in der Heinrich-Hertz-Straße/Ecke Spiegelsdorfer Wende (greifswaldnazifrei.blogsport.eu). (jW)
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.04.11
Es war nicht anders zu erwarten. E.on-Chef Johannes Teyssen nutzte am Donnerstag seinen Auftritt vor der Atom-Ethikkommission zur Werbung für seine Schrottmeiler. Ein schneller Ausstieg aus der Atomenergienutzung ginge nur auf Kosten des Klimaschutzes, weil dann mehr Kohle- und Gaskraftwerke gebaut werden müßten. Das ist die alte Leier; die Energiekonzerne versuchen, ihre AKW, deren Gefährlichkeit die Reaktorkatastrophe in Fukushima erneut demonstriert, als die großen Klimaschützer darzustellen. Die Wahrheit sieht indes etwas anders aus. Seit Jahren beklagen Energiewirtschaftler und Vertreter der Wind- und Solarbranchen, daß die Großkraftwerke das Netz verstopfen und damit immer wieder die Einspeisung vor allem aus Windkraftanlagen verhindern. Der Konflikt ist in einigen Küstenregionen bereits über zehn Jahre alt. In den letzten Jahren hat er sich verschärft und auch auf Gebiete im Landesinneren übergegriffen, weil entgegen der anderslautenden gesetzlichen Verpflichtungen die Netzbetreiber, oft identisch mit den AKW-Besitzern, die Infrastruktur nicht ausreichend vorbereitet haben. Die Stillegung der unflexiblen AKW, die so gar nicht als Ergänzung zum variabel anfallenden Wind- und Sonnenstrom passen, könnte also Entlastung schaffen und den Ausbau der sauberen Stromversorgung erleichtern. Eine am Mittwoch vorgestellte Studie der Universität Flensburg zeigt zudem, daß im Gegensatz zu den Behauptungen des E.on-Chefs selbst bei einem schnellen Ausstieg bis 2015 keine zusätzlichen Kohlekraftwerke gebaut werden müssen, sieht man einmal von jenen ab, für die bereits der erste Spatenstich getan wurde.
Den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält das alles nicht davon ab, erneut für die großen Energiekonzerne in die Bresche zu springen. Anfang der Woche stellte er ein Gutachten vor, das rechtzeitig zur Sitzung der Ethikkommission sein Lieblingsargument untermauern sollte. Der Atomausstieg würde die Strompreise in die Höhe treiben. Bei näherem Hinsehen erweist sich das als bloßes Schreckgespenst. Um bis zu 30 Prozent stiege bei einem schnellen Ausstieg bis 2017 der Großhandelspreis im Jahr 2018, so das Ergebnis. Das hört sich nach viel an, ist es aber nicht, denn die Rechnung des Abnehmers wird nur zum geringeren Teil von den Einkaufpreisen des Stromanbieters bestimmt. Diese würden 2018, so die BDI-Studie, von 5,4 auf sieben Cent pro Kilowattstunde zulegen. Für den privaten Endverbraucher wäre das bei einem aktuellen Preis von rund 21 Cent pro Kilowattstunde allerdings nicht ein Preisanstieg um bis zu 30, sondern nur um bis zu 7,6 Prozent. Dabei bewegen sich die Zusatzkosten zudem in einer Größenordnung, daß sie ohne weiteres durch die Gewinne der Energiekonzerne gedeckt werden könnten. Mit anderen Worten: Auch die BDI-Untersuchung zeigt, daß der schnelle Ausstieg machbar und ohne weiteres erschwinglich ist. Wofür braucht es da noch eine Ethikkommission?
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.04.11
Die britische Regierung erwägt die Schaffung eines militärischen Brückenkopfs »im Grenzgebiet« zwischen Libyen und Tunesien. Das gab Kriegsminister Liam Fox am Mittwoch bei einer Anhörung im Verteidigungsausschuß des Unterhauses zu. Auf die Frage, ob ein Truppeneinsatz in Libyen von der am 17. März beschlossenen UN-Resolution 1973 gedeckt wäre, antwortete Fox, daß die Regierung zu jedem konkreten Einzelfall ein Rechtsgutachten einholen werde. Die Errichtung einer militärisch gesicherten »Schutzzone« für Flüchtlinge an der libysch-tunesischen Grenze gehöre zu den Themen, mit denen man sich möglicherweise beschäftigen werde. Nachdem in den vergangenen Tagen Rebellen in dieses Gebiet vorgestoßen waren – möglicherweise von Stützpunkten in Tunesien aus – sollen dort über 30000 Menschen auf der Flucht sein.
Indessen schreiten die Vorbereitungen der Europäischen Union auf eine »humanitär« getarnte Stationierung von Bodentruppen in Libyen voran. Der Planungs- und Führungsstab der dafür vorgesehenen Militärmission EUFOR Libya wurde am 1.April gebildet und mit einem Anfangsetat von 7,9 Millionen Euro ausgestattet. Das Hauptquartier befindet sich in Rom und untersteht dem italienischen Admiral Claudio Gaudiosi. Die 27 EU-Regierungen haben sich auf ein 61 Seiten starkes Papier (»Concept of Operations«) geeinigt, in dem die strategischen Richtlinien und Ziele, bis hin zu den Einsatzregeln, festgelegt sind. Geplant ist unter anderem die Besetzung und Abschirmung von libyschen Häfen und Flughäfen unter dem Vorwand, die Anlieferung von Hilfsgütern und den Abtransport von Flüchtlingen zu sichern. Die Rede ist darüber hinaus von der Schaffung militärisch kontrollierter »Versorgungskorridore« auf libyschem Territorium.
Zusammengenommen könnten diese Maßnahmen dazu führen, an wichtigen umkämpften Punkten, wie etwa in Misurata, die Situation entscheidend zugunsten der Rebellen zu verändern. Das Konzept sieht eine Einsatzdauer von »maximal« vier Monaten »nach Erreichen der vollen Einsatzfähigkeit« vor, was dann wohl auf ein halbes Jahr hinauslaufen würde. Ohnehin hat sich die NATO von ersten Propaganda-Prognosen einer kurzen Intervention – »Wochen, nicht Monate« – unverblümt verabschiedet. »Unser Engagement kennt keine zeitliche Begrenzung«, offenbarte Fox dem Unterhausausschuß.
Bevor die EU-Invasion nach Libyen anrollen kann, ist allerdings noch eine förmliche »Bitte« der Leiterin des UNO-Büros zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), Valerie Amos, erforderlich. Die in Guayana geborene Britin hat aber bisher dem zunehmenden Druck der EU, vor allem aus London und Paris, widerstanden. Die Verantwortliche der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, hat bisher vergeblich versucht, sich unter Umgehung von Amos direkt an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu wenden, um seine Zustimmung zu erreichen.
Flugzeuge der NATO haben am Mittwoch wieder einmal ihre eigenen Verbündeten angegriffen. Dabei wurden in der umkämpften Stadt Misurata mindestens zwölf Rebellen getötet und fünf weitere verletzt. Die Aufstandsführung hatte anfangs versucht, das Mißgeschick zu verheimlichen, da sie an einer Ausweitung der Luftangriffe interessiert ist und keine Stimmung gegen diese wünscht. Die Nachrichten aus dem Krankenhaus und von Angehörigen der Opfer ließen sich jedoch nicht unterdrücken.
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.04.11
Mehmet Tanridverdi ist Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände (BAGIV), Mitglied des kürzlich gegründeten Bundesbeirats für Integration und bislang Gießener SPD-Stadtverordneter. Jetzt tritt er aus der SPD aus.
Sie geben Ihr Parteibuch zurück, weil die SPD das Ausschlußverfahren gegen den Exbundesbankvorstand Thilo Sarrazin eingestellt hat. Wie steht die Partei nun in Ihren Augen da?
Ich bin nicht nur empört, sondern auch entsetzt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände hat die Entwicklung der SPD seit September 2010 kritisch begleitet, nachdem Herr Sarrazin sein Buch »Deutschland schafft sich ab« veröffentlicht hat. Wir hatten der Partei Empfehlungen ausgesprochen und waren erfreut, daß bis in die Parteiführung hinein eine einheitliche Meinung herrschte. Der Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte: »So einen Menschen können wir hier nicht dulden« und hat als erster dessen Ausschluß gefordert.
Jetzt sind alle eingeknickt. Die Begründung von Generalsekretärin Andrea Nahles, das Ausschlußverfahren einzustellen, ist nichtssagend. Festzuhalten ist: Herr Sarrazin hat nur gesagt, es tue ihm leid, falls er sozialdemokratische Grundsätze verletzt und Migranten diskriminiert habe – aber er hat weder seine rassistischen Thesen zurückgenommen, noch sich entschuldigt. Den Schaden, den er mit seinem Buch angerichtet hat, hat er nicht wiedergutgemacht. Seine Vorurteile über Araber und Moslems hat er biologisch begründet, die Gesellschaft gespalten und Millionen Bürger tief verletzt.
Haben womöglich wahltaktische Erwägungen in der SPD eine Rolle gespielt?
Ein Ausschluß Sarrazins hätte vielleicht bei der nächsten Wahl ein oder zwei Prozent gekostet; doch langfristig wäre die SPD gestärkt aus diesem Skandal herausgekommen. So aber schadet sie dem Integrationsprozeß. Zwar fordern Sozialdemokraten aus verschiedenen Bundesländern, wie auch aus Hessen, die SPD-Spitze auf, ihre Entscheidung zu revidieren – andererseits muß ich aber Äußerungen des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck hören, der die Diskussion einfach beenden will. Das alles wird der SPD nicht guttun.
Auch Sergey Lagodinsky, Gründer des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten, ist wegen Sarrazin aus der SPD ausgetreten. Ist sie so weit nach rechts gerutscht?
Ich kann nur sagen: Die SPD bietet mir keine Perspektive mehr. Zwar gibt es demokratische Kräfte, die aufzeigen, daß es falsch ist, sich von seinen Grundsätzen aus diffuser Angst, unpopulär zu sein, zu verabschieden. Ein beachtlicher Teil unserer Gesellschaft ist migrantenfeindlich – es ist doch ungeheuerlich, sich diesem Spektrum anzubiedern! Die Frage, was zu der Kehrtwende geführt hat, alle vier Ausschlußanträge zurückzuziehen, ist nicht beantwortet: Erhofft man sich, so die Wahl im September in Berlin zu gewinnen? Oder: Hat die SPD von Sarrazin verlangt, die mit rassistischen Thesen verdienten Millionen für soziale Zwecke auszugeben?
Haben die Jusos in Hessen recht damit, den Rücktritt von Andrea Nahles zu fordern?
Nein, die SPD hat ein Problem mit Herrn Sarrazin, nicht mit Frau Nahles. Es hätte der SPD gut angestanden, sich an der CDU ein Beispiel zu nehmen, die ihren ehemaligen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann aus Fulda wegen seiner antisemitischen Äußerung vor acht Jahren, in der er die Juden als »Tätervolk« bezeichnete, zügig ausgeschlossen hatte. In puncto Integration hinkt die SPD seit Jahren hinterher. Man denke an die von Exkanzler Gerhard Schröder angestoßene Green-Card-Regelung: Damals wollte man die Zuwanderung von qualifizierten Menschen steuern, hat aber nur eine Regelung für reiche Unternehmer getroffen.
Ein Teil der SPD kritisiert Hartz IV und findet die neoliberale Orientierung falsch – ein anderer vertritt exakt das Gegenteil. Ist das auf Dauer vereinbar?
Wenn ich an die verschiedenen Strömungen denke, glaube ich das kaum. Ich bin gespannt, was sich jetzt entwickelt, wenn Stimmen parteiinterner Kritiker, den Konflikt im Umgang mit Migranten betreffend, lauter werden. Ob die Führung umschwenkt? Auch die Gründung der linken Partei hat mit diesen Schwächen der SPD zu tun.
Wäre denn Die Linke für Sie eine Alternative?
Ich habe in dieser Partei Freunde, werde aber erst einmal unabhängig bleiben.
Quelle: www.jungewelt.de vom 28.04.11