Nach einigen Tagen auch verbaler Verirrungen hat sich die Bundesregierung nun offenbar auf eine Sprachregelung zur Energiewende geeinigt. Es soll ein »Atomausstieg mit Augenmaß« erfolgen, das »Zeitalter der erneuerbaren Energien« soll »so schnell wie möglich« erreicht werden, sagten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere Kabinettsmitglieder am Montag. Das Gute an diesen Floskeln: Sie legen nichts fest und lassen alles offen.
Die neue Atom-Ethik-Kommission, die gestern nachmittag erstmals zusammentrat, solle Vorschläge erarbeiten, wie dieser »Atomausstieg mit Augenmaß« zu bewerkstelligen sei, sagte Merkel. Ursprünglich war dem Gremium als Aufgabe gestellt worden, die Atomkraft und ihre Risiken unter ethischen Gesichtspunkten neu zu bewerten. Zeitgleich sollen Experten während des dreimonatigen Moratoriums die Schwachstellen der deutschen AKW analysieren.
Der Bericht von Merkels Ethik-Kommission und die Ergebnisse der Überprüfung aller 17 Reaktoren sollen die Basis bilden für die Entscheidung der Bundesregierung, welche und wie viele Meiler dauerhaft stillgelegt werden. Im Rahmen des dreimonatigen Moratoriums sind die sieben ältesten AKW abgeschaltet worden.
Nach Meinung eines der beiden Kommissionsvorsitzenden, Exumweltminister Klaus Töpfer (CDU), kann Deutschland rasch, aber nicht überstürzt aus der Atomenergie aussteigen. »Es reicht nicht zu sagen: Wir schalten ab«, sagte er am Montag. Der Industriestaat Deutschland brauche eine stabile Stromversorgung. »Das sollten wir nicht gefährden, wenn wir nicht die soziale Stabilität unserer Gesellschaft in Frage stellen wollen.«
Der Kovorsitzende, der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner, stützte sich auf ein längst widerlegtes Argument der Atomlobby: »Es wäre nichts gewonnen, wenn wir zwar unsere Atomkraftwerke schneller abschalten, aber dafür Atomstrom aus dem Ausland importieren.« Der Manager des Atomenergiekonzerns RWE, Fritz Vahrenholt, warnte vor Stromausfällen in Süddeutschland. Dazu komme es nach der Abschaltung von acht Reaktoren nur deshalb nicht, weil »Tag für Tag ein starker Import aus Frankreich und Tschechien stattfindet«, sagte er dem Springerblatt Die Welt (Montagausgabe). Mehr Importe seien technisch nicht möglich. Sofern nicht Erzeugung und Transport von Ökostrom schnell ausgebaut würden, müßten notfalls »Industriebetriebe und vielleicht sogar ganze Städte abgeschaltet werden«.
Der Energiesystemtechniker und Regierungsberater Jürgen Schmid erklärte dagegen, die Menschen in Deutschland säßen »ganz sicher nicht« im Dunkeln, auch wenn alle AKW noch in diesem Jahr abgeschaltet würden. Es gebe sehr viel Reservekapazität, ohne AKW gingen lediglich die deutschen Stromexporte zurück. »Für eine kurze Übergangszeit müßte man ein paar bereits abgeschaltete fossile Anlagen wieder anfahren«, sagte Schmid. Das sei zwar »ein unschöner Effekt. Aber wenn wir die erneuerbaren Energien zügig vorantreiben, werden die Emissionen nicht sehr relevant.«
Die Atomkraftgegner in den Initiativen trauen den vagen Ankündigungen aus der Regierungskoalition ohnehin nicht. Dieselben Politiker, die vor einem halben Jahr die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert und alle Hinweise auf die Unsicherheit der Atomenergie als ideologisch abgewertet hätten, behaupteten nun, einen schnellstmöglichen Ausstieg zu wollen, so Stefan Diefenbach-Trommer vom Netzwerk »ausgestrahlt«. Für Montag abend waren wieder in Hunderten Orten der BRD Kundgebungen gegen Atomkraft angekündigt.
Quelle: www.jungewelt.de vom 05.04.11
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