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Endlager Ozean. Nicht nur Tepco in Fukushima, auch in La Hague, Sellafield und anderenorts verseuchen Atomkonzerne die Weltmeere mit Atommüll. Von Max Eckart

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Tausende Tonnen angeblich nur mäßig radioaktiv verstrahltes Wasser leiten die Arbeiter aus dem Atomwrack Fukushima in Japan seit Tagen in den Pazifik. Dazu floß bis Dienstag aus mindestens einem Riß im Reaktor Nummer 2 unkontrolliert hoch belastete Brühe in den Ozean. Greenpeace hält die Aktion des Atomkonzerns Tepco für unverantwortlich und warnt bereits vor einer langfristigen Kontamination des Meeresbodens. Das radioaktive Wasser kann nach Ansicht der Umweltorganisation, die mit zwei Teams vor Ort ist und in der Nähe des havarierten AKW die Strahlung mißt, wieder an die Küste gespült werden. Mit der Gischt der Wellen könnten die strahlenden Partikel zudem in die Luft gelangen.

Doch eine Alternative zum Ablassen des Wassers bleibt Tepco wohl nicht. Die gewaltigen Wassermengen, die in den vergangenen Wochen per Wasserwerfer, Hubschrauber und Behelfspumpen in die havarierten Reaktoren hineingeschüttet und dort radioaktiv belastet wurden, müssen wieder aus dem Kraftwerk hinaus. Denn die hoch bis in die Turbinenräume stehende Flüssigkeit verhindert die Wiederinbetriebnahme der Kühlung – eine wichtige Voraussetzung, um die Situation zu stabilisieren. Somit bleibt, da an eine ordnungsgemäße Entsorgung der Wässer derzeit nicht zu denken ist, nur ihre Einleitung ins Meer.

Verboten ist das nicht. Und es ist auch nicht das erste Mal, daß Radioaktivität in größerem Umfang ins Meer gelangt. Jahrzehntelang durften radioaktive Abfälle sogar legal in den Ozeanen verklappt werden, bis dies 1994 die International Maritime Organisation (IMO) zumindest teilweise verbot. Nahezu alle Atommüll produzierenden Länder hatten bis dahin mehr als 100000 Tonnen radioaktiven Abfall im Meer versenkt. Großbritannien hat dabei mit etwa 80 Prozent den größten Anteil beigesteuert. Die USA räumten gegenüber der Internationalen Atomenergiebehörde ein, von 1946 bis 1970 mehr als 90000 Container mit radioaktivem Abfall vor ihren Küsten versenkt zu haben. Auch aus der Bundesrepublik Deutschland wurden einige hundert Tonnen Atommüll im Meer entsorgt.

Und es gibt die Erzählungen des Mafia-Aussteigers Francesco Fonti. Er berichtete, daß Italiens staatliche Atombehörde Enea in den achtziger Jahren mit der Frage auf die kalabrische ’Ndrangheta zugekommen sei, ob sie nicht Giftmüll verschwinden lassen könne? 600 Fässer mit radioaktivem Schlamm zum Beispiel? Die Mafia konnte. 500 Fässer, sagt Fonti, habe man auf einen Frachter gepackt und mit falschen Papieren nach Somalia geschickt. Andere Schiffe mit radioaktivem Müll ließen die ’Ndrangheta-Bosse offenbar im Mittelmeer versenken. Die Namen einiger mysteriös versunkener und bei den Versicherungen nie auf Schadensersatz reklamierter Kähne sind bekannt: Mikigan, Rigel, Marco Polo, Koralina – sie fuhr unter deutscher Flagge. 1990 strandete die »Jolly Rosso« an der kalabrischen Küste, in der Folge maßen die Behörden dort »unnatürlich hohe« Strahlenwerte.

Nach wie vor legal ist die direkte Einleitung von radioaktiven Abwässern in die Meere. Insbesondere die atomaren Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) machen von dieser Erlaubnis reichlich Gebrauch. Aus La Hague gelangen über ein 4,5 Kilometer langes Rohr täglich etwa 400 Kubikmeter verstrahltes Abwasser in den Ärmelkanal. 1997 maßen Greenpeace-Taucher die Strahlung am Ausgang der Pipeline und entnahmen dort Meerestier- und Sedimentproben.

Den Analysen von zwei unabhängigen Labors zufolge waren die inneren Ablagerungen der Pipeline so stark verstrahlt, daß sie nach dem deutschen Recht in Zement verpackt und endgelagert werden müßten. Die Proben enthielten erhebliche Mengen Plutonium – und wären deshalb eigentlich als kernbrennstoffhaltig einzustufen. Nach der Greenpeace-Recherche begann der damalige La-Hague-Betreiber Cogema damit, die alten Rohrleitungen zu ersetzen.

Nicht besser steht es in Sellafield, wo die flüssigen strahlenden Rückstände in die Irische See geleitet werden. Die Fischforschungsanstalt Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut ermittelte, daß zwischen 1965 und 1985 jährlich ein Radioaktivitätspotential von 5000 Billionen Becquerel verklappt wurde – die Einheit Becquerel gibt die Anzahl der radioaktiven Zerfälle an.

Einige Quellen verglichen die Kontamination des Meerwassers vor Sella­field mit der aus der gesperrten Zone um Tschernobyl. Die irische und die norwegische Regierung protestierten mehrfach gegen die Einleitungen. Immerhin setzten die Atomaufsichtsbehörden in den vergangenen 15 Jahren eine deutliche Reduktion der Einleitungen durch.

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.04.11

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 07. April 2011 um 12:13 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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