Wolfgang Huste Polit- Blog

Selbstabschaffung. SPD knickt vor Sarrazin ein. Von Werner Pirker

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Die SPD schafft den Sarrazynismus in ihren Reihen nicht ab. Der ehemalige Bundesbanker mit den sozialdarwinistischen Ansichten darf Mitglied einer Partei bleiben, die immer noch von sich behauptet, dem Solidaritätsgedanken verpflichtet zu sein. In einem Parteiausschlußverfahren brauchte Sarrazin nur zu behaupten, alles nicht so gemeint zu haben, und schon war die Sache für ihn gelaufen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die sich zu Beginn der Affäre gegen den »Deutschland schafft sich ab«-Autor ganz besonders stark gemacht hatte und in dem Verfahren die Bundespartei vertrat, gab sich mit Sarrazins Erklärung, Migranten nicht diskreditieren zu wollen, zufrieden. Mit seinen Thesen habe er die Integration befördern wollen, erklärte der frühere Berliner Finanzsenator. Das meint er wohl auch so.

Denn die Integration, die er und der deutsche Mainstream meinen, stellt kein freundliches Angebot, sondern eine gefährliche Drohung dar. Sie zielt nicht auf Gleichberechtigung, sondern auf Zwangsanpassung; sie ist nicht sozial, sondern kulturalistisch definiert. Die hochoffiziell zur Schau gestellte Empörung über die schrägen, biologistisch und mitunter offen rassistisch begründeten Thesen des zum Publikumsliebling avancierten Autors steht in einem seltsamen Kontrast zu den Schlußfolgerungen, die das politische Establishment aus der Buchveröffentlichung gezogen hat. Sarrazins Überfremdungsängste offenbar ernst nehmend, wurde der repressive Integrationsdiskurs noch weiter verschärft. Besonders kraß machte sich diese »Schizophrenie« beim SPD-Vorsitzenden Gabriel bemerkbar, der heftiger als andere Sarrazins Sozialdarwinismus geißelte und nicht minder entschieden »integrationsunwilligen Migranten« die Abschiebung in Aussicht stellte.

Soziale Rechte werden an Wohlverhalten geknüpft. Das betrifft nicht nur die notwendige Anpassung der Migranten an die hiesige Rechtskultur, sondern auch die Anpassung an vorherrschende kulturelle Lebensformen und ein von oben vorgegebenes Wertesystem, was letztlich auf eine generelle Einschränkung der Meinungsfreiheit hinausläuft.

Was der »Immer noch«-Sozialdemokrat in Lettre International auf seine vulgäre Art – Stütze kassieren und Kopftuchmädchen produzieren – zum besten gegeben hat, stößt bis in Teile des taz-Milieus hinein auf Zustimmung. Der Zuspruch, den Sarrazins Buch erhält, ist klassenübergreifend. Denn auch unter den Subalternen grassiert die Sozialschmarotzerdebatte – vor allem in ihrer ethnisch und kulturalistisch aufgeladenen Variante. Doch ist der Rassismus keineswegs – wie von »bildungsnahen« Schichten gerne behauptet – ein Unterschichtenphänomen. Aus Sarrazins Klassen- und Rassendünkel spricht die soziale Grausamkeit der Herrenwitzeerzähler, die sich auch noch geschickt des populistischen Ressentiments zu bedienen wissen. Dem hat die SPD, auch wenn sie es wollte, nichts entgegenzusetzen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 23.04.11

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 23. April 2011 um 13:58 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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3 Comments

  1. Siehe auch hier, unter „Kommentare“:

    http://www.meinespd.net/weblogs/beitrag/276

    Comment: Wolfgang Huste – 23. April 2011 @ 14:06

  2. SPD stellt Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin ein

    Damit akzeptiert die Partei ausdrücklich Rechtspopulismus in ihren eigenen Reihen

    Thilo Sarrazin geht aus dem Parteiausschlussverfahren, dass aufgrund seiner rechtspopulistischen Behauptungen in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ gegen ihn eingeleitet wurde, als klarer Gewinner hervor. Alle Anträge auf den Parteiausschluss wurden zurückgezogen, innerhalb von fünf Stunden einigten sich beide Seiten gütlich.

    In seinem Buch hatte Sarrazin behauptet, dass Intelligenz vererbbar sei, und Muslimen sowie der deutschen Unterschicht attestiert, schlechte Gene zu besitzen, so dass ein gesellschaftlicher Aufstieg für sie nahezu unmöglich sei.

    In einer Erklärung schreibt Sarrazin, er habe mit seinem Buch der Integration von Migranten dienen wollen. „Es entspricht insbesondere nicht meiner Überzeugung, Chancengleichheit durch selektive Förderungs- und Bildungspolitik zu gefährden; alle Kinder sind als Menschen gleich viel wert.“ Von sozialdarwinistischem Gedankengut distanzierte er sich in seiner Erklärung ausdrücklich.

    Wer Sarrazins Erklärung mit den Inhalten seines Buches vergleicht, wird sofort erkennen, dass beide inhaltlich wenig mit einander zu tun haben.

    Sarrazin verdreht den Inhalt seines eigenen Buches, um weiterhin SPD-Mitglied bleiben zu können – und die Sozialdemokraten lassen sich auf das Spiel ein. Wohl auch, weil Sarrazin als geeignet erscheint, für die schwächelnde Partei am rechten Rand einige Stimmen abzufischen.

    Es ist ein Zeichen der Schwäche der SPD, wenn sie jemanden wie Sarrazin in ihren eigenen Reihen duldet, der in „der enorme[n] Fruchtbarkeit muslimischen Migranten eine Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa“ sieht. Die Sozialdemokraten werden sich nun die Frage gefallen lassen müssen, wie sie künftig glaubwürdig gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eintreten wollen. Sarrazins Verbleib in der SPD bedeutet auch eine Verabschiedung von der sozialdemokratischen Idee, dass allen Menschen die Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg gegeben werden muss und dass prinzipiell alle zu diesem fähig sind. So schreibt Sarrazin in „Deutschland schafft sich ab“ (S. 91f), allen seinen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz:

    „Die schulische Bildung und Erziehung dieser Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten ist wesentlich schwieriger zu bewerkstelligen und mit geringeren Erfolgen verbunden als bei anderen Kindern. … Intelligenz ist aber zu 50 bis 80 Prozent erblich. Deshalb bedeutet ein schichtabhängig unterschiedliches generatives Verhalten leider auch, dass sich das vererbte intellektuelle Potential der Bevölkerung kontinuierlich verdünnt.“

    „Fortbildung und Umschulung“ sollten daher „nicht mehr im Mittelpunkt der Ertüchtigungsbemühungen für Empfänger von Grundsicherung stehen“. Auch auf sozialdarwinistische Thesen nimmt Sarrazin in seinem Buch offen positiv Bezug (S. 351):

    „Die kontinuierliche Höherentwicklung der menschlichen Geistesgaben erfolgte durch natürliche Selektion, bei der sich auch die sozialen Instinkte verfeinerten und die Sprache entwickelte. Die dadurch beförderte höhere Kooperationsfähigkeit des Menschen bestimmte seine wachsende Überlegenheit, wobei in der natürlichen Selektion Unterschiede in der Fruchtbarkeit und der Überlebensfähigkeit eine Rolle spielten. Der Mensch trat in zunehmende Konkurrenz nicht nur zu den Tieren, sondern auch zu seinesgleichen. Stämme und Völker mit niedrigerer Fruchtbarkeit beziehungsweise geringen Überlebensraten wurden verdrängt oder gingen in anderen auf. Dabei engten zivilisierte Völker den Raum der Naturvölker, bei Darwin „Wilde“ genannt, allmählich ein.“

    Der Rechtspopulismus feiert seine Auferstehung in der Mitte der Gesellschaft. Die SPD muss sich vorwerfen lassen, ihn mit ihrer Entscheidung wiederbelebt zu haben.

    Silvio Duwe

    http://www.heise.de/tp/blogs/8/149715

    Comment: Wolfgang Huste – 23. April 2011 @ 15:26

  3. Ein sehenswerter Beitrag zum Thema Sarrazin: http://www.youtube.com/watch?v=4ZI73qmMDhc&feature=uploademail

    Comment: Wolfgang Huste – 23. April 2011 @ 15:57

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