Hans-Peter Klausch ist Historiker in Oldenburg und hat die Studie »Braunes Erbe in Hessen – NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter« im Auftrag der hessischen Landtagsfraktion der Partei Die Linke erstellt
Eine Studie, die die Linksfraktion im hessischen Landtag in Auftrag gegeben hat, beleuchtet die Nazivergangenheit der früheren Landtagsabgeordneten. Sie haben herausgefunden, daß es 75 statt der nur drei offiziell zugegebenen NSDAP-Mitglieder gegeben hat. Welche Fraktionen sind belastet?
Alle, einschließlich die der SPD und der Grünen. Die früher im Landtag vertretene KPD ist die absolute Ausnahme. Selbst der einzige Abgeordnete der Grünen, Reinhard Brückner, der vom Alter her noch für eine Mitgliedschaft in Frage kam, hatte 1941 als 17jähriger am Tag des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion seine Aufnahme in die NSDAP beantragt.
Mindestens 75 von 333 in Frage kommenden Landtagsabgeordneten haben eine braune Vergangenheit. Da nur 80 Prozent der Akten erhalten sind, ist die tatsächliche Zahl höher zu veranschlagen. In der CDU-Fraktion wurden in den Wahlperioden von 1954 bis 1966 insgesamt 35,7 Prozent der Mandate dauerhaft oder zeitweilig von früheren NSDAP-Mitgliedern wahrgenommen; bei der FDP bis 1970 sogar zwischen 60 und über 70 Prozent. Es handelt sich dabei nicht nur um indoktrinierte Jugendliche, Mitläufer und Opportunisten. Die Hinzuziehung von SS- und SA-Personalunterlagen ergab, daß es selbst schwerbelasteten Nazis gelang, im Landtag unerkannt erneut politisch zu wirken.
Welche prominenten Politiker sind zu benennen?
Da gibt es beispielsweise Karl-Heinz Koch, den Vater des ehemaligen Ministerpräsidenten Roland Koch, oder den SPD-Politiker Rudi Arndt. Bemerkenswert ist die Geschichte des Vaters der »Stahlhelm«-Fraktion der CDU, Alfred Dregger. In der Fraktion der Christdemokraten sorgte er bis ins hohe Alter immer wieder durch seine rechten Positionen für Aufsehen und scheute dabei auch die Nähe zu Kreisen der extremen Rechten nicht. Im Bundesarchiv in Berlin habe ich recherchiert, daß seine Mitgliedskarte der NSDAP 1976 der Kartei entnommen wurde – ausgerechnet in dem Bundestagswahlkampf, in dem Dregger die Parole »Freiheit statt Sozialismus« vertrat. Das war zu der Zeit, als die USA das Archiv im Gewahrsam hatten. Dort befindet sich nur noch ein Zettel, der neben Name und Geburtsdatum des Betroffenen den Vermerk enthält: »SAFE – MR. SIMON 1976«.
Aus welchem Grund haben Sie diese Studie erstellt – etwa um eine Erklärung dafür zu finden, warum Parteien, die aus der NS-Tradition kommen, zu antikommunistischen Tiraden neigen?
Das auch – aber Auslöser war vor allem, daß zuvor die CDU in Niedersachsen herausgestellt hatte, sie stehe in antifaschistischer Tradition. Vor zwei Jahren bin ich dieser Sache nachgegangen. Da stellte sich heraus, daß das falsch war. Man hatte verdrängt und verschwiegen, daß die Antifaschisten an den Rand der Partei gedrängt wurden, während die Belasteten ständig mehr Einfluß gewonnen hatten. So ist das auch in der hessischen CDU; viele behaupteten fälschlich, Antifaschisten gewesen zu sein. Zum Beispiel im Fall des späteren Staatskommissars für die Förderung der hessischen Notstandgebiete, Wilhelm Ziegler (Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten, GB/BHE). Noch am 25. Februar 1944 hatte er in München vor hohen Offizieren ein Referat gehalten. Zu ihm heißt es im Biographischen Handbuch des Landtages: »1942 Untersuchungsverfahren durch Geheime Staatspolizei wegen aktiven Widerstandes in den Jahren 1938 und 1939« – dabei war es aber nur zu einem Karriereknick gekommen. Von »Widerstand« kann bei Ziegler keine Rede sein.
Unterscheiden sich die Reaktionen nach Ihrer Untersuchung im niedersächsischen Landtag von der der hessischen Abgeordneten?
In Hessen poltert die CDU nur plump daher: Das solle wohl nur eine Ablenkung sein, heißt es, damit die Stasi-Vergangenheit der Partei Die Linke nicht thematisiert werde. Ich denke, das ist eine Folge der dort noch immer einflußreichen Stahlhelmfraktion. Als sich nach meiner Niedersachsen-Untersuchung 2008 im offiziellen Biographischen Handbuch Hinweise fanden, daß nahezu jeder dritte Abgeordnete dort in der NSDAP war, reagierte man anders: Man hat eine weitere Untersuchung durch die historische Kommission des Landtags für notwendig befunden.Interview: Gitta Düperthal
Tag des Sieges. Im Vorfeld des 66. Jahrestags der Befreiung Europas vom Faschismus am 8. Mai 1945 – der in Rußland am 9. Mai begangen wird – haben Kinder am Freitag in Moskau rote Nelken am Grabmal des unbekannten Soldaten an der Kremlmauer niedergelegt, um an die Millionen sowjetischen Opfer des Krieges gegen Hitlerdeutschland zu erinnern. Höhepunkt des diesjährigen Gedenkens ist die traditionelle Militärparade am Montag auf dem Roten Platz, an der mehr als 20 000 Soldaten und Offiziere teilnehmen werden.
Quelle: www.jungewelt.de vom 07.05.11
« Verleumdung und Rufmord. Offener Brief an alle, denen politische Wahrhaftigkeit, journalistische Ethik und universale Menschenrechte nicht egal sind. Von Hermann Dierkes, Vorsitzender der Ratsfraktion Die Linke Duisburg – Rheinland-Pfalz: Kröte zum Riesling. Zustimmung der Grünen zu Bau der Hochmoselbrücke ruft Wut und Empörung hervor. Von Ralf Wurzbacher »
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