Wolfgang Huste Polit- Blog

Polizeipakt mit Neonazis. Von Lothar Bassermann

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Selbst der bürgerliche Tagesspiegel am Sonntag schlagzeilte: »Jagdszenen in Kreuzberg«. Der Bericht bezog sich auf einen Vorgang, den es in der Geschichte des Zusammenspiels von Behörden und Neonazis in Berlin so noch nicht gab. Berlins Innensenat und die Versammlungsbehörde hatten für Sonnabend in Kreuzberg einen Neonaziaufmarsch genehmigt, den sie aber vor der Öffentlichkeit geheim hielten. Durch die Äußerung eines Rechtsextremen im Internet war die Zusammenrottung dennoch kurz vor Beginn bekannt geworden. Am Sonnabend mittag versammelten sich rund 100 Anhänger sogenannter Freier Kameradschaften und der NPD am U-Bahnhof Mehringdamm.

Auch die Route und den Sammelpunkt der Neonazis hielten die Behörden bis zuletzt unter Verschluß. Dennoch stellten sich etwa 800 Menschen den Rechten entgegen, um ein Losmarschieren zu verhindern. Die Polizei, die am Samstag mit 500 Beamten im Einsatz war, ging mit Schlagstöcken und Pfefferspray brutal gegen die Antifaschisten vor. Letztlich erfolglos: Nach nur einer Stunde erklärte der Anmelder des rechten Aufmarschs, Sebastian Schmidtke, die Veranstaltung für beendet.

Allerdings kam es zu schweren Übergriffen von Neofaschisten auf Gegendemonstranten und Passanten. Augenzeugen berichteten gegenüber jW, daß aus einem Polizeikessel ausgebrochene Neonazis auf mehrere Sitzblockierer eingedroschen und eingetreten haben. Dabei gab es mindestens vier Verletzte. Zudem schlug eine Gruppe junger Rechter auf einen Mann wegen seiner dunklen Hautfarbe ein.

Antifagruppen kritisierten am Sonntag scharf das Vorgehen der Polizei und deren Informationspolitik: Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) sprach von »skandalösen Übergriffen der überraschten und überforderten« Beamten auf Protestierer. Zudem sollte »mittels eines bisher so nicht gekannten Paktierens der Berliner Polizei mit den Nazis (…) jedweder antifaschistischer Protest schon von vornherein verhindert« werden. Das Aufmarschmotto »Wahrheit macht frei« hätte wegen des eindeutigen Bezugs zum Nazispruch »Arbeit macht frei« ein »Verbot jederzeit rechtfertigen müssen«, so die VVN-BdA.

Zu den genannten Neonaziattacken auf Gegendemonstranten war es kurz vor der Auflösung des Aufmarschs durch eklatante Einsatzpannen der Polizei gekommen. Diese erklärte in einer Mitteilung am Sonntag, von zahlreichen Rechten im U-Bahnhof überrannt worden zu sein, als sie die Neonazis zur Durchführung ihres Aufmarschs unterirdisch an den Blockaden vorbeiführen wollte. Zeitgleich ging sie mit einem massivem Aufgebot gegen Antifaschisten auf dem Mehringdamm vor. Die den Beamten entwichenen Neonazis nutzten die Gunst der Stunde und malträtierten Gegendemonstranten, nachdem sie in eine Sitzblockade gestürmt waren. Anstatt die Angreifer festzunehmen, wurden sie durch Polizeibeamte in die Neonaziversammlung zurückgeschickt.

Die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) äußerte am Sonntag, die Polizeiführung trage eine erhebliche Mitschuld daran, daß es zu den Neonaziübergriffen überhaupt kommen konnte. Der Polizei bemesse die »körperliche und seelische Unversehrtheit« der Gegendemonstranten und Kreuzberger Bürger geringer, als den »Nazis ihren Aufmarsch störungsfrei« zu ermöglichen. Zahlreiche Landespolitiker kündigten unterdessen an, die Vorgänge im Abgeordnetenhaus thematisieren zu wollen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.05.11

Dieser Beitrag wurde am Montag, 16. Mai 2011 um 10:52 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Alle unschuldig.
    Bisher übernahm niemand Verantwortung für das Zusammenspiel von Neonazi- und Polizeigewalt beim Einsatz am Samstag in Berlin-Kreuzberg.
    Von Claudia Wangerin

    Nach dem Aufmarschversuch gewalttätiger Neonazis am vergangenen Samstag in Berlin-Kreuzberg haben mehrere Berliner Politiker das Verhalten der Polizei an Ort und Stelle sowie deren Geheimhaltungstaktik im Vorfeld kritisiert. Die Demonstration, bei der es am Mehringdamm zu körperlichen Attacken auf linke Gegendemonstranten sowohl durch rechte Demonstrationsteilnehmer als auch durch die Polizei kam, war von dem NPD-Kader Sebastian Schmidtke unter dem Motto »Wahrheit macht frei« angemeldet worden. Im Aufruftext wurde die Benennung der ethnischen Herkunft von Straftätern durch Polizeipressestellen und Medien gefordert. Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) hätte schon im Bezug zur historischen Naziparole »Arbeit macht frei« einen Verbotsgrund gesehen.

    Der Leiter der Versammlungsbehörde, Joachim Haß, war am Montag nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Nach Auskunft eines Polizeisprechers hatte er sich soeben in den Urlaub verabschiedet. Auf weitere Anfragen von junge Welt reagierte die Polizeipressestelle nicht.

    Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte bereits am Sonntag die Gewalt der rechten Demonstrationsteilnehmer gegen weitgehend friedliche Gegendemonstranten, erklärte jedoch nicht, warum weder die Öffentlichkeit noch der Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) noch die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus über Zeit und Ort des geplanten Aufmarschs informiert worden waren. Statt dessen hatte sich einer der Rechten im Internet verplappert.

    So standen am Samstag gut 100 Neonazis knapp 500 Antifaschisten gegenüber. Nach Polizeiangaben waren 600 Beamte im Einsatz. Unter den Rechten, die sich um die Mittagszeit auf dem Mehringdamm versammelten, waren auch angereiste Funktionäre aus Westdeutschland. Hunderte Gegendemonstranten blockierten die Fahrbahn und protestierten mit Pfiffen und Sprechchören. Die Polizei ging mit Fäusten, Tritten und Pfefferspray gegen sie vor, trotzdem konnte der Aufmarsch verhindert werden. Nach nur etwa einer Stunde erklärte der Anmelder die Veranstaltung für beendet. Allerdings kam es zu schweren Übergriffen von Rechten auf Gegendemonstranten und Passanten. Nach Augenzeugenberichten nutzten die Neonazis den U-Bahnhof, um die Polizeiketten zu umgehen und attackierten mehrere Personen mit Fahnenstangen und Fäusten. Dabei gab es mindestens vier Verletzte auf Seiten der Gegendemonstranten.

    Der Berliner SPD-Nachwuchs verurteilte am Montag den Polizeieinsatz und verlangte »ernsthafte Konsequenzen« . »Wie den Berichten von Teilnehmern sowie Fotos zu entnehmen ist, gingen die Neonazis mit außerordentlicher Brutalität gegen GegendemonstrantInnen vor, warfen »Polenböller« um sich, ohne von der Polizei zunächst hiervon abgehalten oder später festgenommen zu werden«, erklärte der Berliner Landesvorsitzende der Jusos Christian Berg. Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus Lederer, nannte das Vorgehen »skandalös«. Der Innensenator sei aufgefordert, dafür zu sorgen, »daß nicht der Eindruck entsteht, die Polizei würde die Geheimhaltungstaktik der Rechtsextremen durch ihre Informationspolitik begünstigen und Proteste gegen Naziaufmärsche vermeiden wollen.« , so Lederer weiter.

    Gegen die Berliner Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Halina Wawzyniak soll in diesem Zusammenhang wegen versuchter Gefangenenbefreiung ermittelt werden. Nach Informationen der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit stellte die Berliner Polizei am Samstag eine entsprechende Strafanzeige gegen sie. Die Junge Freiheit gibt als Quelle an, ihr liege ein interner Lagebericht der Polizei vor, demzufolge Wawzyniak die Festnahme eines linken Gegendemonstranten wegen gefährlicher Körperverletzung massiv behindert haben soll. Nach Polizeiangaben wurden bei dem Einsatz am Mehringdamm 36 Beamte verletzt, eine klare Zuordnung, durch wen, wurde bisher nicht öffentlich vorgenommen.

    Quelle: http://www.jungewelt.de vom 17.05.11

    Comment: Wolfgang Huste – 17. Mai 2011 @ 11:55

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