Kurz vor Beginn des zweitägigen Sondergipfels der Afrikanischen Union, auf der eine Friedenslösung für Libyen beraten werden soll, hat die NATO ihre bisher schwersten Angriffe auf Tripolis gestartet. Binnen einer halben Stunde wurden am Dienstag mehr als 20 Attacken geflogen, die Bomben erschütterten die Millionenmetropole praktisch im Minutentakt. Medienberichten zufolge stieg über der Stadt beißender Rauch auf. Noch in einem Hotel für ausländische Journalisten in etwa zwei Kilometern Entfernung von den bombardierten Zielen fiel laut Reuters der Putz von der Decke. Die NATO teilte mit, eine Reihe von Angriffen hätten einem dem Militärkomplex Bab Al-Asisija angeschlossenem Fahrzeugdepot der Armee gegolten. Der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim erklärte, die NATO habe Einrichtungen der Volksgarde getroffen. In den Gebäuden hätten sich weder Soldaten noch »nützliches Material« befunden. Drei junge Männer, die Augenzeugenberichten zufolge nach den ersten Luftangriffen auf die Straße unweit der Kasernen gelaufen und dort von Bombensplittern getroffen worden waren, starben bei dem NATO-Bombardement. 150 weitere Libyer wurden laut Ibrahim verletzt.
Die Terrornacht in Tripolis wurde politisch-ideologisch begleitet von einem gemeinsamen Kriegsappell des US-Präsidenten Barack Obama und des britischen Premierministers David Cameron. In der britischen Zeitung The Times bekundeten sie in einem Gastbeitrag am Dienstag, man werde den Libyen-Einsatz gemeinsam mit den Alliierten fortsetzen, bis die Resolutionen der UNO umgesetzt seien. Man werde nicht zulassen, daß die Proteste gegen das Regime Muammar Al-Ghaddafis mit Waffengewalt zerschlagen würden. Und schließlich behaupteten Cameron und Obama, der in London gestern mit Salutschüssen zum Staatsbesuch empfangen wurde: Die Beziehung zwischen den USA und Großbritannien machen die Welt zu einem sichereren und wohlhabenderen Ort.
In der Oppositionshochburg Bengasi traf sich derweil Obamas Nahostemissär Jeffrey Feltman mit Rebellenvertretern des selbsternannten Nationalen Übergangsrats, den er zur »legitimen Vertretung des libyschen Volkes« verklärte. Die Ghaddafi-Gegner lud Feltman ein, in Washington offiziell ein Büro zu eröffnen. Seine Chefin, US-Außenministerin Hillary Clinton, rief in London parallel weitere NATO-Staaten auf, sich an Libyen-Angriffen zu beteiligen. Unklarheit herrschte darüber, ob sich Großbritannien am Einsatz von Kampfhubschraubern in Libyen beteiligt. Die französische Armee hat bereits entsprechendes Kriegsgerät vor die Küste des nordafrikanischen Landes verlegen lassen. Wenig Wunder, daß die Aufständischen an einer Fortführung des Krieges festhalten und sich Verhandlungen mit der libyschen Regierung verweigern.
In Deutschland meldet sich einzig die Partei Die Linke mit Kriegskritik zu Wort. »Die NATO-Luftangriffe in Libyen vernichten Leben. Sie haben schon lange nichts mehr mit dem Schutz der Zivilbevölkerung zu tun«, erklärte Wolfgang Gehrcke vom Linke-Bundesvorstand am Dienstag. »Die Linke fordert die Bundesregierung auf, in der NATO auf eine sofortige Einstellung des Krieges und auf die Beendigung der Luftangriffe zu dringen. Nur eine Waffenruhe kann die Chance schaffen, Verhandlungen zur Lösung des Konflikts aufzunehmen.«
Quelle: www.jungewelt.de vom 24.05.11
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