An etwa 40 deutschen Hochschulen wird Rüstungsforschung betrieben, oftmals in Bereichen, in denen man es auf den ersten Blick nicht sieht und nicht einmal jeder Beteiligte davon weiß. Studierende und Wissenschaftler sehen das zunehmend kritisch: »Nein zur Militarisierung von Forschung und Lehre – Ja zur Zivilklausel« ist das Motto einer Konferenz von Studierenden, den Gewerkschaften ver.di und GEW sowie Organisationen der Friedensbewegung, die am heutigen Freitag in der Technischen Universität Braunschweig beginnt.
Gemeint ist mit »Zivilklausel« die Verpflichtung der Hochschulen auf friedliche Forschung und Lehre. »Die einzelne Universität verankert per Beschluß ihres höchsten Gremiums in der Satzung, daß Forschung und Lehre ausschließlich zivil erfolgen sollen«, erläutert Reiner Braun von der Organisation IALANA (Internationale Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen).
Von Konzernen wie Daimler und der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) wird Rüstungsforschung natürlich erst einmal in eigenen Labors durchgeführt. Darüber hinaus beteiligen sich Institute und Fakultäten staatlich finanzierter Hochschulen an militärischen Forschungsprogrammen. Eine intensive Zusammenarbeit besteht in Deutschland zum Beispiel zwischen den Kasseler Rüstungsschmieden Krauss-Maffei/Wegmann sowie Rheinmetall Defence und der Universität Kassel, unter anderem durch einen Forschungsauftrag der Europäischen Verteidigungsagentur zur Entwicklung unbemannter, »kognitiver« Kampfmaschinen. Damit sollen im Kriegsfall die Verluste unter den eigenen Soldaten minimiert werden.
Eine Frage des Geldes
Reiner Braun sieht einen Grund für die enge Kooperation zwischen Rüstungsindustrie und Hochschulen in deren Unterfinanzierung: »Drittmittel sind in den neoliberal gewendeten Hochschulen für die Forschung überlebenswichtig und notwendig; sie werden ohne ethische Auswahl als Sachnotwendigkeit akzeptiert«, so Braun.
Zu den Veranstaltern der Konferenz in Braunschweig gehören auch Initiativen wie das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren, die eine radikale Umverteilung von Geldern zugunsten der Bildung und zu Lasten der Rüstung fordern. Reiner Braun nimmt am Sonntag mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ulrich Thöne, und der Maschinenbaustudentin Nadja Brachmann an der Podiumsdiskussion »Handeln für den Frieden« teil.
Erste Erfolge können bereits Friedensaktivisten im Hochschulbereich vorweisen: An den Universitäten Karlsruhe und Köln haben sich die Studierenden in Urabstimmungen für eine Zivilklausel ausgesprochen, in der Universität Tübingen wurde sie im Zuge des Bildungsstreiks 2009 durchgesetzt und im September 2010 rechtskräftig. In Bremen positionierte sich die Bürgerschaft im Mai 2011 mit breiter Mehrheit für eine Selbstverpflichtung der Hochschulen, die Forschung für militärische Zwecke ausschließen soll. Zwei Monate, nachdem die Fraktion Die Linke den Entschließungsantrag eingebracht hatte, reagierte Rot-Grün und zog mit einem eigenen Antrag nach, der mit den Stimmen von Koalition und der Linken verabschiedet wurde.
Kontrolle ist besser
Die Technische Universität Berlin hat schon seit 1991 eine Zivilklausel, auf deren Einhaltung jedoch immer wieder gepocht werden muß: Der akademische Senat beschloß damals »Maßnahmen zur Verhinderung von Rüstungsforschung an der TU Berlin«, der auf den alliierten Bestimmungen beruht. Er wurde einstimmig angenommen und ist unverändert gültig. Dennoch mußte der Allgemeine Studierendenausschuß im April 2009 gegen Forschungsprojekte in den Bereichen Sicherheit und Wehrmedizin protestieren, die vom Verteidigungsministerium finanziert und durch eine Bundestagsanfrage der Partei Die Linke bekannt geworden waren. Der AStA warf der sich ahnungslos gebenden Universitätsleitung Verstöße gegen die Zivilklausel und Verheimlichung vor.
Die Konferenz in Braunschweig soll dazu dienen, »Informationen zur Militarisierung der Hochschulen zusammenzutragen und den Erfahrungsaustausch über die vielfältigen Formen des Widerstands zu ermöglichen«, so die Veranstalter in ihrem Einladungstext.
An den Schulen richten sich die Begehrlichkeiten des Militärs unterdessen auf das noch nicht durch High-tech ersetzbare Menschenmaterial. Gegen die Nachwuchswerbung der Bundeswehr haben sich in den letzten Jahren bundesweit mehrere Initiativen von Schülern, Lehrern und Eltern gegründet.
Quelle: www.jungewelt.de vom 26.05.11
« DIE LINKE auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. Von Wolfgang Huste – Die Misere wird sich weiter verschlimmern«. Regierung kürzt Mittel für Arbeitslose. Vom »Fördern und Fordern« ist nur das »Fordern« geblieben. Ein Gespräch mit Stefan Sell Interview: Ralf Wurzbacher »
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